"Ich bin ein Berliner" - Als John F. Kennedy die Stadt in Ekstase versetzte

Sa 24.06.23 | 12:52 Uhr | Von Sebastian Hampf
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Archivbild: US-Präsident John F. Kennedy während seiner Rede vor dem Schöneberger Rathaus in Berlin am 26.6.1963. (Quelle: dpa/Heinz-Jürgen Göttert)
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Am 26. Juni 1963 wurde US-Präsident Kennedy von hunderttausenden Berlinern empfangen. Knapp acht Stunden dauerte sein Besuch. In Erinnerung blieb er dennoch mit einem kurzen Satz, der die Geschichte geprägt hat. Von Sebastian Hampf

Juni 1963. Knapp zwei Jahre nach dem Mauerbau besucht der US-amerikanische Präsident John F. Kennedy die Bundesrepublik Deutschland. Sein viertägiger Besuch führt ihn nach Köln, Bonn, Frankfurt, Wiesbaden, Hanau und abschließend auch nach West-Berlin.

Am 26. Juni um 9:45 Uhr erreicht der Präsident den Flughafen Tegel, der 1948 für die Durchführung der Luftbrücke gebaut worden war. Empfangen wird der damals erst 46-Jährige von Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU), Berlins Regierendem Bürgermeister Willy Brandt (SPD) sowie den französischen und britischen Kommandanten in Berlin.

Dann geht es im offenen Wagen zur Kongresshalle (heute "Haus der Kulturen der Welt"), vorbei an der Gedächtniskirche und Siegessäule. Dort hält der amerikanische Präsident eine erste Rede – drei werden es insgesamt.

Besuch wichtiger Orte

Es ist die Zeit des Kalten Krieges, und die Visite von Präsident Kennedy keinesfalls eine Vergnügungsreise. Als Oberbefehlshaber der US-Truppen besucht er seine Soldaten in der Frontstadt. Die Reise von John F. Kennedy soll aber auch ein Signal an die Sowjetunion im Vorfeld der anlaufenden Entspannungsbemühungen sein. Ein Zeichen, dass die USA auch nach der Teilung der Stadt an der Seite West-Berlins stehen und die Stadt niemals aufgeben.

Auf dem Weg durch die Stadt hält John F. Kennedy an einer Aussichtsplattform mit Blick auf das Brandenburger Tor in Richtung Ost-Berlin. Danach führt die Route zum "Checkpoint Charlie", einen der wichtigsten Grenzübergänge zur Zeit des Kalten Krieges.

In Lautschrift stehen die berühmten Worte "Ich bin ein Berliner" des früheren US-Präsidenten John F. Kennedy (1917-1963), welche er am 26.06.1963 vor dem Rathaus Schöneberg in Berlin gesprochen hat, auf der originalen Karteikarte. (Quelle: dpa/Peter Endig)

"Ish bin ein Bearleener"

Am Mittag erreicht der US-amerikanische Präsident das Rathaus Schöneberg. Bereits am frühen Morgen haben sich die Berlinerinnen und Berliner auf dem Rudolph-Wilde-Platz vor dem Rathaus versammelt. Sie stehen auf den Dächern und Balkonen, winken aus den Fenstern. Rund 400.000 Menschen empfangen Kennedy jubelnd – zweifelsohne der Höhepunkt seines Besuchs.

Knapp zehn Minuten dauert seine Rede nur, sie bleibt dennoch im kollektiven Gedächtnis, nicht zuletzt durch seine legendären Worte am Ende. "Alle freien Menschen, wo immer sie leben mögen, sind Bürger dieser Stadt West-Berlin. Deshalb bin ich als freier Mann stolz darauf, sagen zu können: Ich bin ein Berliner", ruft Kennedy seinen Zuhörern zu. Den letzten Satz spricht er auf Deutsch. Per Lautschrift hatte er ihn sich von seinem Dolmetscher auf einem Karteikärtchen notieren lassen ("Ish bin ein Bearleener").

Kleine Randnotiz: Für den Ton der Filmaufnahme am Rathaus Schöneberg war damals ein Tontechniker namens Peter Lustig verantwortlich. Peter Lustig arbeitete zu dieser Zeit beim Sender Freies Berlin (SFB), später wurde er vor allem als Moderator und Hauptfigur der Kinderserie "Löwenzahn" bekannt, die 25 Jahre lang im ZDF ausgestrahlt wurde.

