Zustrom hält an - Berlin muss Massenunterkünfte für Geflüchtete ausbauen

Di 19.09.23 | 17:40 Uhr
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Archivbild: Menschen stehen im Berliner Ankunftszentrum für Flüchtlinge aus der Ukraine am ehemaligen Flughafen Tegel vor einem Zelt Schlange. (Quelle: dpa/C. Soeder)
Video: rbb24 Abendschau | 19.09.2023 | Tobias Schmutzler | Bild: dpa/C. Soeder

Die Unterkünfte für Geflüchtete in Berlin sind voll. Nun müssen die Kapazitäten erweitert werden - vor allem in den Massenunterkünften Tegel und Tempelhof. Dafür müssen auch Standards unterschritten werden. Von Sebastian Schöbel

  • Berlin muss bis Ende des Jahres rund 4.000 weitere Plätze schaffen
  • Großunterkünfte in Tegel und Tempelhof sollen aufgestockt werden
  • Hotels und Hostels werden angemietet
  • Unterbringungskapazitäten aktuell fast voll ausgeschöpft

Bei der Unterbringung von Geflüchteten schaltet Berlin nun offiziell in den Krisenmodus. Die Massenunterkünfte auf den beiden ehemaligen Flughäfen Tegel und Tempelhof sollen erweitert werden, zudem will der Senat Hotels und Hostels anmieten. Das gab Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) nach einem Treffen der Taskforce, die in Berlin Flüchtlingsunterkünfte schaffen soll, bekannt.

Laut Kiziltepe müsse Berlin bis Ende des Jahres noch 3.000 bis 4.000 Menschen unterbringen, allerdings sei unklar, wie viele es am Ende sein werden. Durch die in der Task Force besprochenen Maßnahmen soll dieser Bedarf gedeckt werden. Der Senat soll sie kommende Woche endgültig beschließen. Unklar ist jedoch, ob das reicht: Nach rbb-Informationen rechnen Insider bereits mit deutlich mehr als 4.000 Neuankömmlingen.

Tegel und Tempelhof werden ausgebaut

So sollen in Tegel zwei weitere Leichtbauhallen gebaut werden. Allein dadurch können laut Kiziltepe rund 800 weitere Schlafplätze entstehen. In Tempelhof werden der Hangar 4 und ein Parkplatz als Ausbaufläche geprüft. Weitere rund 1.500 Plätze sollen durch die Anmietung von Hotel- und Hostelzimmern geschaffen werden.

Das, so die Sozialverwaltung, sei sogar günstiger als die Massenunterkunft in Tegel. Zudem sollen in den bereits bestehenden Unterkünften die Bewohner:innen enger zusammenrücken, um mehr Platz zu schaffen. Dabei müssten Qualitätsstandards teilweise unterschritten werden, sagte Kiziltepe.

Genutzt werden sollen auch die "Sternhäuser" der Gesobau in Reinickendorf, wo 600 Plätze entstehen könnten, sowie das Gelände eines ehemaligen Baumarkts in Heinersdorf. Allerdings gibt es bei beiden Standorten noch Hürden: In den Sternhäusern auf dem Gelände der ehemaligen Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik sind wegen des schlechten Gebäudezustands nur Notübernachtungsplätze für wenige Tage möglich.

Zudem muss die Gesobau zustimmen: Die Gesellschaft wollte hier eigentlich 600 neue Wohnungen bauen. Und für den ehemaligen Baumarkt muss erst noch ein Mietvertrag ausgehandelt werden.

LAF: Das "Worst Case Scenario" ist eingetreten

Laut Prognosen des Landesamtes für Flüchtlinge (LAF), die dem rbb vorliegen, ist bei den Unterbringungskapazitäten genau das Szenario eingetreten, das man befürchtet hatte: Im besten Fall hätten die geschaffenen Plätze noch bis Dezember gereicht, im schlimmsten Fall wären sie bereits im September komplett belegt - Letzteres ist nun eingetreten.

"Die Kapazität in den Unterkünften liegt quasi bei Null", teilte LAF-Sprecher Sascha Langenbach der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage mit. "Es stehen noch 274 Plätze in Gemeinschaftsunterkünften zur Verfügung." Berlin hat seit Beginn des Krieges in der Ukraine bereits knapp 32.000 Menschen untergebracht.

Messe und ICC werden keine Unterkünfte

Entlastung könnten drei modulare Unterkünfte bringen, die Anfang 2024 in Betrieb gehen sollen. Zudem werden immer wieder auch kleinere Objekte für Geflüchtete hergerichtet. Bislang keine Option sieht die Sozialverwaltung in der Nutzung des stillgelegten ICC in Charlottenburg-Wilmersdorf. Das Gebäude sei als Unterkunft wegen maroder Technik und Schadstoffbelastung nicht geeignet, heißt es.

