Interview | Cottbus-Coach Wollitz - "Wir sollten demütig sein und alles versuchen, um den Klassenerhalt zu schaffen"
Jahr eins nach dem Drittliga-Aufstieg wird gewissermaßen zur Abschiedstour für Claus-Dieter Wollitz. Ein Gespräch über ein attraktives Auftakt-Programm, ein Foul mit Folgen und seine letzte Saison als Trainer des FC Energie Cottbus.
rbb|24: Herr Wollitz, am Freitag sind Sie 59 Jahre alt geworden. Wie haben Sie Ihren Ehrentag begangen?
Claus-Dieter Wollitz: Mit Training am Morgen, einem gemeinsamen Mittagessen mit der Mannschaft und dem Freundschaftsspiel gegen Zwickau am Abend. Und dann war der Tag auch schon fast vorbei.
Gegen den Regionalligisten FSV Zwickau hat sich Ihr Team – nach 2:0-Führung – mit einem 2:2-Remis getrennt. Andersherum lief es am vergangenen Dienstag, als Energie Cottbus einen 0:2-Rückstand gegen Hertha BSC egalisiert hat. Gegen einen weiteren Zweitligisten, Eintracht Braunschweig, mussten Sie sich am Sonntag denkbar knapp mit 2:3 geschlagen geben. Wie schätzen Sie die aktuelle Verfassung Ihrer Mannschaft ein?
Wichtig war, dass viele Spieler auf viele Minuten gekommen sind. Wir haben diese Woche bewusst so gestaltet, um den Spielern die Möglichkeit zu geben, Einsatzzeiten zu bekommen und sich anbieten zu können. Das ist nicht immer so einfach, wenn man weit über 20 Spieler hat. Ergebnisse sind in der Vorbereitung zweitrangig. Wichtig ist, dass die Inhalte, die man bespricht und trainiert, umgesetzt werden. Das Spiel gegen Braunschweig hätten wir mit mehreren Toren Unterschied gewinnen müssen. Wir haben unfassbar viele Chancen liegen gelassen, können aber trotzdem etwas aus diesem Spiel ziehen. Am Dienstag mussten wir, gerade in der ersten Hälfte, einiges durchstehen. Hertha ist sehr dominant, hat eine sehr gute Spielphilosophie.
In diesem Testspiel hat sich Herthas Fabian Reese nach einem rustikalen Zweikampf mit Filip Kusic schwer verletzt. Er wurde am Sprunggelenk operiert und fehlt den Berlinern bis auf Weiteres. Die Szene erhitzte die Gemüter, der FC Energie Cottbus hat am Samstagabend ausführlich Stellung bezogen. Können Sie es nachvollziehen, dass Ihre Mannschaft für die harte Gangart gegen Hertha BSC kritisiert wurde?
Natürlich geht man davon aus, dass so etwas in Testspielen nicht passiert – und da gehe ich komplett mit. Man sollte uns aber nicht unterstellen, dass wir eine Kloppertruppe sind. Die Mannschaften, die ich trainieren durfte, waren alles andere als Kloppertruppen. Ich habe mich noch während des Spiels bei dem Spieler erkundigt und entschuldigt. Nach dem Spiel habe ich auch nochmal dem Trainer (Cristian Fiél; Anm. d. Red.) und Sportdirektor (Benjamin Weber; Anm. d. Red.) gesagt, dass das sehr unglücklich ist, ich es sehr bedauere und es keine Absicht war. Ich bedauere es sehr, weil ich in der vergangenen Saison selbst oft bei Hertha im Olympiastadion war und weiß, was für ein Top-Spieler Fabian Reese ist. Wichtig ist, dass Reese und Kusic am Sonntag miteinander telefoniert und sich ausgesprochen haben. Und dabei möchte ich es auch belassen.
Zum Auftakt der Drittliga-Saison empfängt Ihre Mannschaft den DSC Arminia Bielefeld im Stadion der Freundschaft (So., 4. August, 16:30 Uhr). Anschließend steht das Derby bei der SG Dynamo Dresden auf dem Programm, ehe Alemannia Aachen in der Lausitz zu Gast ist. Hinzu kommt das Pokal-Spiel gegen den SV Werder Bremen im August. Wie klingt das für Sie?
Das ist schon ein Brett. Das sind sehr ambitionierte Klubs. Dresden nimmt nun im dritten Jahr den Anlauf, um aufzusteigen und hat eine unfassbare Fanbase mit riesigen Zuschauerzahlen. Arminia Bielefeld hat vor drei Jahren noch in der Bundesliga gespielt. Wir freuen uns auf das Heimspiel zum Auftakt. Mit unserem fantastischen, positiven Publikum können wir immer punkten.
Mit welcher Zielsetzung gehen Sie in die Saison?
Als Aufsteiger sollten wir dankbar sein, uns auf jedes Spiel freuen und alles dafür tun, um in der Liga zu bleiben. Das wird schwer genug. Der FC Energie Cottbus ist in allen Votings als Abstiegskandidat dabei. Wir sollten demütig sein und alles, was – auf fairer Ebene – in unserer sportlichen Macht steht, versuchen, um den Klassenerhalt zu schaffen. Ich bin zuversichtlich. Wir können zwar keine Massen an Spielern verpflichten, sind aber eine eingespielte Mannschaft, die in den letzten Monaten sehr gut zusammengewachsen ist. Ich mag diese Floskel nicht, für uns wird es aber entscheidend sein, uns von Spiel zu Spiel alles abzuverlangen.
Sind noch weitere Transfer-Aktivitäten geplant?
Wenn, dann sollten es Spieler sein, die sofort eine Verstärkung und bezahlbar wären. Wir bräuchten aber auch Abgänge – und darüber diskutiere ich öffentlich nicht. Einigen Spielern habe ich schon gesagt, dass sie es schwer haben werden, auf Minuten zu kommen. Wir haben 20 bis 22 Spieler, die den Rhythmus und das Vertrauen brauchen. Da können wir nicht hin- und herwechseln. Wenn etwas möglich ist, wollen wir gerne noch etwas am Kader verändern. Das ist im Moment aber weit weg.
Das letzte Kapitel Ihrer Zeit als Cheftrainer des FC Energie Cottbus bricht an. Im Sommer 2025 werden Sie die Funktion des Sportdirektors im Verein übernehmen. Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie auf Ihre Amtszeit zurückschauen - und wie fühlt es sich an, dass der letzte Tanz nun unmittelbar bevorsteht?
Die Abschiedswochen haben ja schon mit der Vorbereitung begonnen. (lacht) Ich habe diese Entscheidung mitgetroffen und bin darauf vorbereitet. Ob das am Ende im Fußball immer alles so kommt, werden wir abwarten. Das Entscheidendste in diesem Jahr ist es, die Liga zu halten. Dann würde dieses Unterfangen noch mehr Nahrung haben. Die Struktur nach einem Abstieg zu verändern, wäre kompliziert und schwierig. Ich hoffe, dass ich in der neuen Funktion kluge Entscheidungen für den Verein treffen werde. Ich habe auch schon mit dem einen oder anderen Experten gesprochen, die mir gesagt haben, dass sie es sich sehr schwer vorstellen können, wer hier der neue Trainer werden sollte. Ich glaube schon, dass ich für Energie Cottbus eine Duftnote gesetzt habe.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Anton Fahl.