Segelboote, SUPs, Partyflöße - Die Folgen des wachsenden Interesses am Wassersport für die Region

Sa 01.07.23 | 19:29 Uhr | Von Shea Westhoff
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Szene auf der Havel
Bild: imago/Rex Schober

Zur Sommerzeit suchen die Menschen Erholung auf den Seen und Flüssen in Brandenburg und Berlin. Nun wird es auf dem Wasser immer enger. Verbände beklagen fehlendes Wissen der Verkehrsregeln. Von Shea Westhoff

Die friedvollen Fluss- und Seenlandschaften in Brandenburg und Berlin verändern zur Sommerzeit ihr Antlitz. Dann verwandeln sich die Wasseridyllen in Wimmelbilder. Motorboote, Segelboote, Sups, Jetskis, Partyflöße. Wenn die Hitze flirrt, zieht es die Menschen aufs kalte Nass.

Und der Run auf die Gewässer nimmt zu. "Das beobachtet man, wenn man unterwegs ist auf dem Wasser", sagt Detlef von Jagow, Vorsitzender des Landesverbandes Motorbootsport in Brandenburg. Die Schleusen seien überfüllt, es bildeten sich lange Schlangen.

"In den Vereinen haben wir mittlerweile lange, lange Wartelisten", sagt von Jagow. Beim Potsdamer Seesportclub, bei dem er selber aktiv ist, gebe es gar keine Aufnahmen mehr, "weil die Leute ja dann auch erwarten, dass sie einen Liegeplatz erhalten" - was derzeit nicht möglich sei.

Ein Haus zu bauen sei einfacher

Die Liegeplätze. Sie gelten mittlerweile als Feenstaub unter all denjenigen, die mit Booten unterwegs sind. So entrüstete sich das "Boote-Magazin" in einem Artikel schon vor zwei Jahren, es sei "derzeit sogar leichter, einen Klumpen Gold zu finden als einen Liegeplatz!" Wer sich ein Boot zulege, ohne sich zuvor bereits einen Liegeplatz vertraglich zugesichert zu haben, sei "ein Träumer - oder ein Zocker".

Mit seinen rund 3.000 Seen und zahlreichen Flüssen wie Spree, Havel, Elbe und Oder gilt Brandenburg als wasserreichstes Bundesland. Platz wäre da. "Aber einen Liegeplatz zu errichten ist schwieriger als ein Haus zu bauen", sagt von Jagow nur halb im Scherz. Es erfordert zahlreiche Genehmigungen, der Naturschutz sei natürlich zu beachten.

Die vorhandenen Stege, auch das sei Teil des Problems, würden von den Betreibern oft als Dauerliegeplätze vergeben. Heißt: "Die Wasserwanderer haben kaum eine Chance, Liegeplätze zu bekommen, wenn sie diese nicht ein Jahr vorher auf den Tag genau vorbestellt haben", sagt von Jagow.

Er selbst ist im Westen des damals geteilten Berlins aufgewachsen. In der von einer Mauer umgebenen Stadt war Platz am Wasser begrenzt. "Einen Liegeplatz konntest du damals nur erben." In Berlin und Brandenburg sieht er die Situation heute ähnlich. Nicht nur die Vereine könnten keine Liegeplätze mehr anbieten. Auch kommerzielle Anlagen seien komplett ausgelastet, so würden es ihm immer wieder bootsbegeisterte Menschen berichten, die sich beim Potsdamer Verein bewerben – aber abgewiesen werden müssten.

Es war nie leichter, aufs Wasser zu gelangen

Nachdem die Coronapandemie die Mitgliederzahlen in den Berliner und Brandenburger Wassersportvereinen stagnieren ließ, erleben die Verbände seit dem Ende der Pandemie ein wachsendes Interesse.

Hinzu kommt: Es war vielleicht nie einfacher, auf das Wasser zu gelangen, weil es so viele neue vergleichsweise preisgünstige Angebote gibt. So lassen sich seit geraumer Zeit eine Vielzahl von Stehpaddlern auf sogenannten Sups sichten. Außerdem bieten zahlreiche Charterfirmen Wassergefährte zum kurzfristigen Verleih an: Partyflöße, Whirlpool- und Saunaboote, Hausdampfer. Auch dadurch potenziert sich der Verkehr.

Es fehlt an Wissen, wer jetzt wirklich Vorfahrt hat auf dem Wasser.

