Prignitz - Stepenitz bekommt natürlichen Flusslauf zurück

Do 03.10.24 | 08:20 Uhr | Von Björn Haase-Wendt
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Bagger einer Spezialfirma holen den Schlamm aus dem Altarm der Stepenitz. (Foto: rbb/Haase-Wendt)
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Audio: Antenne Brandenburg | 30.09.2024 | Björn Haase-Wendt | Bild: rbb/Haase-Wendt

Die Stepenitz gilt als einer der artenreichsten Flüsse Brandenburgs. Trotzdem gibt es Probleme für die Tier- und Pflanzenwelt. In der Prignitz bekommt der Fluss nun seinen natürlichen Flusslauf zurück. Davon profitiert auch der Hochwasserschutz. Von Björn Haase-Wendt

  • 430 Meter langer Altarm der Stepenitz wird reaktiviert
  • neue Lebensräume für Tiere und Pflanzen plus Hochwasserschutz
  • Maßnahme kostet etwa 300.000 Euro

Michael Zauft steht am Ufer der Stepenitz bei Telschow (Prignitz). Der Projektleiter der Stiftung NaturschutzFonds Brandenburg zeigt auf den etwa vier Meter breiten Fluss, der nahezu gerade an ihm vorbeifließt. "Hier hat man nicht die schönen Unterwasserstrukturen, das ist wie so ein Kanal – fast wie eine Wüste", sagt der Naturschutzexperte.

"Die typischen Arten für die Stepenitz wie die Bachforelle, Groppe oder Bachmuscheln finden hier gar keinen Lebensraum mehr", fügt Zauft an. In den 1960er Jahren wurde nördlich von Telschow im Amt Putlitz-Berge die Stepenitz begradigt, um zusätzliche Wiesen und Flächen für die Landwirtschaft zu erhalten. "Das sind ein paar Hektar, die aber schon seit sehr langer Zeit nicht mehr genutzt werden", sagt Zauft.

Altarm wird wieder an den Fluss angeschlossen

Nun bekommt die Stepenitz hier einen Teil ihres natürlichen Flusslaufs zurück. Ein etwa 430 Meter langer Altarm wird aufwendig reaktiviert und wieder an den Fluss angeschlossen. Stahlplatten und Holzbohlen liegen am Ufer, auf denen sich die Bagger sicher bewegen können und den Schlamm aus dem noch vorhandenen Altarm holen. "Wir heben das hier auf eine gewisse Sohltiefe aus, profilieren die Sohle und die Böschung. So wird der alte Verlauf wiederhergestellt, dass das meiste Wasser wieder hier durchläuft", erklärt Heiko Krebs von der Wasserbau-Firma BSD.

Zum Schluss wird der begradigte Flusslauf abgeschnitten und die Stepenitz durch den geschwungenen Altarm geleitet. Die Arbeiten finden unter den wachsamen Blicken von zwei Archäologen statt. Sie beobachten, wie der Bagger Schlamm, Holz und anderes aus dem Flussbett holt. So soll sichergestellt werden, dass keine historischen Siedlungsstrukturen zerstört werden, die sich am Fluss befinden könnten.

Mehr Lebensraum für seltene Muscheln und Fische

Die Stiftung NaturschutzFonds Brandenburg hat die Altarmreaktivierung bereits seit sechs Jahren im Blick, die Planungen und Genehmigungen haben sich aber immer wieder hingezogen. Seit Mitte September laufen nun die Bauarbeiten. Von der Rückverlegung der Stepenitz in den alten Flusslauf profitiert die Tier- und Pflanzenwelt. Denn durch die unterschiedlichen Tiefen und Fließgeschwindigkeiten wird neuer Lebensraum geschaffen. "Gerade die Fische und auch die seltenen Muscheln, die hier vorkommen, brauchen die kiesigen Abschnitte, die in den stark gewundenen Fließgewässern viel häufiger vorkommen", erklärt Projektleiter Michael Zauft.

So können Fischarten wie die Groppe, die Bachforellen oder die Elritzen im Kies ihre Eier ablegen. Auch die vom Aussterben bedrohte aber in der Prignitz noch vorkommende Bachmuschel findet hier dann wieder gute Bedingungen. Das hilft auch der Stepenitz selbst. So kann eine erwachsene Muschel täglich bis zu 85 Liter Flusswasser filtern und so den Fluss reinigen.

