Neuköllner Anschlagsserie - Berliner Staatsschutz-Chef räumt eigene Fehler ein und verteidigt Ermittlungen

Fr 02.02.24 | 20:12 Uhr | Von Christoph Reinhardt
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Ein brennendes Fahrzeug steht am 01.02.2018 in Berlin-Neukölln in der Garage von Linken-Politiker Ferat Koçak. (Quelle: dpa/Die Linke Berlin/Ferat Koçak)
Bild: dpa/Die Linke Berlin/Ferat Koçak

Die Ermittlungen zu einer rechtsextremistischen Anschlagsserie in Neukölln beschäftigen weiterhin einen Untersuchungsausschuss. Am Freitag äußerte sich der Chef des Berliner Staatsschutzes in der Sache - und räumte eigene Versäumnisse ein. Von Christoph Reinhardt

Der Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der rechtsextremistischen Straftatenserie in Neukölln hat weitere leitende Ermittler aus dem polizeilichen Staatsschutz vernommen. Ein seit 2019 verantwortlicher Abteilungsleiter räumte dabei eigene Fehler ein. Dass Ermittlungserfolge ausgeblieben waren, sei aber weder auf Schlamperei noch rechte Gesinnung von Polizeibeamten zurückzuführen, sagte er.

André Rauhut hatte 2019 die Leitung des polizeilichen Staatsschutzes übernommen. Zu diesem Zeitpunkt lag die letzte Brandstiftung der Serie bereits ein Jahr zurück. An der Entscheidung, die schleppenden Ermittlungen mit einer besonderen Aufbauorganisation ("BAO Fokus") zu überprüfen, habe er beratend mitgewirkt und den Leiter der BAO selbst vorgeschlagen.

Die Überprüfung habe mehrere Schwachpunkte in der Ermittlung aufgedeckt. Insbesondere was den Umgang der Polizei mit den Opfern der Anschlagserie angeht sowie die Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz oder mit der örtlichen Schutzpolizei. Der Verdacht, Polizeibeamte mit rechter Gesinnung hätten die Ermittlungen sabotiert, habe sich hingegen nicht bewahrheitet.

"Fehler passieren. Sie werden nicht absichtlich gemacht"

Dass die Ermittlungen jahrelang erfolglos geblieben waren, habe vor allem an der Art und Weise der Anschläge und den fehlenden Beweismitteln gelegen. "Straftaten, bei denen man Grillanzünder in der Nacht auf einen Reifen legt oder Sachbeschädigungen an einem Auto, sind von Hause aus schwer aufzuklären", sagte Rauhut. Dass Polizisten etwa einen Stein nicht sofort untersucht hatten, mit dem eine Scheibe eingeworfen wurde, sei "extrem schade" gewesen - vielleicht hätten sich verwertbare DNA-Spuren finden lassen. "Fehler passieren. Sie werden nicht absichtlich gemacht."

Über sich selbst ärgere er sich bis heute, weil er nicht richtig geschaltet habe, als ihm der BAO-Leiter in einem Gespräch über einen Verdacht gegen einen angeblichen AfD-nahen Oberstaatsanwalt berichtete. Bei einer Telefonüberwachung hatte ein Verdächtiger gesagt, dass man von dem Staatsanwalt nichts zu befürchten habe, weil er auf ihrer Seite stehe.

Er hätte sich den Fall selbst vorlegen lassen und die Staatsanwaltschaft mit ins Boot holen müssen, räumte Rauhut vor den Abgeordneten ein. Stattdessen geriet der Vorwurf in Vergessenheit und wurde erst viel später durch die Akteneinsicht einer Opferanwältin bekannt. Generalstaatsanwältin Margarete Koppers habe ihm deswegen "ein paar hinter die Ohren gegeben", sagte Rauhut, und den Fall an sich gezogen. Danach habe sich die Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft "um hundert Prozent verbessert".

Bessere Zusammenarbeit nach Wechsel der Abteilungsleiter

Schwer sei ein Versäumnis gewesen, das dazu führte, dass der heutige Abgeordnete Ferat Kocak (Die Linke) vor einem bevorstehenden Brandanschlag nicht gewarnt wurde. Der Berliner Verfassungsschutz wusste zwar, dass Kocak von den Tatverdächtigen systematisch beobachtet wurde, hatte diese Erkenntnisse aber erst spät an die Polizei übermittelt und die weitere Nutzung nicht zugelassen. Die Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz "war nicht so, wie sie hätte sein müssen", sagte Rauhut. Seit dem Wechsel des Abteilungsleiters habe sich das sehr verbessert, Informationsübergaben mit solchen Beschränkungen gebe es heute nicht mehr.