Christian Braune

Deswegen findet Christian Braune gegenseitige Rücksichtnahme auf dem Wasser heute wichtiger als vielleicht je zuvor. Denn unterschiedlichste Wasserfahrende kommen mit unterschiedlichsten Vorhaben auf die Gewässer. "Der eine genießt die Ruhe der Natur. Jemand anderes nutzt das Wasser, um Party zu machen – was ja auch sein darf", sagt der Präsident des Verbandes Brandenburgischer Segler. "Aber vielleicht kann die Party dann auch um elf Uhr zu Ende sein, damit alle zu ihrem Recht kommen."

Bei Motorbooten sieht Braune das Problem des Wellenschlags, den sich die Fahrenden teilweise selber nicht bewusst machten. "Es ist wirklich schon dazu gekommen, dass Segelboote, die an Steganlagen stehen, durch den Wellenschlag so sehr in Bewegung geraten sind, dass die Masten aneinandergeknallt und zu Bruch gegangen sind", berichtet er.

Hinzu komme, dass die Pflicht für Bootsführerscheine, bis auf wenige Ausnahmen, erst ab einer Motorleistung von 15 PS erforderlich ist. "Da fehlt es dann an Wissen, wer jetzt wirklich Vorfahrt hat auf dem Wasser", so Braune. Immer wieder komme es zu Beinahe-Unfällen. "Wenn man sich auf dem Wasser bewegt, müssen mindestens die Vorfahrtsregeln klar sein, wer wem ausweichen muss."

Wie in der Straßenverkehrsordnung gibt aus auch zu Wasser feste Regeln, etwa, dass die Berufsschifffahrt immer Vorfahrt hat, dass die motorbetriebenen Fahrzeuge allen anderen Fahrzeugen ausweichen müssen. "Das sind grundsätzliche Dinge, die bekannt sein sollten. Aber oft ist das nicht der Fall. Deswegen ist Aufmerksamkeit gefragt."

Immer mehr Partyvolk

Doch wo Rücksichtnahme und Aufmerksamkeit nicht helfen, müsse jemand geltende Ordnungen durchsetzen. Deswegen lautet eine Forderung von Christian Braune, die Frequenz der Kontrollen der Wasserschutzpolizei zu erhöhen.

Tatsächlich hat in Berlin der Chef der Wasserschutzpolizei, René Behrendt, just zu Wochenbeginn angekündigt, die Polizeipräsenz auf dem Wasser auszuweiten und dafür ab August oder September zwei zusätzliche Jetskis in den Dienst zu übernehmen.

Hauptgrund ist die zunehmende Feierwut auf dem Wasser. Im Innenausschuss machte Polizeipräsidentin Barbara Slowik darauf aufmerksam, dass die Gewässer in der Hauptstadt "immer mehr zu Party- und Eventflächen" würden. Es habe einen "großen Wandel" gegeben. Von einer Vielzahl an Beschwerden war die Rede.

Die Szene sei von Segler- und Motorsportvereinen geprägt gewesen, "die sich oft auch gegenseitig in Gesprächen reguliert" hätten. Nun habe sich dieses Bild allerdings stark verändert.

Lösung Charterschein?

Winfried Severin, Präsident des Berliner Motoryachtverbandes, verweist auf den Einsatz des "Charterscheins" für Bootsmieterinnen und -mieter. Diese Bescheinigung beinhaltet unter anderem eine Einführung zu den Grundregeln des Wasserverkehrs und der Bootsfunktionsweise. "Den Charterschein zur Pflicht machen, das wäre auch was für Berlin und Brandenburg", sagt Severin.

Und um zumindest die Überbelegung von Liegeplätzen zu entlasten, könnte "Bootsharing" eine Lösung sein, "sodass das eine Boot durch mehrere Nutzer bewegt wird", empfiehlt Christian Braune vom Verband Brandenburgischer Segler. In einigen Brandenburger Vereinen würde das bereits praktiziert werden.

Kurzfristig scheint angesichts all der Wasser-Wimmelbilder zunächst die gegenseitige Rücksichtnahme die wichtigste Bedingung.

Sendung: rbb24 Inforadio, 01.07.2023, 15:15 Uhr

Beitrag von Shea Westhoff

32 Kommentare

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  1. 32.

    .........seit diese Vercharterung an alles und jeden stattfindet, dazu unser Beiboot aufgespießt wurde, fahren wir nur noch Ostsee.

  2. 31.

