Tierschutz - Projekt zur Kontrolle der Berliner Waschbären steht vor dem Aus

Do 11.07.24 | 07:31 Uhr | Von Sebastian Schöbel
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Archivbild: Waschbär (Procyon lotor) auf einem Hausdach in Berlin-Lichterfelde. (Quelle: dpa/Tödt)
Audio: rbb24 Inforadio | 11.07.2024 | Dörthe Nath und Sebastian Schöbel | Bild: dpa/Tödt

Waschbären sind niedlich - und eine Plage: Die invasive Art ist eine Bedrohung für die heimische Tierwelt - und menschliche Besitztümer. Ein Berliner Pilotprojekt sollte die Population eindämmen. Doch die Behörden haben Zweifel. Von Sebastian Schöbel

  • Umweltverwaltung verweist auf fehlende Genehmigung
  • Lainingers Team hatte 2023 rund 180 Waschbären tierärztlich versorgt
  • Experten halten massenhaftes Töten für untauglich
  • Senat verweist auf geplantes Wildtierkompetenznetzwerk

Ein geplantes Pilotprojekt zur Kontrolle der Berliner Waschbärenpopulation wird nun doch nicht umgesetzt. Wie die zuständige Senatsverwaltung für Umwelt auf rbb-Nachfrage bestätigte, wurde der Antrag der Steglitzer Tierärztin Mathilde Laininger abgelehnt.

Laininger, die seit mehreren Jahren mit einem eigenen Verein eine Auffang- und Pflegestation für Waschbären betreibt, hatte vorgeschlagen, die Tiere im Stadtgebiet mit speziellen Fallen lebend zu fangen, in ihrer Station aufzunehmen und zu kastrieren oder zu sterilisieren. Das sei "ethisch vertretbar, ökologisch und nachhaltig", weil verhindert wird, dass die Tiere massenhaft getötet werden müssen. Für ihre Arbeit wurde Laininger 2023 bereits mit dem Berliner Tierschutzpreis ausgezeichnet.

Verwaltung verweist auf fehlende Genehmigung

Die Umweltverwaltung aber meldete nach fast zweijähriger Prüfung der Unterlagen nun Bedenken an. So fehle beim Projekt unter anderem die Begleitung durch eine wissenschaftlich anerkannte Forschungseinrichtung. Was die Tiermedizinierin zurückweist: Sie habe mehrere Jahre Erfahrung mit den Tieren und bereits in einem Forschungsinstitut zu Waschbären gearbeitet, zudem sollte das Projekt durchaus wissenschaftlich unterstützt werden. "Es ist nirgends festgelegt, dass ein wissenschaftliches Institut für die Korrektheit und den Erfolg einer wissenschaftlichen Arbeit unabdingbar oder notwendig wäre", so die Medizinerin. Doch die Umweltverwaltung traut Laininger ein so großes Vorhaben offenbar trotzdem nicht zu. "So steht für die Betreuung der 50 Fallen auf größeren und räumlich getrennten Untersuchungsgebieten für eine Dauer von fünf Jahren, mit denen 400 Waschbären mehrfach gefangen werden sollen, nur eine Person zur Verfügung", teilt die Umweltverwaltung dem rbb mit. Experten schätzen, dass rund 1.000 Tiere in der Metropole zu Hause sind.

Vor allem aber könne Laininger nicht die notwendigen Genehmigungen vorweisen. Das betrifft besonders die Erlaubnis zur Waschbärenhaltung durch den Bezirk Steglitz-Zehlendorf, wo Laininger ihre tierärztliche Praxis betreibt. Aktuell habe die Tierärztin nur eine Genehmigung für die Haltung von fünf Waschbären. Ein Antrag, weitere Tiere zu halten, sei kürzlich versagt worden, "da Waschbären gemäß der Unionsliste als invasive, gebietsfremde Art gelten und nach einer EU-Verordnung in Verbindung mit dem Bundesnaturschutzgesetz nur für ein Forschungsvorhaben gehalten werden können", teilte das Bezirksamt auf rbb-Nachfrage mit. Man setze stattdessen darauf, die Tiere "zu vergrämen, zum Beispiel durch das Aufstellen von elektrischen Zäunen".

