Ab September - Berliner Pflegefamilien bekommen deutlich mehr Geld

Do 29.08.24 | 17:59 Uhr | Von Thorsten Gabriel
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Symbolbild: Ein Pflegevater spielt mit seinem Kind. (Quelle: dpa/Uwe Anspach)
Video: rbb24 Abendschau | 29.08.2024 | Vanessa Materla | Bild: dpa/Uwe Anspach

Jedes Jahr nehmen Berliner Behörden Tausende Kinder und Jugendliche in Obhut. Meist, weil sie in ihren Familien misshandelt werden. Viele kommen in Heime, denn es gibt zu wenige Pflegefamilien. Das will der Senat nun ändern. Von Thorsten Gabriel

  • nur für jedes vierte hilfsbedürftige Kind können in Berlin Pflegeeltern gefunden werden
  • Senatorin Günther-Wünsch verspricht höhere Pflegesätze ab September
  • zusätzlich soll demnächst ein Modellprojekt Zahlungen testen, die sich am Elterngeld orientieren

Berlins Jugend- und Familiensenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) spricht von einem "Herzensanliegen". Seit Jahren ist die Zahl von Familien oder Singles rückläufig, die bereit sind, Pflegekinder bei sich aufzunehmen. Das allerdings liegt nicht daran, dass sie es nicht tun wollten, sondern an den Rahmenbedingungen. Vor allem finanziell sind die Hürden für potenzielle Pflegefamilien hoch.

Deshalb waren von den 8.362 Kindern, die im vergangenen Jahr außerhalb ihrer eigenen Familien untergebracht waren, nur 1.979 in Pflegefamilien versorgt. Jahr für Jahr waren es zuletzt um die 2.000 Kinder und Jugendliche, die von Jugendämtern und Kindernotdienst in Obhut genommen wurden. Etliche kehren zwar nach kurzer Zeit wieder in ihre Familien zurück. Für die anderen werden Pflegefamilien gesucht, doch nur für eine Minderheit wird diese Perspektive Wirklichkeit.

Beträge wurden zuletzt 2012 angehoben

"Bei Pflegekindern reden wir in der Regel über Kinder und Jugendliche, die traumatische Erfahrungen gemacht haben", sagt die Jugend- und Familiensenatorin. "Man wird nicht ohne Grund aus seiner Familie herausgenommen und braucht dann dauerhaft eine andere Unterbringung." Natürlich gebe es nach wie vor die Möglichkeit, betroffene Kinder und Jugendliche "stationär", also in Heimen, unterzubringen. "Aber ich glaube, dass es für die Kinder und Jugendlichen immer zielführender ist, wenn wir sie in Pflegefamilien behütet unterkommen lassen, damit sie dann wirklich auch eine zweite Chance bekommen."

Von Pflegepersonen wird erwartet, dass sie im ersten Jahr von ihrem Beruf pausieren, um sich ganz auf das Pflegekind zu fokussieren und eine Bindung aufzubauen. Anders als Adoptiveltern haben Pflegeeltern bislang allerdings keinen Anspruch auf Elterngeld. Damit ist es im Regelfall nur finanziell sehr gut situierten Familien möglich, Pflegekinder aufzunehmen. Dazu kommt, dass die monatlichen Beiträge, die das Land Pflegefamilien für Lebensunterhalt und Erziehung zahlt, seit 2012 nicht angehoben wurden.

Neues Modellprojekt ab kommendem Jahr

Beides will der Senat nun korrigieren. "Ab nächster Woche werden Pflegefamilien eine deutliche Verbesserung spüren", verspricht die Senatorin am Donnerstag. In einem ersten Schritt werden dann nämlich die Pauschalbeiträge für Lebensunterhalt, Pflege und Erziehung deutlich angehoben.

Bekommen Eltern derzeit beispielsweise bei Pflegekindern im Alter zwischen null und sieben Jahren monatlich 747,97 Euro, so werden es ab 1. September 1.023 Euro sein. Die Pflegefamilien seien Mitte August bereits schriftlich darüber informiert worden, wie viel sie konkret monatlich mehr erhalten werden, so Günther-Wünsch.

Ab 1. Januar 2025 startet Berlin dann ein Modellprojekt, bei der neue Pflegepersonen für zwölf Monate eine Art "Elterngeld" erhalten sollen, um ihren Einkommensausfall zumindest anteilig kompensieren. Es wird kein Elterngeld im eigentlichen Sinn und deshalb auch nicht vom Einkommen abhängig sein. Gezahlt würden 924 Euro, das sei die durchschnittliche Höhe des gezahlten Elterngelds, erläutert die Senatorin.

