Fußball-Bundesliga - So wird die Saison von Union Berlin verlaufen (ganz bestimmt)
"Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen", sagte Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt einmal. Oder auf die kommende Spielzeit von Union Berlin schauen. Denn die hat es in sich. Ganz bestimmt. Vielleicht. Ein Prognose-Versuch. Von Ilja Behnisch
Nachdem Union Berlin in der ersten DFB-Pokalrunde den Greifswalder FC aus dem Wettbewerb gekegelt hat (no front), kommt es gleich am ersten Spieltag der Fußball-Bundesliga zum großen Ausgerechnet! Ausgerechnet in Mainz nämlich müssen die Eisernen antreten. Ausgerechnet dort also, wo Unions Neuer, wo Trainer Bo Svensson lange Jahre erfolgreich gewirkt und Herzen im Akkord erobert hat. Und es werden nicht weniger, denn Unions Spieler sind noch in der Findungsphase mit Svenssons Grundprinzipien von Fußball, während die Mainzer um ihren dänischen Trainer Bo Henriksen eingeölter durch die Partie gleiten als ein Bodybuilder durch den größten Wettkampf seines Lebens. Endstand 2:1 für Mainz. Bitter.
Zum Glück bekommen es die Berliner an den kommenden Spieltagen mit St. Pauli, RB Leipzig, Hoffenheim und Gladbach ausschließlich mit Fallobst zu tun. Die Bilanz nach fünf Spieltagen? Vier Siege, 13:5 Tore. Und plötzlich hat das berühmte Momentum eine Meldeadresse in Köpenick. Union grüßt von einem Champions League-Platz, weshalb sich Anfang Oktober ein alter Bekannter die Ehre gibt in Köpenick. Leonardo Bonucci sagt, er sei "zufällig" mit dem Fahrrad an der Geschäftsstelle vorbeigefahren und wollte bei der Gelegenheit mal fragen.
Christoph Kramer Superstar
Aus einer erneuten Anstellung Bonuccis wird zwar nichts, dafür aber nach dem Kantersieg über Gladbach eine andere Personalie bekannt. Der zuletzt vereinslose Christoph Kramer (zuvor Borussia Mönchengladbach und ZDF) schließt sich Union an und spielt dank DFL-Sondergenehmigung fortan unter dem Namen seines einstigen Lieblingsspielers: Torsten Mattuschka. Witzig! Wobei spielen so eine Sache ist.
Kramer kommt bis zum Saisonende auf neun Minuten Einsatzzeit (und ein Eigentor), glänzt dafür als Moderator bei AFTV und im gemeinsamen Podcast mit dem Rapper Finch ("Chrinch Krassozial"). Auch die Trikots verkaufen sich blendend. Ebenso wie Kramers Netflix-Serie über das Union-Abenteuer ("Und niemals vergessen: Chris Kramer"). Da sein für Anfang 2025 angekündigtes Roman-Debüt ebenfalls die Bestseller-Liste stürmt, kommt Kramer im Sommer des kommenden Jahres immerhin in der Autoren-Nationalmannschaft zum Einsatz. Win-Win.
Richtiger Fußball wird auch noch gespielt bei Union. Und das mehr als erfolgreich. Einzig die beiden Niederlagen bei Bayern München am neunten Spieltag und in der zweiten Runde des DFB-Pokals beschweren die lila Wolke, auf der die Mannschaft durch die Saison schwebt. Weil man ansonsten einzig noch in Wolfsburg und Stuttgart Punkte lässt, überwintert die Truppe tatsächlich auf Platz drei. Der neuerliche Erfolg jedoch lockt die Blutsauger an. Unions Spieler sind plötzlich begehrter als Taylor-Swift-Karten.
Platz vier!
Irgendwann unterliegt die Klubführung schließlich der Schwere der Geldkoffer und veräußert den über seine Wechselwilligkeit nicht zweifellos erhabenen Topscorer Robin Gosens (10 Tore, 8 Vorlagen) für 53,1 Millionen Euro an Juventus Turin. Auf der routinemäßig folgenden Pressekonferenz sagt Unions Sportdirektor Horst Heldt dennoch aus Reflex, es liege bisher kein Angebot für Gosens auf seinem Tisch. Vielleicht auch deshalb holt der Klub keinen Ersatz. Zumal sich Christoph Kramer die Position "absolut zutraut".
Der tatsächliche Gosens-Ersatz ist mit Tom Rothe zum Glück längst da. Der gebürtige Rendsburger (Städtepartnerschaft mit Rathenow!) spielt groß auf. Was bitter ist, weil sein Ex-Verein, weil Borussia Dortmund und dessen neuer Trainer Urs Fischer Ende Mai 2025 von der in Rothes Vertrag verankerten Rückkauf-Klausel Gebrauch machen. Aber gut, wichtig ist auf dem Platz. Und da landet Union nach einer ebenso bockstarken Rückrunde tatsächlich erneut auf Rang vier.
Die Zukunft ist eisern
Doch dieses Mal wird alles anders, flöten sie aus Köpenick in die Welt. Was allein schon deshalb stimmt, da Ex-Geschäftsführer Sport Oliver Ruhnert nun nicht mal mehr in der zweiten Reihe nach Neuzugängen scoutet, sondern sich mit Beginn 2025 tatsächlich der Politik verschreibt und den Berliner Bundesligisten mit Ziel Bundestag verlässt. Macht aber nix, Christoph Kramer traut sich die Aufgabe schließlich zu.
Und viel wichtiger ist ohnehin, dass sämtliche Bauvorhaben des Klubs endlich in die Tat umgesetzt werden können. Auch die Mitte Mai genehmigte Umsetzung des S-Bahnhofs Köpenick direkt hinter die Waldseite.
Glauben Sie alles nicht? Mag sein. Vielleicht wird die Zukunft nicht gar so golden. Eisern wird sie auf jeden Fall. Ist doch auch was.
Sendung: DER TAG, 16.08.2024, 18:30 Uhr