Experten halten massenhaftes Töten für untauglich

Laut Laininger läuft die bestehende Genehmigung im November aus. Wird sie nicht verlängert, steht wohl auch die bestehende Aufnahmestation für Waschbären vor dem Aus. "Der Senat will uns weder hören noch eine Chance geben." Dabei habe ihr Team im vergangenen Jahr bereits rund 180 Waschbären tierärztlich versorgt und fast 500 Beratungen durchgeführt. Unter dem Vorgängersenat sei ihre Arbeit noch unterstützt worden, vor allem durch eine Förderung über 55.000 Euro der Landestierschutzbeauftragten. Deren Einfluss und Budget wurde vom neuen schwarz-roten Senat zuletzt aber stark beschnitten. Der setze bei der Eindämmung der Waschbärenpopulation damit weiterhin darauf, die Tiere zu töten. "Es ist sowohl tierschutzwidrig als auch einer so hochentwickelten Gesellschaft wie der unseren, nicht angemessen, derartig mit einem so sensiblen, hochintelligenten und sehr sozialen Tier umzugehen", so Laininger.

Was den Vorwurf, Lainingers Projekt sei nicht wissenschaftlich genug, bemerkenswert macht: Denn in der Wissenschaft gilt die Tötung von Waschbären als wenig taugliche Maßnahme, um Populationen zu kontrollieren. Im Gegenteil: "Waschbären können nämlich hohe Verlustraten durch eine vermehrte Fortpflanzung ausgleichen", hatte die Waschbärenexpertin Carolin Weh bereits im März im Umweltausschuss des Abgeordnetenhauses erklärt. Diese sogenannte "kompensatorische Fertilität" sei in zahlreichen Studien und Untersuchungen auch in Deutschland bereits nachgewiesen worden. Sinnvoller seien andere Maßnahmen, etwa Zäune, wildtiersichere Mülleimer, Manschetten an Bäumen um das Erklettern zu verhindern, sowie abgesicherte Nistkästen für Vögel. Vor allem aber müsse dem Tier die Nahrung entzogen werden - also vor allem Hausmüll.

Verwaltung verweist auf das geplante Wildtierkompetenznetzwerk

Berlin könne dabei zum Vorbild werden und ein Wildtiermanagement einführen. Dazu gehöre auch zu untersuchen, welche Erfolge mit der Kastration von Waschbären erzielt werden können - genau das also, was Tierärztin Laininger in Berlin durchführen wollte. "Das ist eine Studie von EU-weiter Bedeutung", sagte Weh im März dieses Jahres im Abgeordnetenhaus. Zumal Lainingers Beratung für Menschen, die mit Waschbären in Berührung kommen, bereits "bundesweit als vorbildlich angesehen" werde. "Ich könnte mir gut vorstellen, dass die Unterstützung der Kastrationsstudie sicherlich auch auf EU-Ebene Zuspruch finden würde", so Weh, die als wissenschaftliche Beraterin für das Projekt fungieren sollte.

Nun aber wird es die wohl nicht geben. Die Senatsverwaltung für Umwelt verweist auf rbb-Nachfrage stattdessen auf das geplante Wildtierkompetenznetzwerk. Das ist schon seit einigen Jahren im Gespräch. Wann es starten kann, ist allerdings unklar.

Sendung: rbb24 Inforadio, 11.07.2024, 09:05 Uhr

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Beitrag von Sebastian Schöbel

50 Kommentare

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  1. 50.

    Mitteldeutsche Zeitung, 19.12.2023

    "Im Schlachtraum von Michael Reiß zeigt sich ein ungewöhnliches Bild: An einem großen Fleischerhaken hängt ein erlegter Waschbär. Es ist Schlachtetag für eine ganze Reihe der kleinen Raubtiere in der Wildererhütte in Kade. An dessen Ende landen Waschbärenbouletten und Waschbärenwürste in Reiß' Kühlkammer."