Auch die Anmietung einer Messehalle habe bislang keine Priorität, weil der Messebetrieb nicht gestört werden solle. Turnhallen mit Geflüchteten zu belegen, will der schwarz-rote Senat in jedem Fall vermeiden.

Die Zahl der Asylsuchenden in Berlin steigt, 2023 liegt man bei den Asylanträgen laut Sozialverwaltung bereits 40 Prozent über dem Vorjahresniveau. Allein in den beiden vergangenen Monaten Juli und August sind 1.506 beziehungsweise 1.869 Asylsuchende nach Berlin gekommen. Hauptherkunftsländer sind Syrien, die Türkei, Afghanistan, Georgien und Moldau. Auch aus der Ukraine kommen weiterhin rund 1.000 Geflüchtete pro Monat.

Die Kapazitäten bei der Registrierung sind längst ausgeschöpft, das System in Berlin kann derzeit pro Tag rund 120 Menschen bedienen. Es gibt einen Antragsstau mit Wartezeiten von bis zu zehn Tagen. Die Zeitverträge mit bereits eingestelltem Personal sollen nun verlängert werden - der Einsatz von Bundeswehrsoldaten ist bislang aber nicht geplant.

Differenzen über Massenunterkünfte

Bislang wurden in Berlin in diesem Jahr bereits weitere 6.000 Unterkunftsplätze geschaffen, zusätzlich zu den knapp 10.000 Plätzen, die unter der rot-grün-roten Vorgängerregierung eingerichtet wurden. Allerdings gibt es im schwarz-roten Senat Differenzen: Während die CDU vor allem Massenunterkünfte an bestimmten Standorten bevorzugt, will die SPD Geflüchtete und Asylsuchende auf möglichst kleine Unterkünfte in allen Bezirken verteilen.

Der Berliner CDU-Fraktionsvorsitzende Dirk Stettner forderte den Bund auf, die Zahl der ankommenden Menschen einzudämmen. "Das bedeutet, dass wir Abschiebungen noch konsequenter und wieder verstärkt Kontrollen an unseren Grenzen durchführen müssen", sagte Stettner der dpa. "Wer keine Bleibeperspektive hat, sollte möglichst gar nicht erst in Deutschland landen." Gleichzeitig forderte Stettner, Menschen mit realistischer Bleibeperspektive den Zugang zum Arbeitsmarkt zu öffnen.

Die Grünen übten derweil Kritik an der Taskforce des Senats. Die sei nur "Symbolpolitik", sagte der migrationspolitische Sprecher der Grünenfraktion, Jian Omar. "Im aktuellen Haushaltsentwurf sind kein Stellenaufwuchs oder vergleichbare Aufwendungen für das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten vorgesehen." Omar forderte, das LAF personell besser auszustatten und Leichtbauhallen auch auf anderen Flächen in der Stadt aufzubauen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 19.09.2023, 09:25

49 Kommentare

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  1. 49.

    ja stimmt insoweit, als die afd ganz schnell und schneller Deutschland ruinieren und in den Abgrund stürzen

  2. 48.

    Wir haben Tegel, Tempelhof, Gatow, congress zentrum, man hätte da alles lassen können, nee, da wird abgebaut aufgebaut, abgebaut was für ein unefffizienter Unsinn.

  3. 47.

    Und Sie entscheiden, was objektiv gesehen richtig wäre? Aus Ihrer subjektiven Sicht? Aha

  4. 46.

    Ich gönne es Ihnen. Sie werden da sicherlich Ihre Gründe haben, warum sie darauf angewiesen sind. Ich war ein halbes Jahrzehnt arbeitslos, konnte dadurch sparen lernen und später mit Job dadurch ordentlich Geld anhäufen oder direkt in digitale Assets investieren. Und wenn man mal meinen richtigen Bock auf Arbeit hat, kann man ja immernoch auf Teilzeit reduzieren. Die Zeit für Reisen ist sowieso besser geeignet. Dazu ist das nötige Kleingeld aus passivem Einkommen umso wichtiger.

  5. 44.

    Ich freue mich immer wieder , dass ich nichts habe, dass man mir nichts wegnehmen kann und von dem Geld, dass die anderen sauer verdienen, gut leben kann. Für Alkohol, Zigaretten und kleines Auto reicht die Stütze alle mal. Dank an die Politik !!

  6. 43.

    Gibt nunmal unterschiedliche politische Ansichten. Gut oder schlecht ist subjektiv.

  7. 42.