Unter Applaus geht es nach der Rede weiter im straffen Zeitplan: ein Eintrag ins Goldene Buch der Stadt, kurze Gespräche mit Berliner Kabinettsmitgliedern und ein Besuch der Freien Universität Berlin in Dahlem, wo John F. Kennedy seine dritte und letzte Rede an diesem Tag halten wird. Sein Besuch endet im US-Hauptquartier, wo er eine Stunde mit Angehörigen der amerikanischen Streitkräfte verbringt.

Gegen 17:15 Uhr verlässt Kennedy Berlin wieder und reist von Tegel aus in Richtung Istanbul.

Fernsehvorbereitungen für den Besuch von John F. Kennedy in Berlin 1963 (Quelle: rbb)
rbb
4 min

Generalprobe für Kennedy-Besuch

Ich bin ein Berliner! Regie: SFB. Generalprobe für die Live-Übertragung vom Besuch des US-Präsidenten John F. Kennedy in Westberlin.

Mammutaufgabe Fernsehübertragung

Organisatorisch und auch technisch war der Besuch von John F. Kennedy eine herausfordernde Aufgabe. Mit 34 Kameras übertrug der SFB (Sender Freies Berlin) für ARD und ZDF die gesamte Fahrt durch die Stadt, sowie die berühmte Rede vor dem Schöneberger Rathaus. Minutiös sollte der Besuch von der Ankunft bis zum Abflug abgebildet werden. Da es so ein Fernsehaufgebot zuvor nicht gegeben hatte, wurde der gesamte Besuch auch vom Fernsehen in einer Generalprobe durchgespielt. Ein Mitarbeiter des SFB ist dafür als "Mr. President" für die Kameras Wegstrecken abgelaufen. Das Medieninteresse war nicht nur in Deutschland groß: Insgesamt waren 1.700 Journalisten von der internationalen Presse akkreditiert.

Archivbild: John F. Kennedy mit dem Regierenden Bürgermeister Willy Brandt (M) und Bundeskanzler Konrad Adenauer (r) während der Fahrt im offenen Wagen durch Berlin. (Quelle: dpa)

Der Besuch von John F. Kennedy blieb den Berlinerinnen und Berlinern stark im Gedächtnis und hatte eine hohe Symbolkraft: eine Solidaritätsbekundung an die West-Berliner, ein Zeichen gegen die Teilung Deutschlands und für den Wert der Freiheit.

Drei Tage nach der Ermordung John. F. Kennedys am 22. November 1963 wurde der Rudolph-Wilde-Platz vor dem Rathaus Schöneberg ihm zu Ehren umbenannt. Gedenktafeln vor dem Rathaus erinnern an John F. Kennedy.

Acht Stunden wie im Rausch

Sendung: rbb24 Abendschau, 26.06.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Sebastian Hampf

16 Kommentare

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  1. 16.

    Also dass die Stadt in Ekstase war, halte ich - auch als Zeitzeuge - für ein Gerücht. Ich hab damals an der Route Kennedys zum Rathaus gewohnt und war auch vor dem Rathaus bei seiner Rede.
    Sein Charisma fand ich beeindruckend, bis ich die Details und Hintergründe des Vietnamkrieges der USA wahrnahm. Da war es, wie bei den meisten meiner Generation vorbei mit dem Jubel für Kennedy oder andere US- Präsidenten.

  2. 15.

    In seiner Rede hat Kennedy meines Wissens nicht West-Berlin gesagt. „All free men, whereever they may live, are citizens of Berlin. Therefore I take pride in the words ‚Ich bin ein Berliner‘“.

  3. 14.

    Für mich noch heute ein unvergessenes Erlebnis.

  4. 13.

    Sehr gute Antwort, es ist immer wieder erschreckend wie manche Menschen aus DDR die Geschichte verdrehen. Ich sagte es schon mal:
    West Berlin war frei!
    Ost Berlin war unfrei!

  5. 12.

    Netter Kommentar Tim. Ich bin und bleibe Westberliner. Ach nee, muß ja richtig heißen Rucksackberliner selbst nach über 40 Jahren, da ja hier nicht geboren. Ihnen allen wünsche ich noch einen schönen Sonntagnachmittag.

  6. 11.