    „… und nach einer kurzen Einweisung losfahren kann …“
    Nee, dann müssen erst die Kisten Bier, sonstige Getränke und die Freßalien an Bord geschleppt werden.
    Oh, ich habe die Musikanlage vergessen, ist ja heutzutage nicht mehr so groß.
    Dann kann es erst losgehen!
    Gestern habe ich zum ersten Mal die Wasserschutzpolizei ein Floß kontrollieren sehen, ich weiß zwar nicht, worüber man sich unterhalten hat, aber danach war tatsächlich Ruhe.

  3. 30.

    Dann sollten nur noch Boote an Leute vermietet werden wo mindestens 1bis2 Personen an Bord einen Bootsschein (egal welcher)haben. Wenn nicht dann eben Pech gehabt. Wir als Gruppe haben auch seid Jahren viel Spaß und das ohne Alkohol. Auch kein Radler / Mischgetränke. Verantwortung heißt sowas.

  4. 29.

    Nicht die Bootsbesitzer und fehlenden Liegeplätze sind meiner Meinung nach das größere Problem. Vielmehr haben sich Partygänger nun die Wasserstraßen ausgesucht - ohne zu wissen, dass es, wie im Straßenverkehr - auch hier Regeln gibt. Das Problem ist doch, dass sich jeder Nappel ohne Bootsführerschein nun eines leihen und nach einer kurzen Einweisung losfahren kann, ohne Kenntnis von der BinSchStrO zu haben. Wer öfter mal eine Tour in einem Ausflugsdampfer gemacht hat, dem sind bestimmt schon div. Boote mit dröhnenden Bässen und Partygängern begegnet. Nichts mit Ruhe und Erholung auf dem Wasser...Tendenz steigend.

  5. 28.

    das ist mein Humor. Vorallem ich im Rennkajak(selbsterlernt) und jeder weiss wie fragil das ist. Wellen schieben, das können sie..

  6. 27.

    >“ Jeder denkt nur an sich, quasi ein Verein von Egoisten.“
    So entwickelt sich halt eine Gesellschaft, in der man von Kindesbeinen an den Individualismus eingetrichtert bekommt. Nur DU zählst. Von Gemeinschaft ist da keine Rede mehr.
    >“ Vielleicht sollte man in der Schule Rücksicht als Schulfach einführen.“
    Es würde schon helfen zu erklären, dass mit jedem Recht auch eine gleichlautende Pflicht gegenüber anderen besteht. Jeder darf sich frei entfalten, auch auf dem Wasser. Wenn ich mir dieses Recht nehme, gibts auch die Pflicht, anderen dies zu gestatten ohne Beeinträchtigung durch mein individuelles Tun. Wer Party auf dem Wasser machen will, muss das Recht anderer auf Ruhe beachten. So funktionierts normalerweise in der Gesellschaft.

  7. 26.

    Ein Problem ist, dass die Leute keine Rücksicht mehr nehmen. Rücksichtslosigkeit regiert heutzutage zum Großteil die Gesellschaft. Jeder denkt nur an sich, quasi ein Verein von Egoisten. Vielleicht sollte man in der Schule Rücksicht als Schulfach einführen.

  8. 25.

    Das Prinzip Angebot und Nachfrage bzw. Ursache und Wirkung gelten auch auf dem Wasser. Der Anreiz mit Verleih Geschäft zu machen steht der Verträglichkeit entgegen. Hierfür sind Gesetzgeber und Kommunen verantwortlich und es ist offensichtlich, dass dem Markt Vorrang gegeben wird. Das ist bei Leihfahrzeugen an Land nicht anders. Ob E-Scooter oder Bierbikes, das Lebensgefühl fährt mit und reicht eben vom Naturgenuß bis hin zum lautstarken Abfeiern.

  9. 24.

    Allein die Bezeichnung Sportboot ist falsch, außer Gashebel nach vorn drücken gilt als sportliche Betätigung.

  10. 23.

    “ Die Fahrer sind sich trotz Führerschein der Gefahren und der Schäden an der Natur nicht bewusst.”
    Bewußt schon, wie ein Profilierungsfahrer auf der Straße. Es geht um Machtdemonstrationen per Gashebel. Es ist gnadenlose Ignoranz, ev. sogar Verachtung.
    “ Wir brauchen mehr Polizei auf dem Wasser!”
    Die kann nichts an Charakterschwäche ändern. Ja, ev. ein bisschen Abkassieren, aber freie Fahrt für freie Bürger gilt für die Meisten als Maxime – egal auf welchem Terrain. Zudem sah ich auch im Straßenland noch nie eine Kontrolle von E-Scooter-Fahrer, die zu zweit oder zu mehreren unterwegs waren. Jedes Vehikel wir ausgereizt sobald es zur Verfügung steht. Die Polizei kann Hirnfunktionen nicht regeln. Das machen Hormone und Temperamente unter dem Diktat Ich-zuerst!