Im Rahmen des Modellprojekts werde es jedem Bezirk ermöglicht, bis zu zehn neue Pflegefamilien auf diese Weise zu fördern. Beides, die erhöhten monatlichen Pauschalbeiträge sowie das Modellprojekt, seien im Doppelhaushalt für dieses und das kommende Jahr mit zusammen neun Millionen Euro abgesichert und stünden auch nicht in der Gefahr, am Ende eingespart zu werden, versichert die CDU-Politikerin.

Mehr psycho-soziale Angebote

Neben den finanziellen Verbesserungen stellt der Senat aber auch weitere Verbesserungen für Pflegefamilien in Aussicht. Unter anderem wünschten sich viele Pflegeeltern Supervision, die nun auch verstärkt angeboten werden solle, so der zuständige Jugend- und Familien-Staatssekretär Falko Liecke (CDU). Zudem sollen die behördlichen Zuständigkeiten für Pflegeeltern vereinfacht werden. Um das enorme Engagement von Pflegepersonen mehr wertzuschätzen und zu würdigen, soll es außerdem künftig zentrale Begrüßungs-, Jubiläums- und Abschiedsveranstaltungen geben.

Nicht zuletzt geht es aber laut Liecke und Günther-Wünsch auch darum, Pflegefamilien besser psycho-sozial zu unterstützen. Als Beispiel verwiesen beide auf "Alegria", das Institut für Zirkustherapie, das eng mit dem Kinderzirkus Cabuwazi verbunden ist. Viele Kinder kämen mit Diagnosen wie ADHS, Fetalen Alkoholspektrumsstörungen (FASD) oder Angststörungen.

"Bei uns können sie ihre emotionalen Belastungen abbauen und positive Erfahrungen sammeln", sagt Institutsleiterin Britta Niehaus. In Zukunft solle ein besonderer Schwerpunkt darauf gelegt werden, Pflegekinder und ihre Familien zu unterstützen. Laut Staatssekretär Liecke wird das Projekt vom Senat mit 210.000 Euro pro Jahr unterstützt.

Im Abgeordnetenhaus stoßen die von Jugend- und Familiensenatorin angestoßenen Reformen quer durch die Fraktionen auf einhellige Zustimmung. So sagt etwa die jugend- und familienpolitische Sprecherin der Grünen, Marianne Burkert-Eulitz, sie sei froh, dass die Senatorin das Thema als Priorität für ihre Arbeit gesetzt habe. "Man muss da politisch nicht immer weit auseinander sein. Hier in diesem Fall bin ich froh, dass die CDU-Senatorin ihre Versprechen umsetzt." Im Parlament hatte es in den vergangenen Monaten immer wieder Anträge und Anhörungen gegeben, die die schwierige Lage vieler Pflegefamilien deutlich machten.

Sendung: rbb24 Abendschau, 29.08.2024, 19.30 Uhr

Beitrag von Thorsten Gabriel

19 Kommentare

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  1. 19.

    Diagnosen wie ADHS, Fetalen Alkoholspektrumsstörungen (FASD) oder Angststörungen.
    Diese Diagnosen werden nur erstellt weil es dann mehr Geld für die Pflege gibt. In Wirklichkeit haben das vielleicht 1% der Pflegekinder.
    Kämpfe bis heute um eine Richtigstellung, das Kind wird aber immer noch als schwerbehindert eingestuft obwohl es das nicht ist. die Diagnose durch Falschaussagen bei einem Gutachter durch Pflegeeltern nicht richtig erstellt wurde und somit nichtig wäre. Wird aber alles gedeckt von Jugendamt, das Gericht interessiert es auch nicht so wirklich ob nun so ist oder nicht

  2. 18.

    "[...] Ich überlege nun auch Pflegekinder auszunehmen. [...]"

    Wohl der klassische Freudsche Versprecher...

  3. 16.

    Kann die unterirdische Vergütung daran liegen, dass diese Arbeit als frauentypisch angesehen wird?

  4. 15.

    Also, der Pfändungsfreibetrag ist höher. Und der Mindestlohn? Pflege ist zudem 24/7. Wie viel bekommt denn ein Heim pro Kind und Monat?
    Bekommen Eltern derzeit beispielsweise bei Pflegekindern im Alter zwischen null und sieben Jahren monatlich 747,97 Euro, so werden es ab 1. September 1.023 Euro sein.

  5. 14.