  2. 49.

    Danke für die ergänzenden Infos. Ich denke jedoch, Heidekind meint mit ihrer Frage "Wo bitte ist das Problem?", dass es mit den von ihr aufgezählten Schutzmaßnahmen kein Problem ist, die Ansiedlung von Waschbären zu verhindern.

  3. 48.

    Invasive Art sagt Ihnen nichts? Waschbären gehören hier einfach nicht her, auch wenn sie noch so putzig sind!
    Das EU-Projekt „Delivering Alien Invasive Species Inventories for Europe“ (DAISIE) zählt ihn wie Marderhund und Mink zu den 100 schlimmsten invasiven Arten. Die Berner Konvention empfahl, diese Einwanderer streng zu kontrollieren, da sie die Biodiversität gefährden.

  4. 47.

    Brutverluste in bestandsbeeinflussender Höhe bei den Arten Rotmilan, Mauersegler, Wendehals und Trauerschnäpper sind ein Problem. Negative Auswirkungen des Waschbären wurden auch bei Star, Schwarzstorch, Uhu und verschiedenen Greifvogelarten nachgewiesen. Bei Koloniebrütern wie Graureiher und Kormoran führt die längere Anwesenheit von Waschbären sogar zur Aufgabe großer Brutkolonien, da der Waschbär größere Baumhöhlen und Horste als Schlafplatz- und Ruheplatz belegt. Ein Rückgang bei Hasen, Rebhühnern und Fasanen wird ebenfalls mit dem Wiren des Waschbärs in Verbindung gebracht.
    Um die Sache abzukürzen, der Waschbär würfelt unseren natürlichen Systemzustand durch seine Anwesenheit signifikant neu aus. Gut, das kann einem persönlich natürlich egal sein, aber unter Biologen, Naturschützern (nicht nur Jagd- oder Forstverband) löst diese Entwicklung starke Besorgnis aus, da einige Tiere eben wichtige Player die Stabilität in unserer Fauna und damit auch Flora sind.

  5. 46.

    Ich verstehe nicht die Aufregung, was kümmert es ein paar liebenswerte Tierchen mehr in unserer Stadt zu halten.
    Ich denke Lebewesen jeder Art sollten leben dürfen.
    Ich verbiete ja auch nicht den Rauchern zu rauchen.

  6. 44.

    Auf dem Bild oben sind eindeutig Waschbären. Die lassen sich eigentlich ziemlich leicht von Waschbärhunden unterscheiden: An den Ohren, ann den Rändern der Ohren und am Schwanz.
    Spielt aber eigentlich keine Rolle, da er in BB bejagt werden darf. Und wenn man seine Datsche sichern will, kommen Hundehaarbüschel unter Dachziegel und/oder ne alte Hundedecke unter die Dachbalken. Hat bisher gut funktioniert.

  7. 43.

    Tja, die 3 Maskendeal-Milliarden werden eben reingeholt.

  8. 42.

    Sehr guter Vorschlag! Ich meine die Sturmklammern. Sind die denn auch nützlich bei Klammeraffen und kann ich die auch verwenden, wenn ich kein Haus habe, zum Beispiel wenn ich im Sturm mal unterwegs bin? Danke!

  9. 41.

    Ich frage mich, wieviel Leute auf Anhieb einen Waschbären von einem Marderhund unterscheiden können. Beide Arten kommen in Brandburg und Meck-Pom häufig vor. Beides sind Neozoen. Beide haben das selbe Nahrungsspektrum. Beide werden wir nicht mehr loswerden. Im Zweifelsfall war es aber immer der Waschbär, denn den kennt man ja. Also - das Katzenfutter kommt nicht auf die Terrasse, für "einsfuffzig" Manschetten an die Fallrohre und die Mülltonne wird zugeschlossen - auch schnell gemacht. Komposter für den Garten gibt es auch in Wildtierversionen und mit geschlossenem Boden, da bleiben die Ratten auch gleich draussen. Bei der Dachsanierung oder dem Neubau wird mal nicht das neue Auto eingeplant sondern Sturmklammern für die Dachpfannen. Ich hab noch keinen Waschbären mit "Kuhfuß" gesehen und bei richtigem Wind bleibt die Dachdeckung da wo sie hingehört.
    Wo bitte ist das Problem?