Neue Überschwemmungsflächen entstehen

Auch der angrenzende Auenwald profitiere. "Das ist hier noch ein schön erhaltener Auenwald mit den Eichen am Rand und in der Aue den Erlen und Eschen. Durch die Maßnahme stellen wir das natürliche Überschwemmungsregime wieder her mit der natürlichen Dynamik von Hoch- und Niedrigwasser", sagt Zauft. Das hilft auch bei Hochwasser. Durch den geschwungenen Flusslauf erhält der Fluss vor dem Ort eine zusätzliche Fläche für den Wasserrückhalt. "Bei Hochwasser ist also der gesamte Bereich hier unter Wasser", erklärt Zauft und zeigt auf den Auenwald und die angrenzende Wiese.

Für die Maßnahme werden rund 300.000 Euro investiert. Finanziert wird das über das von der Europäischen Union geförderte Projekt "LIFE Bachmuschel", sowie über Ausgleichszahlungen für die Versiegelung von Flächen, etwa durch den Straßenbau oder die Errichtung von Windkraftanlagen. Voraussichtlich Ende November soll die Stepenitz wieder durch ihren natürlichen geschwungenen Flusslauf fließen.

Sendung: Antenne Brandenburg, 01.10.2024, 15:10 Uhr

Beitrag von Björn Haase-Wendt

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8 Kommentare

  1. 8.

    Schön. Jedoch leider nur ein paar hundert Meter. Um dem Artensterben etwas entgegen zu setzen und für mehr Grundwasser bräuchte es deutlich mehr davon.

  2. 7.

    Sehr gut, ein kleiner Anfang...

  3. 6.

    Begradigungen, Änderungen an Gräben und Flüssen gab es auch ohne den Flächengewinn für die Landwirtschaft. Dass solche Aktionen besonders der Landwirtschaft in der DDR dienlich waren, ist unbestritten. Mit einer Hasskampagne gegen Grüne hat das derzeitige Projekt wenig bis nichts zu tun. Flächen haben Eigentümer und auf deren Grund und Boden kann nicht jeder nach seinem Gusto rumwühlen. Es ist auch logisch vermessungstechnische Daten vor und nach der Renaturierung wieder auf den Ist-Stand zu bringen. Sie wollen ja auch nicht, dass z.B. Radwege vor einem Fabritor enden, obwohl die auf Ihrer Karte an einer Kirche oder an Ribbecks Birnbaum vorbeiführen. Also ist nichts mit einfach machen und einem Dreijährigen die Planung überlassen.

  4. 5.

    Es könnte mehr Renaturierungen geben, wenn man den Naturschützern, Landschaftspflegern und Wasserbauern mehr zutrauen würde! Selbst für hundert Meter Bachrenaturierung müssen hydrogeologische Gutachten, aufwendige Vermessungen, Umweltverträglichkeitsprüfungen gefertigt werden. Aber Natur ist dynamisch, es sollte vielmehr auf trial and error gesetzt werden, solange keine Wohngebiete, Verkehrswege oder andere "Zivilisation" gefährdet ist. Ob mitten im Wald das Wasser - salopp gesagt - nach rechts oder links fließt, muss nicht erst 12 Monate lang in jedem Detail analysiert und geplant, sondern es muss ausprobiert und gemacht werden. Einfach machen!

  5. 4.

    Weil Sie Politik wie dreijährige machen! Viel zu zaghaft, viel zu langsam! Vom Kopf in den Sandstecken läßt sich nichts retten! Und der große Fehler war die Haßkampagne gegen alles Grüne.

  6. 3.

    Freut mich auch !!!
    Altarme an Flüsse wieder anschließen und Flüsse oder Flussabschnitte renaturieren - ist eine Mammutaufgabe und dauert eigentlich, viel zu Lange - für unsere Natur/Umwelt/Klima und damit, für uns Menschen.
    Es ist wie bei der Reaktivierung von Bahnstrecken/Bahnhöfen - Eine Bahnstrecke/Bahnhöfe wird reaktiviert, aber Dutzende sind in der endlosen Warteschleife, Viele Grüße in die Prignitz.

  7. 2.

    Gute Aktion. Schlamm könnte man auch mal aus anderen Flüssen und Seen entfernen.

  8. 1.

    Na, das sind doch mal gute Nachrichten. Freut mich.

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