Frankfurter Verwaltungsrichter betreten juristisches Neuland - Mutmaßungen allein begründen kein Auskunftsrecht gegen Gemeindeverwaltung
Das Aus eines Baudezernenten und die Nachbesetzung seiner Stelle hätte ausreichend Stoff für eine Posse, doch das Frankfurter Verwaltungsgericht sieht kein Akteneinsichtsrecht nach "Hörensagen". Jetzt soll ein Grundsatzurteil folgen.
- Frankfurter Verwaltungsrichter wollen sich per Urteil über Grundsätzliches zu Einsichtrechten von Kommunalvertretern äußern
- Aufgrund fehlender Rechtsprechung soll jetzt Belastbares folgen
- Im Streifall wird es wohl aber keine Wendung geben
Was dürfen Brandenburger Gemeindevertreter im Streitfall alles von ihren Bürgermeistern erfragen und was nicht? Hiermit beschäftigt sich aktuell das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) erstmals in einer Grundsatzentscheidung. Bislang existiert zu Paragrafen §29 Brandenburgische Kommunalverfassung, der die Kontrolle der Verwaltung durch Gemeindevertreter regelt, so gut wie keine Rechtsprechung, wie der Vorsitzende Richter Ralf Krupski am Donnerstag deutlich machte.
Seit drei Jahren schwelender Streit in der Gemeinde Panketal
Hintergrund ist ein schwelender Konflikt zwischen dem Bürgermeister der Gemeinde Panketal - Maximilian Wonke (SPD) - und drei Gemeindevertretern der BVB/Freie Wähler um Andre Meusinger und Clemens Herrmann. Dieser Konflikt ist mittlerweile vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) anhängig. Sie verlangen Akteneinsicht, wollen von Wonke über das plötzliche Aus des Baudezernenten Stefan Kadatz im Jahr 2019 aufgeklärt werden. Zudem monieren sie die Neuvergabe der Dezernentenstelle. Die BVB/Freie Wähler-Vertreter vermuten, dass im Frühjahr 2020 das SPD-Parteibuch von Bewerberin Janina Meyer-Klepsch das entscheidende Kriterium war, die Stelle an sie zu vergeben.
Die Gemeindeverwaltung hat diesen Vorwurf stets zurückgewiesen. Und auch zudem Aus des Baudezernenten wollte Panketal den BVB/Freie Wähler-Vertretern keine Akteneinsicht gewähren. Begründung: Es gehe um höchstpersönliche Daten. Eine Offenlegung würde gegen die Datenschutz-Grundverordnung verstoßen.
Gang vors Verwaltungsgericht
In der Folge sind Meusinger, Herrmann & Co. vor das Frankfurter Verwaltungsgericht gezogen, um Akteneinsicht zu erzwingen und so Aufklärung auch darüber zu erhalten, ob an Kadatz im Zusammenhang mit einem Aufhebungsvertrag eine Abfindung geflossen ist. Ihren Anspruch auf Akteneinsicht leiten sie aus dem Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz (AIG) sowie §29 Brandenburgische Kommunalverfassung ab.
Allerdings machte der Vorsitzende Richter Krupski den Klägern um Meusinger und Herrmann am Donnerstag schnell klar, dass ihre Klage auf Akteneinsicht vor Gericht kaum Aussicht auf Erfolg hat. "Was nicht mehr da ist, kann auch nicht mehr vorgelegt werden", so Krupski und spielte auf das Bewerbungsverfahren an. Laut Datenschutzgrundverordnung dürften Bewerbungsunterlagen nur maximal sechs Monate aufgehoben werden. "Keine Unterlagen, kein Einsichtsanspruch", so Krupski. Zudem seien Bewerbungsunterlagen höchstpersönlich und hätten auch gar nicht herausgegeben werden dürfen.
Kein Tatsachen-Vortrag
Zudem hätten Meusinger und Herrmann keine Tatsachen vorgebracht, nur von Hörensagen berichtet. Nichts in dem Klägervortrag sei so zu ihren Gunsten zu werten gewesen, das einen Akteneinsichtsanspruch rechtfertige, so der Vorsitzende Richter.
Krupski sagte, angenommen, wenn ein Bürgermeister beispielsweise ein Despot wäre und seine Mitarbeiter mobben würde. In diesem Fall bliebe unter Umständen Raum, anders zu entscheiden. "Aber hier reicht es nicht aus", betonte der Vorsitzende Richter.
Das deutliche Votum des Gerichts war für Meusinger in der Folge nur schwer hinzunehmen. "Wir hatten uns erhofft, ein wenig mehr Einsicht zu bekommen", sagte er dem rbb. Man habe vor Gericht doch viele Undurchsichtigkeiten und Widersprüche vorgetragen. All das reiche aber nicht aus, "um als Gemeindevertreter für mehr Gerechtigkeit und Transparenz zu sorgen. Wir hätten uns da vom Gericht mehr erwartet. Ich kann die Argumentation nicht nachvollziehen", erklärte er.
Klage nur teilweise zurückgezogen
Obwohl Meusinger und Herrmann so gut wie keine Chance auf eine Entscheidung zu ihren Gunsten hatten, zogen sie ihre Klage nicht komplett zurück. In Bezug auf §29 Kommunalverfassung beharren sie auf einer Entscheidung, weil bislang kein Gericht klargestellt hat, welche Auskunftsrechte Gemeindevertreter überhaut gegenüber ihren Hauptverwaltungsbeamten haben.
"Uns war auch wichtig, dass wir da Klarheit und Rechtssicherheit haben, dass es da mal ein Urteil gibt", so Meusinger. Ihr Rechtsanwalt habe nach entsprechenden Urteilen gesucht, aber keine gefunden. Die zu erwartende Frankfurter Entscheidung werde nach Meusingers Ansicht Ausstrahlungswirkung über die Grenzen Panketals hinaus haben.
Gemeinde auch an einer Klärung nach Kommunalverfassung interessiert
Der Anwalt der Gemeinde Panketal, Dominik Lück, war mit den Ausführungen des Vorsitzenden Richters hochzufrieden. Zugleich meldete er sein Interesse an einer Grundsatzentscheidung zu §29 Kommunalverfassung an. "Das Gericht hat in der Begründung deutlich gemacht, dass es in §29 gleich zwei unterschiedliche Ansprüche für Kommunalvertreter sieht und betritt damit juristisches Neuland", so Lück. §29 sei ein Akteneinsichtsanspruch, den nur Gemeindevertreter haben. "Das Gericht hat jetzt gesagt, dass ein Anspruch besteht, wenn sich dieser zunächst nur auf den eigentlichen Aufgabenbereich des Gemeindevertreters bezieht. Der andere Anspruch bezieht sich auf die Verwaltungskontrolle", so Lück.
Jetzt werde eine Entscheidung von den Frankfurter Verwaltungsrichtern darüber erwartet, welche grundsätzlichen Informationen Gemeindevertreter von ihren Hauptverwaltungsbeamten im Streitfall bekommen dürfen und welche nicht. In Bezug auf die Kontrolle der Verwaltung sei Akteneinsicht an Abwägungen geknüpft, die im aktuellen Fall zuungunsten der Kläger ausgefallen seien, so Lück.
Wahrscheinlich erst im kommenden Jahr ist mit einer Gerichtsentscheidung zu rechnen.
Sendung: Antenne Brandenburg, 15.12.2023, 18:30 Uhr