  11. 22.

    „In Berlin gibt es keinen Platz mehr, an dem man mal 5 oder 10min. allein sein kann. Spätestens nach 10min. kommt irgendeiner mit seinem Hund an.“
    Da haben Sie sowas von Recht und es nervt mich total, wenn man im Wald von einem Hund angeklefft wird.

  12. 21.

    Ich korrigiere Ihr Versehen: Muskelkraft vor Segelkraft vor Motorkraft.
    „Klaren Kurs fahren“ gefällt. Lösung für zwei Sturköpfe? Massen ziehen sich an.

    Wenn die Krachmacher die FKK-Bootsfahrer verdrängen, geht die Branche neue Wege, um an das zahlungskräftige Potential zu kommen. Wer sollte sich durchsetzen?

  13. 20.

    Es stimmt nicht, dass, wie es im Text steht, die Berufsschifffahrt immer Vorfahrt hätte. Immer Vorfahrt haben alle Schiffe mit einer Länge von 20 m oder mehr oder solche, die mit einem gelben Rhombus markiert sind. Es gibt durchaus Sportboote, für die das gilt.

    Und genaugenommen meint "Vorfahrt haben" auf dem Wasser, dass man kurshaltepflichtig ist, also dass man seine Fahrtrichtung halten muss, damit die anderen überhaupt ausweichen können.

  14. 19.

    Das sehe ich auch so!
    Wir haben schon seit Jahren kein Boot mehr gechartert. Man will sich den Stress mit den Unwissenden und teils Ignoranten der Regeln nicht mehr antun. Und man möchte eigentlich seine Ruhe auf den Gewässern haben.
    Das Einstampfen der WaPo Stützpunkte vor vielen Jahren, war ebenfalls ein fatales Zeichen. Die Anfahrtswege der WaPo sind unerträglich lang.
    Aber was tut man nicht alles, damit junge Menschen, das Partyvolk seinen Spaß hat.

  15. 18.

    Evolutionär gibt es wenige Gründe zum Lautsein: Imponiergehabe und Abschreckung fallen mir da ein. Sprich: Der "Wunsch" laut sein zu dürfen ist nicht wirklich begründbar. Deshalb sehe ich keinen Grund, dafür extra Flächen zu schaffen, schon gar nicht durch Entkopplung von Wohn- und Arbeitsbereichen in der Stadt. Solche Städte sind absolut unattraktiv, Beispiele gibt es genügend.

  16. 17.

    Die Regel lautet eigentlich "Windkraft vor Muskelkraft vor Motorkraft", außerdem "klaren Kurs fahren". Und so wie man von Fußgängern erwartet, dass die elementaren Verkehrsregeln bekannt sind, kann man das auch von SUP-Nutzern oder Tretbootmietern erwarten.

  17. 16.

    Fehler in der Überschrift, lieber rbb: Niemand aus dem Partyvolk hat Interesse am Wassersport. Es geht um die sehr eigene Auslegung von Vergnügen/Party. Sportler halten sich an Regeln (die meisten), respektieren die Natur. Viele betreiben genau wegen der Verbindung Natur-Mensch-körperliche Aktivität- Ruhe Wassersportarten wie Rudern, Segeln, Paddeln.
    Die im Artikeln gemeinten sind die, die vorher Parks zugemüllt und PS-starke Showfahrten auf dem Ku'damm gemacht haben, aber gewiss keine Sportler

  18. 15.

    Der größte Fehler war die Zulassung Führerscheinfrei bis 15PS. Auf der Straße undenkbar. Man hat da den Bootsverleihen echt einen Boom beschert und niemanden einen Gefallen getan. Das Chaos erlebe ich täglich selbst auf der Müggelspree. Es braucht mehr Polizei auf dem Wasser und empfindlichere Strafen.

  19. 14.

    Die ganzen Zugezogenen müssen ja irgendwo hin. Parks und Seen sind voll, überall, wo ein Stück Grün ist, wird sein Hintern darauf plaziert. Überall vermeintliche Geheimtipps, überall muss man seine neugierige Nase reinstecken. In Berlin gibt es keinen Platz mehr, an dem man mal 5 oder 10min. allein sein kann. Spätestens nach 10min. kommt irgendeiner mit seinem Hund an. Tja, nun Wassersport, total hipp und trendy.

  20. 13.

    Der Charterschein, auch Familienversenkschein genannt, ist auch nach meiner Meinung die beste Lösung.

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