"Deutsche Wohnen & Co. enteignen" - Initiative und Regierender setzen auf zweiten Enteignungs-Volksentscheid
Die Initiative "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" will in Berlin einen zweiten Volksentscheid auf die Beine stellen. Warum das dauern wird - und sogar den Regierenden Bürgermeister von der CDU freut. Von T. Gabriel und F. Hoppen
Was tun gegen steigende Mieten und Verdrängung in Berlin? Die Initiative "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" präsentierte dafür 2021 ihre eigene Lösung: Die Bestände von Wohnungskonzernen mit mehr als 3.000 Wohnungen sollten vergesellschaftet werden.
Beim erfolgreichen Volksentscheid am 26. September 2021 sagten mehr als eine Million Berlinerinnen und Berliner "Ja" zu dieser Idee. Doch das geforderte Gesetz gibt es bislang nicht.
"Die Regierenden hier im Roten Rathaus haben versucht, unsere Entscheidung für die Vergesellschaftung zu ignorieren und zu verschleppen", sagt Veza Clute-Simon von der Initiative am zweiten Jahrestag in Berlin. Und meint damit sowohl die vorherige rot-grün-rote Regierung als auch den jetzigen schwarz-roten Senat.
Denn ein Gesetz, um die Bestände großer privater Wohnungskonzerne auf den Weg zu bringen, wie beim Volksentscheid gefordert, brachten beide nicht auf den Weg. Stattdessen wurde erst eine Expertenkommission berufen und nun soll ein sogenanntes "Rahmengesetz" erarbeitet werden – also ein Gesetz, das zunächst wesentliche Grundzüge regelt und erstmal vom Bundesverfassungsgericht geprüft werden soll. In rund einem Jahr will der Senat dieses Rahmengesetz vorlegen.
"Ein echtes Gesetz" erarbeiten
Weil die Initiative dem Senatsplan nicht über den Weg traut, will sie die Sache nun selbst in die Hand nehmen: "Die Initiative 'Deutsche Wohnen & Co. enteignen' wird parallel zum Verschleppungsgesetz des Senats ein echtes Vergesellschaftungsgesetz erarbeiten und dieses anschließend bei einem Gesetzes-Volksentscheid zu Abstimmung stellen", sagt Clute-Simon.
Denn der Volksentscheid vor zwei Jahren war letztlich nicht mehr als eine politische Forderung. Ein konkretes Gesetz hingegen, über das abgestimmt würde, träte bei Erfolg unmittelbar in Kraft.
Im Laufe eines Jahres will die Initiative nun einen solchen Gesetzentwurf formulieren – und stößt damit zumindest formal auf ein breites positives Echo. Der Berliner Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU), der inhaltlich von Vergesellschaftungen nichts hält, sagt, fast ein wenig überraschend: "Wenn die Initiative das jetzt vorbereitet, dann freu ich mich ja geradezu, weil ich mir ganz sicher bin, dass Gerichte dazu dann auch Stellung nehmen werden - und dann haben wir Klarheit in der Sache."
Langwierige Prüfung möglich
Denn noch bevor es in einer ersten Stufe zu einem Volksbegehren käme, könnte der Senat den Gesetzentwurf dem Landesverfassungsgericht zur Prüfung vorlegen. Und das könnte dauern. Das Volksbegehren "Berlin Autofrei" liegt seit Mai vergangenen Jahres bei Gericht.
Die CDU, das ist kein Geheimnis, ist gegen Vergesellschaftungen, ebenso Teile der SPD, insbesondere in der Regierung. Die Initiative aber zeigt sich sicher, dass sie einen wasserdichten Entwurf präsentieren wird.
Ihr Sprecher Achim Lindemann sagt: "Wir können auf ein breites Bündnis bauen und haben starke Partner:innen, mit denen zusammen wir jeden Stein dreimal umdrehen werden um ein 100 Prozent sicheres Vergesellschaftungsgesetz zu schreiben." Denkbar, dass dieses – bei Erfolg – dann erst von der nächsten Berliner Regierung umgesetzt würde.
"Verständlich"
Die Opposition im Berliner Abgeordnetenhaus kritisierte die Regierungskoalition derweil ebenfalls für Verschleppung des Wählerwillens. Verständlich, so die einhellige Meinung, dass die Aktivisten nun nachlegen würden.
Die AfD stellte jedoch klar, dass sie Vergesellschaftungen grundsätzlich ablehnen würde: "Es ist gut, dass die Initiative diesmal einen konkreten Gesetzentwurf zur Abstimmung stellen will. Das hätte sie bereits beim ersten Mal tun sollen, dann wäre das Gesetz längst beim Bundesverfassungsgericht gelandet und dort aller Wahrscheinlichkeit nach als verfassungswidrig verworfen worden", sagte der baupolitische Sprecher Harald Laatsch.
Philmon Ghirmai, Landesvorsitzender der Grünen, teilte hingegen mit, er freue sich auf die Debatte um ein konkretes Vergesellschaftungsgesetz. "Da sich viele renditenorientierte Wohnungsunternehmen weigern, ihrer sozialen Verantwortung nachzukommen, muss das Land Berlin die angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt durch alle Mittel entschärfen, die ihm politisch und rechtlich zur Verfügung stehen."
Die Linken hatten das Vorhaben, rund 240.000 Wohnungen in öffentliche Hand zu holen, von Anfang an unterstützt. Die SPD-Landesvorsitzende Franziska Giffey und den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner bezeichnete der Landesvorsitzende Maximilian Schirmer am Dienstag als "Verbündeten der Immobilienlobby".
Für die Aktivisten von "Deutsche Wohnen und Co. enteignen" heißt es nun erstmal Spenden sammeln: Mit einer Crowdfunding-Kampagne sollen fürs erste 100.000 Euro zusammenkommen, um Juristen und Wissenschaftler zu bezahlen, die den Gesetzestext ausformulieren sollen.
Sendung: rbb24 Inforadio, 26.09.2023, 17:00 Uhr