Dass viele Opfer Vertrauen in die Polizei verloren hätten, sei verständlich und nur schwer wieder gutzumachen. Zwar habe es viele Kontakte zu den Opfern gegeben, aber nicht mit festen Ansprechpartnern. Aus Sicht der Opfer seien die Zuständigkeiten unklar gewesen. "Die Struktur war nicht günstig gewählt." Dies sei umso ärgerlicher, als die seit 2014 nach dem NSU-Skandal eingeführte Gesamtstrategie gegen Rechtsextremismus die Perspektive der Opfer viel stärker berücksichtigen sollte. Er habe erst im Nachhinein festgestellt, wie lückenhaft der Kontakt der aktiven Ermittler zu den Opfern war, obwohl dies ständig gewährleistet sein müsste.

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Beitrag von Christoph Reinhardt

13 Kommentare

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  1. 13.

    "Was hat das jetzt mit dem Senat zu tun?"

    Erst Geisel, jetzt Spranger sorgen zusammen mit Slowik dafür die Vorfälle zu vertuschen, insbesondere dass die Rechtsterroristen bis hiein in Ermittelerkreisen bestens vernetzt sind.

    Bis heute fand keine Aufklärung statt wieweit StA und Ermittler an den Taten, bzw. deren Nichtverfolgung, beteiligt waren.

    Wie konnte z.B. der Brandanschlag quasi unter den Augen der observierenden Beamten stattfinden ohne das Opfer zu warnen? Wie konnte sich ein ermittelnder Beamter mit einem der Tatverdächtigen in einer Szenekneipe rechtsextremer Kreise treffen? Wie konnte ein weiterer ermittelnder Beamter, der selbst tief in der rechtsextremen Szene in Neukölln und Treptow vernetzt war weiter ermitteln?

    Warum ist Rauhut überhaupt noch im Amt?

  2. 12.

    Was hat denn jetzt der Senat damit zu tun? Vor allem der regierende???

  3. 11.

    Sagen Sie das mal den Opfern. Ich wette, die teilen nicht Ihre Meinung.

  4. 9.

    Ich finde es lobenswert, dass Fehler zugegeben werden. Nur so kommt man weiter. Und lernt dabei.

  5. 8.

    Als Opfer wird man nicht nur durch den Anschlag traumatisiert sondern auch wiederholt durch die mangelhafte Betreuung der zuständigen Stellen nach dem traumatischen Ereignis. Man ist sich selbst überlassen mit all dem fertig zu werden.

  6. 7.

    "Dass Ermittlungserfolge ausgeblieben waren, sei aber weder auf Schlamperei noch rechte Gesinnung von Polizeibeamten zurückzuführen"

    Dem kann man zunächst folgen. Beschreibt aber weder das Problem, noch erzählt es vom Begriff des Problems.

    Das Problem liegt in einer (traditionellen) grundverfestigten Struktur die bis heute ungebrochen ist: Als "Linke" markierte sind immer Staatsfeinde. Feinde der bürgerlichen Ordnung. Also auch Feinde der Polizei. Deshalb immer auch schon der von der Polizei, Justiz (strukturell) persönlich genommene Feind. Zudem immer Teil eines als kollektiv, als Quasi-Organisation wahrgenommenen Feindes.

    Rechte sind bloss Einzeltäter. Die im Zweifelsfall "mal über die Stränge" schlagen. "Gefallene Mitglieder der Familie"

  7. 6.

    Man kann diese Aussagen glauben, muss es aber nicht. Vertrauen in Behörden ist immer zeitlich begrenzt. Bis zum nächsten 'Skandal". Der Mensch vergisst, das Netz aber nicht.

  8. 5.

    Der Senat ist und bleibt peinlich !

  9. 4.

    Wie schlau im Nachhinein doch alle immer sind. So viel, wie hier schiefgelaufen ist, den Angaben des Staatsschutzoberen zufolge, fällt es schwer, das als reinweg bedauerlich aufzufassen. Denn vergleicht man dies mit dem kompromisslosen Vorgehen gegen die Letzte Generation (die ich damit nicht in Schutz nehmen möchte), fragt sich, warum bei so vielen fehlerbehafteten "Einzelfällen", die sich zu diesem Gesamtversagen summieren konnten, der Gedanke einer Absicht nicht mal probeweise gedacht wird.

  10. 3.

    Wie bitte? Ein Verdächtiger sagt, man habe vom Staatsanwalt nichts zu befürchten, weil er auf ihrer Seite stehe? Ist dieser Staatsanwalt noch im Dienst? Ein Stein wurde nicht sofort auf DNA-Spuren untersucht? Kocak wurde nicht gewarnt, obwohl der VS wusste, dass er systematisch beobachtet wurde? Wird das jetzt wieder so ne' "tausend Zufälle"-Nummer? Wer's glaubt...

  11. 2.

    Danke
    Muss ja mal gesagt werden
    Kein Fussbreit dem Faschismus

  12. 1.

    "Fehler passieren"
    So lachs daher gesagt, wer glaubt das noch.
    Diese Fehler dürfen nicht passieren.
    Eher denke ich, er wollte Feierabend machen und ging seinem Job nicht richtig nach.
    Gut, das Personal ausgewechselt wurde.

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