Etat-Kürzungen des Berliner Senats - Alle müssen zwei Prozent sparen - und der Tierschutz 96 Prozent
Der Berliner Senat muss sparen. Die Lösung soll eine zweiprozentige Kürzung sein - über alle Ressorts. Doch innerhalb der Bereiche trifft es einige besonders hart: wie die Landestierschutzbeauftragte. Ihrem Ressort bleibt fast nichts. Von Stefan Ruwoldt
Streichungen, Haushaltsloch, Kürzungsliste - diese drei Wörter beschreiben die aktuelle Senatswirtschaftspraxis. Diese drei Wörter sagen: Das vom Berliner Senat im Etat für 2024 versprochene Geld kommt doch nicht. Die Regierung hat sich verrechnet. Der Senat aber arbeitet mit anderen Vokabeln. Er nennt es "pauschale Minderausgaben", die "erwirtschaftet werden". Also kommt hier ein Erwirtschaftungs-Beispiel.
Auf rund 39,3 Milliarden Euro belief sich der eigentlich geplante Etat. Rund 560 Millionen Euro fehlen dem Berliner Senat jetzt im aktuellen Haushalt für 2024 - eine Differenz von grob errechnet zwei Prozent. Die offizielle Vorgabe der schwarz-roten Landesregierung ist nun, diese zwei Prozent einzusparen - in allen Bereichen. So heißt es zumindest offiziell.
Mit dem Rotstift an den Tierschutz
Die Idee dahinter ist eine Art Gemeinschaftsprojekt: Alle treten ein bisschen kürzer - dann geht es aber allen auch schon bald wieder besser. Spar-Solidarität könnte man sagen. Doch die Sorge, dass bei dieser Solidaritätsidee vor allem Bereiche unter die Räder kommen, für die die Senatsgelder überlebensnotwendig sind, andere potenter ausgestattete Bereiche dagegen weniger darben müssen, ist groß. Sehr groß ist sie etwa beim Tierschutz.
Die Landestierschutzbeauftragte in Berlin ist Kathrin Herrmann, eigentlich eine Stelle mit einem unabhängigen Stabsbereich. Wirtschaftlich aber ist die Tierschutzbeauftragte untergeordnet, und zwar der Justiz. Damit ist Justizssenatorin Felor Badenberg (CDU) auch zuständig für den Tierschutz-Etat - und entsprechend auch für die Kürzungen darin.
Die Auflistung aller geplanten Etat-Einsparungen des Senats umfasst knapp 650 Posten, verteilt auf 22 Seiten. Sie tragen Namen wie "Kapitel 0669 - Titel 54077 - Steuern - Ansatz: xy Euro - Einsparungsbetrag: xy Euro". Die Einspar- und Streichungsposten der Tierschutzbeauftragten auf der Senatsliste finden sich zwischen Titeln wie "Geschäftsprozessoptimierung" und "Veranstaltungen".
96 Prozent des Budget gestrichen
"Es wurden 377.700 Euro aus dem Landestierschutzbeauftragte-Budget gestrichen, das entspricht über 96 Prozent meines Jahresbudgets", rechnet Kathrin Herrmann auf rbb-Nachfrage vor. Es ist Juni und Herrmanns Budget umfasst laut Plan insgesamt, neben den laufenden Kosten etwa für Verwaltung und Personal, nur noch wenige tausend Euro.
Die Gründe für diese umfangreichen Streichungen beim Tierschutz um ein Vielfaches der postulierten zwei Prozent kann Herrmann nicht nachvollziehen. "Tierschutz hat keine Priorität", so ihre Einschätzung. "Es wurde fast alles gestrichen, und das, obwohl zahlreiche Projekte auf dieses Geld angewiesen sind."
