"Deutsche Wohnen & Co. enteignen" - Initiative und Regierender setzen auf zweiten Enteignungs-Volksentscheid

Di 26.09.23 | 20:05 Uhr | Von Thorsten Gabriel und Franziska Hoppen
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Bana Mahmood (l-r), Veza Clute-Simon und Achim Lindemann von der "Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen" äußern sich bei einer Pressekonferenz. (Quelle: dpa/Bernd von Jutrczenka)
Audio: rbb24 Inforadio | 26.09.2023 | Thorsten Gabriel | Bild: dpa/Bernd von Jutrczenka

Die Initiative "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" will in Berlin einen zweiten Volksentscheid auf die Beine stellen. Warum das dauern wird - und sogar den Regierenden Bürgermeister von der CDU freut. Von T. Gabriel und F. Hoppen

Was tun gegen steigende Mieten und Verdrängung in Berlin? Die Initiative "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" präsentierte dafür 2021 ihre eigene Lösung: Die Bestände von Wohnungskonzernen mit mehr als 3.000 Wohnungen sollten vergesellschaftet werden.

Beim erfolgreichen Volksentscheid am 26. September 2021 sagten mehr als eine Million Berlinerinnen und Berliner "Ja" zu dieser Idee. Doch das geforderte Gesetz gibt es bislang nicht.

"Die Regierenden hier im Roten Rathaus haben versucht, unsere Entscheidung für die Vergesellschaftung zu ignorieren und zu verschleppen", sagt Veza Clute-Simon von der Initiative am zweiten Jahrestag in Berlin. Und meint damit sowohl die vorherige rot-grün-rote Regierung als auch den jetzigen schwarz-roten Senat.

Denn ein Gesetz, um die Bestände großer privater Wohnungskonzerne auf den Weg zu bringen, wie beim Volksentscheid gefordert, brachten beide nicht auf den Weg. Stattdessen wurde erst eine Expertenkommission berufen und nun soll ein sogenanntes "Rahmengesetz" erarbeitet werden – also ein Gesetz, das zunächst wesentliche Grundzüge regelt und erstmal vom Bundesverfassungsgericht geprüft werden soll. In rund einem Jahr will der Senat dieses Rahmengesetz vorlegen.

"Ein echtes Gesetz" erarbeiten

Weil die Initiative dem Senatsplan nicht über den Weg traut, will sie die Sache nun selbst in die Hand nehmen: "Die Initiative 'Deutsche Wohnen & Co. enteignen' wird parallel zum Verschleppungsgesetz des Senats ein echtes Vergesellschaftungsgesetz erarbeiten und dieses anschließend bei einem Gesetzes-Volksentscheid zu Abstimmung stellen", sagt Clute-Simon.

Denn der Volksentscheid vor zwei Jahren war letztlich nicht mehr als eine politische Forderung. Ein konkretes Gesetz hingegen, über das abgestimmt würde, träte bei Erfolg unmittelbar in Kraft.

Im Laufe eines Jahres will die Initiative nun einen solchen Gesetzentwurf formulieren – und stößt damit zumindest formal auf ein breites positives Echo. Der Berliner Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU), der inhaltlich von Vergesellschaftungen nichts hält, sagt, fast ein wenig überraschend: "Wenn die Initiative das jetzt vorbereitet, dann freu ich mich ja geradezu, weil ich mir ganz sicher bin, dass Gerichte dazu dann auch Stellung nehmen werden - und dann haben wir Klarheit in der Sache."

Langwierige Prüfung möglich

Denn noch bevor es in einer ersten Stufe zu einem Volksbegehren käme, könnte der Senat den Gesetzentwurf dem Landesverfassungsgericht zur Prüfung vorlegen. Und das könnte dauern. Das Volksbegehren "Berlin Autofrei" liegt seit Mai vergangenen Jahres bei Gericht.