    Erdkunde, ich hoffe, Sie haben auch das Parteiprogramm der AfD gelesen. Ob Sie dann immer noch für gut plädieren würden?

  8. 41.

    "Die AFD wird auf Grund dessen leider auch immer stärker."

    Wieso "leider"? Das ist doch gut. Wenn immer wieder die gleichen Leute das Zepter in der Hand haben, wird sich nie was ändern.

  9. 40.

    Nein Sheela, es ist nicht mehr genug zum Teilen da. Der Staat ist überfordert und gibt viel mehr aus als er einnimmt. Und über das Privateigentum, das sich jemand erarbeitet hat, dürfen sie und auch der Staat nicht bestimmen. Das Boot ist voll. Der beste Satz, den ich heute hier gelesen habe "Deutschland muss lernen nein zu sagen" - trifft auf viele politische Belange zu.

  10. 39.

    Unsere Regierung könnte von den Sozialdemokraten in Dänemark lernen, wie man es richtig macht. Hierzulande gilt das aber als rechte Politik und AfD-nah. "Wir" Deutschen wissen es eben mal wieder besser, als alle anderen. Hauptsache, wir sind moralisch überlegen, was kümmert da, ob die normale Bevölkerung immer mehr verzweifelt, ob der eintretenden Folgen. Und dann wundert man sich über die stetig steigenden Werte der AfD.

  11. 38.

    Da muss wirklich endlich ein Ende her.
    Berlin ist mehr als überfullt.
    Und das gilt für alle und alles.
    Keine Unterkünfte, Schulplätze, Kitas, keine Termine bei Krankenhäusern Ärzten, die Öffentlichen sind überfüllt.
    Berlin verdreckt immer mehr.
    Die AFD wird auf Grund dessen leider auch immer stärker.
    Der Frust und der Zorn vieler Menschen wird immer größer.
    Das ist für alle fatal.
    Nicht nur für die Berliner sondern auch für die Menschen die hier herkommen.

  12. 37.

    Das einzige was hilft ist, diese Politiker per Wahlen aus ihren Ämtern zu werfen.

  13. 36.

    "Deutschland muss endlich mal lernen Nein zu sagen."
    Der Ball liegt im Feld der Regierung. Das wird aber mit SPD und Grünen nicht klappen, wobei, bei CDU und FDP wäre ich mir da auch nicht so sicher. Also wird alles so weiter gehen wie bisher, fragt sich nur wie lange noch!

  14. 35.

    Wenn die Kapazitäten nicht mehr da sind, ist eben Schluss. Standard zu senken ist ja wohl keine echte Alternative. Zumal die Infrastruktur ohnehin fehlt. Deutschland muss endlich mal lernen Nein zu sagen. Und vom anderen etwas zu verlangen geht ohnehin nicht.

  15. 34.

    "Wieso eigentlich MUSS? Vgl. Überschrift. Jetzt sind auch mal andere dran."
    Wen meinen sie denn?
    Frankreichs Innenminister hat gestern erklärt das sein Land keine Flüchtlinge aus Lampedusa aufnehmen wird.
    Und andere Länder der EU verweigern sich ebenfalls, und das nicht erst seit gestern.
    Auch in Deutschland werden die Probleme in Kommunen und Städten immer größer!

  16. 33.

    Wieso eigentlich MUSS? Vgl. Überschrift. Jetzt sind auch mal andere dran.

  17. 32.

    Da, gebe ich Ihnen Recht. Was zuviel ist ist zuviel.

  18. 31.

    Genau so ist es!

  19. 30.

    Ich denke, dass wir uns momentan um die Kriegsflüchtlinge aus der Nachbarschaft kümmern müssen und für alle anderen Fluchtrouten keine Kapazitäten mehr da sind. Voll ist voll.

    Ich denke, dass seitens der Regierung anerkannt werden muss, dass die Kapazitäten erschöpft sind. Ich gehöre dem rot-grünen Wählerlager an, aber ich finde, dass rot-grün hier gerade einen echt schlechten Job machen und die Zukunft des Landes aufs Spiel setzen. Ich finde den Gedanken der humanitären Hilfe und des Asyls für richtig, aber man muss als Land immer auch die eigenen Möglichkeiten im Blick haben und das ist nicht mehr gegeben. Halb Afghanistan, nämlich alle Frauen, hätten hier nach derzeitiger Rechtslage wahrscheinlich Anspruch auf Asyl. Aber defacto können wir hier niemals so viele Menschen aufnehmen und das macht auch für unsere eigenen Interessen als Land überhaupt keinen Sinn.

    Mir schwant, dass hier die open boarder Fraktion gerade ihr Ding durchzieht. Fatal für unser Land.

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