Silvester-Randale - Berlin diskutiert Böllerverbote - Bund lehnt stärkere Einschränkungen ab
Böllerverbote? Verkaufsverbote? Mehr Überwachungstechnik? Nach den Attacken auf Berliner Einsatzkräfte in der Silvesternacht gibt es unterschiedliche Vorschläge, wie solche Vorfälle verhindert werden könnten.
- Kritik an Angriffen auf Berliner Einsatzkräfte in der Silvesternacht hält an
- Forderungen nach generellem Böllerverbot oder nach Verkaufsverboten
- In der Debatte ist auch zusätzliche Überwachungstechnik für Einsatzkräfte oder -fahrzeuge
- Bundesinnenministerin Faeser sieht keine Notwendigkeit für rechtliche Änderungen
Der Berliner Kultursenator Klaus Lederer (Linke) hat sich nach den Angriffen in der Silvesternacht auf Polizei und Feuerwehr für ein Böllerverkaufsverbot ausgesprochen. "Das müsste bundesrechtlich geregelt werden", sagte er am Montag dem rbb.
Die Angriffe auf Einsatzkräfte von Feuerwehr und Polizei nannte Lederer "inakzeptabel" und forderte, der Senat müsse schnell über Konsequenzen sprechen. Eine Ausweitung der Böllerverbotszonen - wie sie die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) ins Spiel brachte - sehe er kritisch, weil für die Durchsetzung viele Einsatzkräfte benötigt würden, so Lederer im rbb24 Inforadio. "Ich wünsche mir eigentlich, dass wir unsere Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte für das einsetzen, für was sie da sind, und nicht für Katz-und-Maus-Spiele in der Stadt."
In der Silvesternacht hatten Polizei und Feuerwehr mit zusammen fast 4.000 Einsätzen noch mehr zu tun als zuletzt an Silvester vor der Pandemie. Dabei wurden Einsatzkräfte in zahlreichen Fällen mit Böllern und Raketen angegriffen. Die Feuerwehr dokumentierte nach eigenen Angaben bei mindestens 38 Einsätzen Angriffe, dabei wurden 15 Menschen verletzt. Bei der Polizei waren es 18 Verletzte. Auch am Neujahrstag kam es in Berlin zu Böller-Angriffen auf Polizisten und Feuerwehrleute.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser reagierte am Montag ablehnend auf den Vorschlag auf ein generelles Böller-Verbot in Deutschland. "Das bestehende Recht bietet bereits umfassende Möglichkeiten, um das Abbrennen pyrotechnischer Gegenstände zu verbieten oder auch zu begrenzen", sagte eine Ministeriumssprecherin. So könnten die Länder schon jetzt Verbotszonen einrichten. Zugleich sollten die bestehenden Strafvorschriften gegen "Gewalttäter mit aller Konsequenz angewandt und durchgesetzt werden". Damit könnten auch "empfindliche Freiheitsstrafen" verhängt werden, erklärte die SPD-Politikerin.
Die Gewerkschaft der Polizei Berlin fordert hingegen - neben einem Verkaufsverbot - ein generelles Böllerverbot. Ausnahmen sollte es nur für Personen geben, die beruflich mit Pyrotechnik hantieren, sagte Sprecher Benjamin Jendro am Sonntagabend dem rbb. Den Vorschlag, mehr Böllerverbotszonen einzurichten, lehnte auch Jendro als nicht praktikabel ab.
Die Gewerkschaft der Polizei Brandenburg schlug vor, Feuerwerk nur noch an Experten zu verkaufen. Die Landesvorsitzende Anita Kirsten verwies auf Länder wie Frankreich, wo Kommunen zentral Feuerwerke organisieren. Ein generelles Böllerverbot würde sich nach Einschätzung von Kirsten "rein praktisch nicht umsetzen lassen".
Die Deutsche Feuerwehr-Gewerkschaft forderte zudem, Einsatzfahrzeuge mit sogenannten Dashcams auszustatten. Das sind kleine Kameras, die oftmals hinter der Windschutzscheibe montiert werden. So könnten derartige Angriffe besser dokumentiert werden, teilte der Landesverband Berlin-Brandenburg in der Nacht zum Montag mit.