Die CDU, das ist kein Geheimnis, ist gegen Vergesellschaftungen, ebenso Teile der SPD, insbesondere in der Regierung. Die Initiative aber zeigt sich sicher, dass sie einen wasserdichten Entwurf präsentieren wird.

Ihr Sprecher Achim Lindemann sagt: "Wir können auf ein breites Bündnis bauen und haben starke Partner:innen, mit denen zusammen wir jeden Stein dreimal umdrehen werden um ein 100 Prozent sicheres Vergesellschaftungsgesetz zu schreiben." Denkbar, dass dieses – bei Erfolg – dann erst von der nächsten Berliner Regierung umgesetzt würde.

"Verständlich"

Die Opposition im Berliner Abgeordnetenhaus kritisierte die Regierungskoalition derweil ebenfalls für Verschleppung des Wählerwillens. Verständlich, so die einhellige Meinung, dass die Aktivisten nun nachlegen würden.

Die AfD stellte jedoch klar, dass sie Vergesellschaftungen grundsätzlich ablehnen würde: "Es ist gut, dass die Initiative diesmal einen konkreten Gesetzentwurf zur Abstimmung stellen will. Das hätte sie bereits beim ersten Mal tun sollen, dann wäre das Gesetz längst beim Bundesverfassungsgericht gelandet und dort aller Wahrscheinlichkeit nach als verfassungswidrig verworfen worden", sagte der baupolitische Sprecher Harald Laatsch.

Philmon Ghirmai, Landesvorsitzender der Grünen, teilte hingegen mit, er freue sich auf die Debatte um ein konkretes Vergesellschaftungsgesetz. "Da sich viele renditenorientierte Wohnungsunternehmen weigern, ihrer sozialen Verantwortung nachzukommen, muss das Land Berlin die angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt durch alle Mittel entschärfen, die ihm politisch und rechtlich zur Verfügung stehen."

Die Linken hatten das Vorhaben, rund 240.000 Wohnungen in öffentliche Hand zu holen, von Anfang an unterstützt. Die SPD-Landesvorsitzende Franziska Giffey und den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner bezeichnete der Landesvorsitzende Maximilian Schirmer am Dienstag als "Verbündeten der Immobilienlobby".

Für die Aktivisten von "Deutsche Wohnen und Co. enteignen" heißt es nun erstmal Spenden sammeln: Mit einer Crowdfunding-Kampagne sollen fürs erste 100.000 Euro zusammenkommen, um Juristen und Wissenschaftler zu bezahlen, die den Gesetzestext ausformulieren sollen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 26.09.2023, 17:00 Uhr

Beitrag von Thorsten Gabriel und Franziska Hoppen

119 Kommentare

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  1. 119.

    Sorry, das sollte an alle geschrieben werde und nicht nur an Alfred Neumann, tut mir leid, mein Fehler.

  2. 117.

    Was ist hier heute los? Bevor wir uns jetzt weiter gegenseitig an die "Gurgel" gehen können wir vielleicht erstmal abwarten, was in der nächsten Zeit durch die Presse veröffentlicht wird und wie die es dann interpretieren? Was Fachleute dazu sagen? Wir fangen an, uns hier gegenseitig Vorwürfe zu machen u.U. wegen nichts und wieder nichts! Also tief durchatmen und mal schauen, wie es wirklich zu sehen ist. Danke

  3. 115.

    "Die anderen Initiatoren" - also gehen Sie davon aus, beim Urheber des zitierten befremdlichen Leserkommentars handelt es sich um einen "Initiator" des Volksentscheids? Wenn ja, wie kommen Sie bitteschön darauf bzw. was verstehen Sie unter "Initiator"?

    Das Interview in der taz ist etwas völlig anderes, dabei handelt es sich um einen Sprecher der Initiative. Die Option, statt der quantitativen Grenze die Eigenschaft "Kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaft" gemäß § 264d Handelsgesetzbuch als Kriterium anzulegen, wurde von der Expertenkommission selbst aufgezeigt und wird im Kommissionsbericht ab S. 88 erläutert. Im taz-Interview hat der DWE-Sprecher auch ganz klar gesagt, dass es eine Idee der Kommission ist.