    „Lieber Sebastian Hampf! Ich bin und bleibe Ossi“

    Liebe Maren, keine Angst, das dürfen Sie auch bleiben!
    Ich kann verstehen, dass Sie aufgewühlt sind, bin mir aber beinahe hundertprozentig sicher, dass Ihnen das – zumal es Ihnen ja nun auch sooo viel zu bedeuten scheint – wirklich niemand nehmen möchte; auch nicht Herr Hampf! Sie brauchen sich also überhaupt keine Sorgen zu machen; es ist alles gut. Ich hoffe und wünsche Ihnen, dass Sie diese ganze Aufregung möglichst schnell hinter sich lassen können! Versuchen Sie doch mal, an etwas ganz besonders Schönes zu denken! Vielleicht an eins Ihrer persönlichen „Highlights“, die Sie erwähnt haben. Wie wär’s denn z.B. mit Ihrer Pionierzeit, oder Ihrer Jugendweihe? Oder, noch besser: Stimmen Sie ganz einfach die Nationalhymne der DDR an – das wird Ihre Laune doch sicherlich im Nu wieder heben!

  7. 10.

    West-Berlin, das Kennedy damals besucht hat und um das es, wie ja nun auch im Artikel erwähnt, in selbigem auch geht, soll Ihrer Meinung nach also keine Stadt gewesen sein, nein? Was denn dann bitte sonst? Und: Ist Ost-Berlin, dieser (ein wenig steilen) These folgend, dann etwa auch keine Stadt gewesen? „Hauptstadt der DDR“ und doch keine Stadt? Herrje, das ist aber auch alles verwirrend, bzw. verworren … nicht wahr?

  8. 9.

    Es war wohl nur die halbe Stadt.
    Oder waren im Osten auch alle so fasziniert? Kann mich nicht erinnern - war damals noch sehr klein.

  9. 8.

    Ich sah Kennedy und Willy Brandt als sie durch die Schloßstraße in Steglitz fuhren. Es war für mich sehr beeindruckend, obwohl ich erst zwölf Jahre alt war. Seit damals ärgert es mich aber immer wieder, dass sein "berühmter Satz" stets aus dem Kontext gerissen wird...

  10. 7.

    "[...] Solche Politiker mit Format und der Wille zum Frieden sind abhanden gekommen!"

    Das ist bestenfalls Ihre persönliche Wahrnehmung, die aber durch Schreien auch nicht richtiger wird...

  11. 6.

    Bin ja bei lieben Freunden Sie haben damals es im Radio verfolgt und Ihre Erinnerungen sind die letzte Schlacht bei Seelow 1945 im April besser das was Ihre Eltern beide verstorben davon erzählt haben.
    Ja es gibt viele Geschichten dazu.
    Deshalb Freiheit ist das höchste Gebot der Menschheit.
    Ich wünsche es allen Menschen egal wo auf der Welt und egal welcher geborenen Rasse denn wir sind alle aus Fleisch und Blut .
    Friede und Freiheit allen auf der Welt.

  12. 5.

    Damals ging es noch um geschickte Deeskalation, Verhinderung eines 3. Weltkriegs --insbesondere durch Kennedy und Brandt. Solche Politiker mit Format und der Wille zum Frieden sind abhanden gekommen!

  13. 4.

    Was wir bei diesem Besuch empfunden haben, ist einer jüngeren Generation nicht mehr vermittelbar. Für mich war es ein Stück Hoffnung auf Freiheit die ich nicht missen möchte.

  14. 3.

    einiges was nicht von Freiheit sprach.
    Nämlich angeblich konnte jeder ausreisen was für eine Lüge mein Opa aus Babelsberg durfte es nicht .
    Und Reisen außerhalb der Ostblockstaaten ja auch nicht.
    Also hier wie da viel Leid getrennte Familien und Tränen und dann die Einreise gegen Devisen ,was hat man nicht auf sich genommen um seine Verwandten in den Arm nehmen zu dürfen.
    Und heute vergessen einige wie gut es Ihnen geht.
    Ich lebe jetzt friedlich in Marzahn wo ich nie wieder weg möchte .

  15. 2.

    Ach naja werte Maren, sicher hatten wir im „Osten“ andere geschtliche Higlights, dennoch darf dieser Besuch John F. Kennedys 2 Jahre nach dem Mauerbau und anderen für Berlin bedeutenden „heißen Zeiten“ zu Anfang des kalten Krieges als bedeutsam für das heutige ganz Deutschland betrachtet werden.
    In der Bevölkerung des damaligen Westdeutschlands ging dieser Besuch übrigens fast bedeutungslos unter. Berlin war für die Wirtschaftswunderleute im Westen von ihrem Alltag weit weg. Böse Zeitgenossen behaupten sogar, in Süddeutschland dachten einige an Werbung für ein mit Marmelade gefülltes rundes Hefegebäck ;-)

  16. 1.

    Lieber Sebastian Hampf! Ich bin und bleibe Ossi - für andere war es aber bestimmt toll. Wir hatten auch unsere Höhepunkte- hinter der Mauer

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