  10. 40.

    Waschbären bekommt man weg wenn die Kleingärtner verschwinden, die locken die an.

  11. 39.

    Nur, indem sie mehrere Wasserstoffbomben auf Deutschland schmeißen. Nein im ernst, Waschbären sind Weltmeister im überleben und besitzen offenbar zudem die Fähigkeit der adaptiven Fruchbarkeitszyklen. Je stärker sie die Spezies durch Tötung dezimieren wollen, umso heftiger werden sich die Waschbären vermehren. Und das Spiel läuft ja auch nicht so, dass sich alle Waschbären zeitgleich zum Zwecke des menschlichen Abschusses in Reihe und Glied aufstellen.
    Und genau um diesen Zusammenhang gehts doch der Tierärztin und Biologen, wenn sie stattdessen eine Sterilisation empfiehlt. Darüber können sie die Art womöglich "sanft" dezimieren. Zumindest bestünde die theoretische Möglichkeit, die bei der einfachen Tötung überhaupt nicht exitiert und wie wir anhand der Population und bisherigen Tötungen sehen; auch praktisch nicht.

  12. 38.

    Falls Sie es nicht verstehen (können oder wollen), informieren Sie sich doch einfach. Invasive Arten, die hier einiges plattmachen! Nur weil jemand die niedlich findet, Katzen aber „Raubzeug“ sein sollen, entscheidet man sich, invasive Arten sich weiter auszubreiten?

  13. 37.

    Letztlich wird man um das Töten nicht herum kommen, wenn man unsere einheimischen Tiere retten/schützen will. Das es möglich ist, eine Tierart auszurotten, hat der Mensch mehrfach gezeigt.

  14. 36.

    Und noch etwas! Diese Waschbären sind nicht nur süß, Sie haben auch ein Existenzrecht. Tiere sind keine ,,Sachen“, sondern unsere Partner! Also räumt Euren Müll weg, dann klappts such mit unseren Nachbarn!

  15. 35.

    Waschbären sind Allesfresser, sie fressen pflanzlichen Stoffe, auch tierisches Eiweiß. Sie suchen Abfälle, finden Müllcontainer, Mülltonnen, Mülleimern außerhalb am Haus, dass lieben die Waschbären. Wer einen ungesicherten Dachboden vermüllt, der Waschbär liebt es besonders. Unser Müll der täglich sich aufbaut, sollte ordentlich entsorgt werden. Die Waschbär-Plage nimmt sonst kein Ende. Umso mehr Müll gedankenlos rumliegt/ rumsteht, umso mehr Waschbären kommen, umso mehr hat der Umweltverschmutzer ein Problem damit.


  16. 34.

    Zustimmung, aber, meinen Sie daß die AgD es besser machen würde? Ich glaub nicht!

  17. 33.

    Ganz einfach, indem die Biologen schon mal die Neobiota als eigenständiges Phänomen behandeln. Im Übrigen würde die Natur auch mit diesen Umbrüchen auf ihrer Zeitskala "umgehen". Allerdings passt die Zeitskala weder zu unserer Zeitskala, noch sind die erstmal für uns ungewissenen, aber irgendwann stabilen Systemzustände erstrebenswert.

  18. 32.

    Völlig richtig! Aber nicht nur die CDU blockiert da, die AgD wäre genauso ein Hemmschuh!

  19. 31.

    Wollen Sie nicht verstehen oder können Sie nicht? Waschbären sind eine invasive Artund gehören hier nicht her.
    Und die NABU-Vor-Ort-Beratung gibt Hinweise und ist für das Problem mit den Plagegeistern nicht zuständig.

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