Zudem verwies die Gewerkschaft auf Bodycams, die derzeit getestet werden. Nach früheren Angaben des Berliner Innensenats sind Feuerwehr und Polizei in der Stadt mit 300 dieser Kameras ausgestattet worden. Mit den Geräten sollen brenzlige Situationen gefilmt werden.
Die Beschaffungskosten für die bisherigen 300 Kameras betrugen laut Senatsinnenverwaltung 275.000 Euro. In anderen Bundesländern und bei der Bundespolizei werden die Bodycams schon seit Jahren genutzt. Die in der Hauptstadt mitregierenden Grünen und Linken sehen die Bodycams eher skeptisch.
Der Berliner CDU-Fraktionschef Kai Wegner unterstützte im Morgenmagazin von ARD und ZDF die Idee, Dashcams einzusetzen. Sie könnten helfen, Verbrechen aufzuklären und Straftäter zu fassen. Wegner sprach sich allerdings dagegen aus, das Böllern an Silvester komplett zu verbieten. Den Familien dürfe diese Tradition nicht genommen werden, weil einige Verbrecher Polizei und Feuerwehr angriffen, sagte Wegner.
AfD und FDP sehen beim Senat eine Mitverantwortung für die Angriffe. Der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus Björn Jotzo sagte bereits am Neujahrstag, der Senat habe es "versäumt, klarzustellen, dass das Gewaltmonopol beim Staat liegt". Solche Attacken gebe es inzwischen fast täglich, sagte die Landesvorsitzende Kristin Brinker am Sonntag. Sie wandte sich jedoch auch gegen ein allgemeines Feuerwerksverbot.
Innensenatorin Iris Spranger verurteilte die Angriffe, an zahlreichen Stellen sei "Aggressions- und Gewaltpotenzial ausgelebt" worden, teilte sie am Montag mit. Sie setze nun auf eine "erfolgreiche und konsequente Strafverfolgung und werde meinen Beitrag - auch über Innovationen wie zum Beispiel die Bodycam - dazu leisten", so Spranger. "Auch rechtliche Neuerungen sollten wir uns anschauen und diskutieren."
Spranger hält rund 4.000 zusätzliche Bodycams für die Einsatzkräfte für erforderlich. Die Körperkameras seien nötig, um eine "rechtssichere Strafverfolgung" zu gewährleisten und dienten der Abschreckung, sagte die SPD-Politikerin am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Ebenso geplant seien Gespräche dazu mit Polizeipräsidentin Barbara Slowik und Landesbranddirektor Karsten Homrighausen.
Aus Sprangers Sicht soll aber auch eine Ausweitung von sogenannten Böllerverbotszonen diskutiert werden. Gespräche dazu will Spranger auch mit ihren Länderkollegen im Rahmen der Innenministerkonferenz führen, deren Vorsitz sie mit dem Jahreswechsel übernommen hat.
Vor allem aber hält Spranger eine deutliche Beschränkung privater Feuerwerke für nötig und spricht sich für eine Anpassung des bundesweiten Sprengstoffgesetzes aus. "Ich appelliere an die Bundesländer, Initiativen aus Berlin im Bundesrat zu unterstützen, um das Sprengstoffgesetz dahingehend anzupassen, dass jedes Bundesland weitgehende Beschränkungsmöglichkeiten erhält bis hin zum Verbot des privaten Einsatzes von Pyrotechnik."
Zum Jahreswechsel habe es deutlich mehr Einsätze gegeben - sogar mehr als beim letzten Jahreswechsel vor der Pandemie (2019/2020), bilanzierte Spranger am Montag. Demnach zählte die Feuerwehr 1.717 Einsätze (2019/2020: 1.523), die Polizei Berlin 2.226 (2019/2020: 2.039). "Brennpunkte bildeten sich in Schöneberg, Kreuzberg, Mitte, Neukölln und Charlottenburg", so Spranger. "Wiederholt kam es zum Abbrennen von unzulässiger Pyrotechnik mit verheerender Wirkung. Der unsachgemäße Umgang mit Feuerwerk führte zu einer Vielzahl an Bränden."
Das rbb Fernsehen sendet am Montagabend, 2. Januar, um 20:15 Uhr ein 10-minütiges Spezial zu den Angriffen auf Einsatzkräfte in der Silvesternacht. Die nachfolgenden Sendungen verschieben sich um jeweils ca. zehn Minuten.
Sendung: rbb24 Inforadio, 02.01.2023, 9 Uhr
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