    Also gleich doppelte Diskriminierung – und finanziell eine Unverschämtheit!:
    "Anders als Adoptiveltern haben Pflegeeltern bislang allerdings keinen Anspruch auf Elterngeld. Damit ist es im Regelfall nur finanziell sehr gut situierten Familien möglich, Pflegekinder aufzunehmen."
    "Dazu kommt, dass die monatlichen Beiträge, die das Land Pflegefamilien für Lebensunterhalt und Erziehung zahlt, seit 2012 nicht angehoben wurden."

  6. 13.

    naja meine eigenen Kinder würde ich nicht maßregeln - Fremde Kinder aus schlechten Verhältnissen sind m. M. nicht anders zu bändigen. Aber da findet sich sicher ein Weg!

  7. 12.

    ......und wenn die Kinder dann zu "anstrengend" sein sollten (wenn Sie sie denn überhaupt bekommen), überlegen Sie dann auch genauso schnell, sie wieder abzugeben?

  8. 11.

    Es gibt eine Eignungsprüfung für Menschen, die Pflegeeltern werden wollen. Wenn Sie diese machen, werden Sie ja sehen, ob Sie dafür in Frage kommen oder eher doch nicht. Sollten Sie sich dabei allerdings so äußern, wie Sie es hier tun, wird das wohl eher nichts werden, schätze ich mal.

  9. 10.

    Echt? Neidisch auf Kinder, die unter unwürdigen Bedingungen geboten wurden?... Und es hängen auch eine Menge Regeln dran. Die Amt kommt überraschend zu Besuch. Die Ursprungseltern können das Kind zurückverlangen, an dass sich die Eltern gewöhnt haben.
    Ich kenne 2 Familien die sich damit den normalen Kinderwunsch erfüllt haben. Familie 1 zwei Männer: Adoptieren war für sie unmöglich, weil schwul. (Die Adoptionsregeln sind absurd)
    Die andere Familie mit ungewissen Einkommen (Studentin + NGO Arbeitet) Auch Adoption unmöglich - aber Pflegekind gerne. Beide wechseln die Kinder nicht, sondern behalten das eine, die zwei, die sie haben.

  10. 9.

    Du hast recht, den Kindern soll es gut gehen. Ich überlege nun auch Pflegekinder auszunehmen. 3 Kinder reichen völlig aus um ein Sorgenfreies, fast luxuriöses Leben zu führen. Und besser als im Heim sind sie allemal dran!

  11. 8.

    Hallo #2
    Da wurden Sie leider falsch informiert. Natürlich zahlt das Jugendamt keine Fernreisem für Pflegefamilien. Vielleicht wollten Ihre Bekannten Ihnen ja nicht ihre persönliche finanzielle Situation offen legen und haben es deswegen aufs Amt geschoben.

  12. 7.

    Ein Heimplatz kostet viel mehr (5 bis 10 mal soviel im )und besser ist er auch nicht. Und für die Kinder ist es auch besser wenn sie sehen wie es in einer Familie auch gut laufen kann.

  13. 6.

    Immer noch viel zu wenig. Eine vollstationäre Unterbringung kostet über 3.000€. Wieso sollte eine Pflegefamilie überhaupt finanzielle Einbußen hinnehmen müssen?

  14. 5.

    Vielleicht sollte das Jugendamt nicht so viele Kinder willkürlich aus ihren Familien reißen!
    Es gibt gewiss mehrere hunderte Mütter o. Väter die darum kämpfen, ihre Kinder wieder zu bekommen! Kämpfen grad auch mit meiner Tochter ihre 2 Jungs wieder zu bekommen. Es gibt mehr als genug kriminelle Jugendamt erbrechen! Leider....

  15. 3.

    Warum geht's so nicht? Kinder sind in Pflegefamilien besser aufgehoben als in jedem Heim und deutlich preiswerter ist es auch

    Ich ziehe den Hut vor Pflegeeltern..

  16. 2.

    Ich kenne eine Pflegefamilie die regelmässidg Pflegekinder aufnimmt....an Geld mangelt es ihnen nicht.....verreisen 3 mal im Jahr ins teuerste Ausland der Pflegekinder zu liebe....wenn ich frage wie macht ihr das finanziell das können sich normal arbeitende Familien nicht leisten bekomme ich zur Antwort wird alles bezahlt vom Jugendamt den Kindern soll es doch gut gehen...sorry so gehts nicht

  17. 1.

    Ein Problem, man findet keine größere bezahlbare Wohnung.
    Auch konkurrieren die Bezirke untereinander. Ich bin eigentlich Pflegemutter, aber er in Schöneberg gab es damals kein Ki nd und andere Bezirke haben nicht abgegeben. Da sollte man mal ansetzen! Da ging rs auch um Geld!!

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