Neuköllner Anschlagsserie - U-Ausschuss will Einsicht in Gerichtsakten einklagen

Fr 31.05.24 | 17:56 Uhr | Von Christoph Reinhardt
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Archivbild - 29.09.2023, Berlin: Die Vertreter der Parteien befassen sich im Untersuchungsausschuss zum "Neukölln-Komplex". (Quelle: dpa/Paul Zinken)
Audio: rbb24 Inforadio | 31.05.2024 | Christoph Reinhardt | Bild: dpa/Paul Zinken
  • Untersuchungsausschuss will Landgericht durch eine Klage zur Aktenherausgabe zwingen
  • dabei geht es um rechtsextremistische Brandanschläge und Bedrohungen in Neukölln
  • Problem: gegen Verdächtige laufen noch Strafverfahren
  • U-Ausschuss bereits seit zwei Jahren tätig, an Legislaturperiode geknüpft

Der Untersuchungsausausschuss zur Aufklärung der rechtsextremen Anschlagserie in Berlin-Neukölln will Ermittlungsakten des Landgerichts einsehen. Nachdem das Berliner Landgericht eine entsprechende Freigabe abgelehnt hat, will der Untersuchungsausschuss jetzt Rechtsmittel einlegen, wie er am Freitag mitteilte.

Das Landgericht will voraussichtlich Mitte September mit der Hauptverhandlung des Berufungsverfahrens gegen die beiden Hauptverdächtigen beginnen. Das Amtsgericht hatte die beiden bei den wesentlichen Vorwürfen freigesprochen, die Generalstaatsanwaltschaft legte Berufung ein. Bis zum Abschluss der Hauptverhandlung, das frühestens Ende des Jahres erwartet wird, will das Gericht die Akten nicht an den Untersuchungsausschuss herausgeben - um das Verfahren nicht zu gefährden.

"Keine wirkliche Gesprächsbereitschaft"

Aber auch für den Untersuchungsausschuss seien die Akten wesentlich, sagte der Vorsitzende Vasili Franco (Grüne) am Freitag. Man habe das Gericht gebeten, spätestens im Dezember 2024 die Akten freizugeben, damit die Ausschuss sie noch angemessen auswerten könne. Franco zufolge gehe es um Akten von Polizei, Staatsanwaltschaft und Generalstaatsanwaltschaft, über deren Freigabe das Landgericht entscheiden müsse.

Bedauerlicherweise hätten Gesprächsversuche mit dem Landgericht keinen Erfolg gehabt, so Franco. "Es gab leider auch keine wirkliche Gesprächsbereitschaft, sodass uns das Landgericht mit Beschluss vom 20. März 2024 eine Freigabe der Akten vollständig verwehrt hat."

So habe man angeboten, dass die Akten nur unter strikten Geheimschutzbedingungen genutzt werden können. Damit der Ausschuss seinen gesetzlichen Auftrag erfüllen könne, gebe es keinen anderen Weg, als Rechtsmittel einzulegen, sagte Franco. Der entsprechende Beschluss sei einstimmig erfolgt.

Interesse an grundsätzlicher Klärung

Ob das Abgeordnetenhaus das Kammergericht oder den Landesverfassungsgerichtshof einschaltet, werde noch geprüft. Die Rechte des Parlaments seien gleichrangig zu denen von Gerichten, argumentiert der Ausschuss. Weil die Untersuchung an die Dauer der Legislatur gebunden ist, muss der Ausschuss seinen Abschlussbericht bis zum Sommer 2026 vorlegen, eine Akteneinsicht erst 2025 sei zu spät, um deren Inhalte noch sinnvoll in Zeugenbefragungen einfließen zu lassen.

Ob der neue Gerichtsstreit die Abgabe der Akten tatsächlich beschleunigt, sei zu hoffen, aber nicht sicher, räumten die Abgeordneten ein. Es gebe aber auch ein Interesse an einer grundsätzlichen Klärung. Mögliche negative Auswirkungen des Verfahrens auf den Strafprozess gebe es keine, sagt der Vorsitzende Franco. Die Darstellung der Verteidigung der beiden Angeklagten, der Prozess werde wegen des Vorgehens des Untersuchungsausschusses platzen, seien abwegig.

Sendung: rbb24 Inforadio, 31.05.2024, 17:30 Uhr

9 Kommentare

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  1. 9.

    Es gab hier Kungeleien, um es mal sehr höflich auszudrücken, zwischen Angeklagten, Polizei und Justiz.

    Da war nichts unabhängig. Der ganze Fall muß neu aufgerollt werfen.

  2. 8.

    Unglaublich ist hier eine mögliche Verstrickung von Polizei, VS und Neonazis (schon wieder). Aber wenn man beide Augen (nicht nur das rechte) feste zudrückt, sieht man sowas natürlich nicht...

  3. 7.

    Gewaltenteilung, schonmal gehört? Unglaublich... Das Parlament hat ein Anrecht auf Akteneinsicht und kontrolliert so die Rechtsabläufe. Einen Einfluss auf das Verfahren selbst kann es gar nicht nehmen. Aber Hauptsache, Falschbehauptungen verbreiten.

    Die Tatsache, dass sich Justizbehörden dem Anliegen verweigern, wirft einen sehr dunkeln, um nicht zu sagen braunen, Schatten auf ihre Arbeit sowie Zusammensetzung. Personelle Verbindungen der Polizei mit Täter*innenkreisen, Polizeibeamt*innen, die Volksverhetzung begehen, Ermittlungsakten, die gar nicht von Polizei angefasst wurden, ergo Strafvereitelung im Amt, Staatsanwaltschaft, die Polizeiarbeit nicht überprüft, direkte Anschlagsbetroffene, die von der Nebenklage zunächst ausgeschlossen werden, Aufsplitterung des Prozesses in kleinere, für die Angeklagten harmlosere Verfahren - einzig der Schutz Rechtsextremer sowie deren Straflosigkeit im Zshg. mit der Anschlagsserie Neukölln scheinen ernste Anliegen zu sein.

  4. 6.

    Die Ermittlungen macht nicht das Gericht. Was soll also Ihr Kommentar? Das Gericht ist unabhängig.

  5. 5.

    Nein. Unabhängigkeit der Rechtsprechung ist elementar. Was Sie wollen ist ein Eingriff in die Rechtsprechung durch das Parlament.

  6. 4.

    Das Parlament möchte im laufenden Verfahren in die Judikative eingreifen… Unglaublich.

  7. 3.

    Aber wenn es einfach zu viele Ungereimtheiten gibt (wie in diesem Fall) muss die Gesellschaft doch die Möglichkeit haben, dem Gericht in die Karten zu gucken, oder?

  8. 2.

    Ich dachte immer Politik und Gerichte sind getrennt. Von meinem Verständnis her, haben die Akten bei den Gerichten zu bleiben. Untersuchungsausschussbeteiligte scheiden irgendwann aus. Und wer gibt den wem die Sicherheit, das die gewonnen Erkenntnisse nicht doch irgendwem anderen weitergegeben werden. Mit freundlichen Gruß, Lange Dennis

  9. 1.

    Na also, das wird aber Zeit. War damals schon klar, daß mit den ,,Ermittlungen“ was nicht stimmt!

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