Als Beispiel nennt Herrmann das Stadttauben-Management, für das mehr als die Hälfte des Etats der Landestierschutzbeauftragten vorgesehen war - nämlich 200.000 Euro. Berlin hatte den Plan, auf tierschutzgerechte Weise die Taubenpopulation einzugrenzen. Vorgesehen waren unter anderem betreute Taubenschläge, in denen artgerecht gefüttert und Eier zur Reproduktionskontrolle gegen Attrappen ausgetauscht werden, und der Verschluss von Brutplätzen. Die Idee hier war es, mit Senatsgeldern, Vereine und Bezirke bei der Etablierung eines nachhaltigen und tierschutzkonformen Stadttauben-Managements zu unterstützen.
Diese finanzielle Grundlage des Programms soll nun komplett eingespart werden, sagt Herrmann. "Noch einmal in Kürze: 200.000 Euro - gestrichen." Die Folge wäre, dass es in Berlin in den nächsten Jahren trotz langwieriger Vorbereitungen eines stadtweiten Konzepts und des dringenden Bedarfs kein Stadttauben-Management geben wird. Die Landestierschutzbeauftragte hofft, dass hier das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.
Und die Befürchtung liegt nahe: Sind diese Mittel erst einmal für das Jahr 2024 gestrichen, ist davon auszugehen, dass auch im Jahr 2025 und im Doppelhaushalt 2026/2027 kaum Gelder dafür zur Verfügung gestellt werden.
Das Thema Tauben-Management hatte es als eines der wenigen Tierschutzthemen in den Koalitionsvertrag geschafft. Vor allem die Ehrenamtlichen brauchen hier dringend Unterstützung. "Die Ehrenamtlichen sind nicht nur finanziell am Ende ihrer Kräfte", sagt Kathrin Herrmann. Da Stadttauben als Haustiere gelten, haben die Kommunen eine Fürsorgepflicht - ausführlich dargelegt von der Landestierschutzbeauftragten selbst in einem Gutachten vor wenigen Jahren.
Herrmann verweist auf die Strichliste. "Auch im Titel 'Dienstleistungen' wurden mir alle Gelder gestrichen", so die Landesbeauftragte für Tierschutz. "Wir hatten hier zwei Projekte vorgesehen: Burnout-Präventions-Workshops für amtliche Tierärztinnen und Tierärzte sowie für ehrenamtliche Tierschützende, da Menschen, die im Tierschutz arbeiten, besonders gefährdet sind", sagt Herrmann. "Außerdem: Tierschutzunterricht an Schulen, denn
Präventionsarbeit ist grundsätzlich kostengünstiger und nachhaltiger, und sie schützt Tiere vor vermeidbarem Leid."
Im Tierschutz engagierte Menschen arbeiten oft ehrenamtlich. Alljährlich verleiht die Landestierschutzbeauftragte zusammen mit der für Tierschutz zuständigen Senatorin Tierschutzpreise in drei Kategorien, um diese wichtige Arbeit der ehrenamtlich Tätigen zu würdigen. Ebenso wurden bis zum Regierungswechsel Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von der Landestierschutzbeauftragten mit Preisen geehrt, wenn sie in ihrer Forschung und Lehre auf Tierversuche verzichteten. All diese Auszeichnungen und Preise sollen nun in diesem Jahr flachfallen. "Die 60.000 Euro wurden komplett gestrichen", sagt Herrmann.
In der rot-grün-roten Vorgängerregierung habe sie als Landestierschutzbeauftragte über 400.000 Euro zur Verfügung gehabt, im vergangenen Jahr sei das dann schon auf 246.000 Euro reduziert worden. Und für den Rest von 2024? "Weniger als 14.400 Euro verbleiben für sämtliche Aktivitäten der Landestierschutzbeauftragten in diesem Jahr", rechnet Herrmann zusammen. Einen Großteil davon "verschlingen" Fortbildungsveranstaltungen und der Berliner Tierschutztag. Damit, so erklärte die Landestierschutzbeauftragte, sei sie nun nicht mehr in der Lage, die Vereine und Bezirke bei ihren Tierschutzprojekten finanziell zu unterstützen.
Zwei Prozent, so die grobe Angabe des Senats, müssten im Etat eines jeden Ressorts eingespart werden. Bei der Landestierschutzbeauftragten ist es fast der gesamte Etat.
Sendung: rbb24, 16.06.2024 , 19:00 Uhr
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