    Das ganze Bohei darum (das hoffentlich nur hier in der Kommentarspalte stattfindet) ist also völlig grundlos.

    Zur Erinnerung, hier nochmal der Link zu den Materialien der Kommission: https://www.berlin.de/kommission-vergesellschaftung/downloads/

  4. 114.

    Und weiter wird von den Gegner der Iniative gelogen dass sich die Balken biegen. Seit wann ist ein kleiner privater Vermieter ein "kapitalmarktorientiertes Unternehmen "?

  5. 113.

    "Ujak Pekolj" Da das ein reicher Phantasiename ist kann das jeder geschrieben haben, das passiert hier häufiger.

    Ich traue ihnen zu den Kommentar geschrieben zu haben.

  6. 112.

    Und wieder wird von den Gegner der Iniative gelogen dass sich die Balken biegen. Seit wann ist ein kleiner privater Vermieter ein "kapitalmarktorientiertes Unternehmen "?

  7. 111.

    "Sie interpretieren natürlich erhaben und unfehlbar. "

    Noch so ein sachlicher Zeitgenosse.

  8. 110.

    Mut? Neeeeee, Das ist sowas von dämlich von dem Typen ! Super ärgerlich. Eat the rich

  9. 109.

    „Blödsinn“

    Wenn die Argumente ausgehen…perfekter Offenbarungseid.

  10. 108.

    Hallo Tom,
    eine Frage…

    War das Interview Ihres Erachtens der Sache dienlich?

    Anscheinend ärgern Sie sich über die Aussage des Pressesprechers von Deutsche Wohnen und Co. enteignen sehr.

    Ich finde, das Interview ist zumindest sehr suboptimal verlaufen und in der Formulierung kontraproduktiv.

  11. 107.

    Respekt vor der Ehrlichkeit und dem Mut, das so zu veröffentlichen. Das lässt wirklich tief in die Abgründe blicken, auch wenn es nur ein bedauerlicher Einzelfall ist und natürlich die anderen Initiatoren davon Abstand nehmen. Es bleibt aber haften, auch das Interview in der TAZ geht leider in diese Richtung. So wird das nichts.

  12. 105.

    1Hmmm.... und die Sache mit dem "Sachlichkeitsapostel" soll ich das jetzt als Kompliment nehmen oder nicht? Ich hab mich entschieden, ich nehme es als Kompliment, danke schön ;) „

    Nehmen Sie es bitte freundlicherweise als Kompliment an. :-)

    Ich empfinde Sie als sympathisch.

    Schönen Abend.

  13. 103.

    Komisch, ich persönlich lese die Äußerungen von DW wie die anderen. Anscheinend ist wirkliches Ziel die Enteignungsmöglichkeit ab einer einzelnen Wohnung. Daran gibt es im Interview eigentlich auch nichts falsch zu zum verstehen. Es wurde gesagt ohne Untergrenze enteignen zu wollen. Ich finde das beängstigend.

  14. 102.

    „Blödsinn“

    Wenn die Argumente ausgehen…perfekter Offenbarungseid.

  15. 101.

    Sie wiederholen immer nur Ihre subjektive Interpretation.

  16. 100.

    Doch, genau das hat der Sprecher der Enteignungsinitiative vom Stapel gelassen.

    Enteignung ohne Untergrenze möglich und gewollt.

    Was ein PR-Desaster!

    Wie konnte das in einem Interview so kommuniziert und freigegeben werden?

    Ich verstehe den Verdruss von Ihnen sicherlich, aber das müssen sie mit den Enteignern ausmachen.

    Von diesen teilweise Dilettanten sollen wir uns in Mieterbeiräten in einer Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR) vertreten lassen?

    Nein danke, lasst mal stecken.

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