Streit um S-Bahn-Vergabeverfahren - Berliner Kammergericht fordert von Ländern Kompromisse mit Alstom

Fr 23.02.24 | 21:13 Uhr
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Eine S-Bahn fährt zwischen Friedrichstrasse und Alexanderplatz. (Quelle: dpa/Maurice Tricatelle)
Video: rbb24 | 23.02.2024 | Nachrichten | Bild: dpa/Maurice Tricatelle

Die Ausschreibung für bis zu 2.200 neue Wagen ist die bislang größte der Berliner S-Bahn. Der Konzern Alstom hat Rügen gegen das Vergabeverfahren eingereicht - teilweise zurecht, sagt das Kammergericht. Es fordert von den Streitparteien, aufeinander zuzugehen.

Die milliardenschwere S-Bahn-Ausschreibung der Länder Berlin und Brandenburg könnte in Teilen gegen das Vergaberecht verstoßen. Das machte der Vergabesenat des Kammergerichts gleich zu Beginn der ersten Verhandlungsrunde am Freitag deutlich.

Das Gericht befasste sich mit Beschwerden des französischen Bahntechnik-Konzerns Alstom gegen die Ausschreibungsmodalitäten. Unter anderem bemängelt der Konzern die Kriterien, nach denen eingehende Angebote bewertet werden sollen. Die Vorsitzende Richterin, Cornelia Holldorf, machte deutlich, dass das Gericht hier ebenfalls das Risiko sehe, das nicht zwingend das wirtschaftlichste Angebot den Zuschlag erhalte.

Gericht ruft Parteien zur Kompromisssuche auf

Am Freitagabend wurde die Verhandlung um die milliardenschwere S-Bahnausschreibung letztlich auf nächste Woche vertagt. Das Gericht schlug vor, dass sich die Länder und der klagende Bahntechnik-Konzern Alstom in strittigen Punkten bis zur Fortsetzung der Verhandlung auf Kompromisse einigen. Bis zum Abend hatte das Gericht mit den Anwälten beider Seiten an entsprechenden Formulierungen gearbeitet. Nun sollen beide Seiten sowohl getrennt als auch gemeinsam bis kommenden Freitag beraten, ob sie die Kompromissvorschläge annehmen.

Berlins Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) erklärte dazu am Abend, die Beteiligten würden die Vorschläge nun sorgfältig prüfen. "Für Berlin und Brandenburg ist klar, dass wir schnellstmöglich moderne, attraktive S-Bahn-Fahrzeuge und einen Ausbau des Verkehrsangebots brauchen."

Gericht verhandelt über 25 Rügen

Die Länder suchen mit dem Vergabeverfahren Unternehmen, die bis zu 2.200 S-Bahn-Wagen beschaffen, Instand halten und auf der Stadtbahn und den Nord-Süd-Verbindungen betreiben. Bei der Ausschreibung handelt es sich um die größte in der Berliner S-Bahn-Geschichte. Gesucht wird ein Betreiber für die Zeit von 2029 bis in die 2040er Jahre hinein.

Die Vergabekammer des Landes Berlin war im Oktober 2022 zu der Einschätzung gelangt, dass das Vorgehen nicht zu beanstanden sei. Gegen diesen Beschluss legte der Bieter beim Kammergericht Beschwerde ein. Das Kammergericht muss sich mit insgesamt über 25 Rügen des Konzerns auseinandersetzen.

Sendung: rbb24, 24.02.2024, 13 Uhr

16 Kommentare

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  1. 16.

    Ihr Fachwissen ist schon speziell. Über Entwicklung & Geschichte der aktuellen BR bzw.der gerade in Ruhestand geschickten bei der S-Bahn Berlin sollte man sich schon intensiver belesen, bevor man solch reduzierte Aussagen als das Nonplusultra in die Welt posaunt.

  2. 15.

    Also mein 67er Mustang mit V8 sieht noch sehr gut aus und läuft auch sehr gut…

  3. 14.

    "...reif für die Ausmusterung...Fehlkonstruktion". Woher beziehen Sie eigentlich ihr seltsames Know-How?

  4. 13.

    Nach vierzig Jahren Dauereinsatz sind alle Lager ausgeschlagen, jedes Verschleißteil mehrmals ausgetauscht, etliche Ersatzteile nicht mehr lieferbar - und bei U-Bahnzügen aus den 70ern lösen sich sogar die Wagenkästen auf.

    Wie sähe denn Ihr V8 aus, wenn er vierzig Jahre und mehrere Millionen Kilometer Laufleistung auf dem Buckel hätte? Den würden Sie doch nicht mal mit dem Baggergreifer anfassen wollen.

    Die heute dominierende Baureihe 481 war ein Billigmodell – ein Grund für die S-Bahnkrise 2009, wenn auch nicht der wichtigste. Die Westberliner Baureihe 480 war überhastet konstruiert und hat die höchsten Wartungskosten. Die DDR-Baureihe 485 war klapprig (an den Wagenenden wurde man auf manchen Strecken hin und her geschleudert) und konnte nicht auf die elektronische Zugbeeinflussung umgerüstet werden. Und selbst wenn all diese Züge in Betrieb blieben, wären trotzdem neue Züge nötig, weil das Angebot erweitert wird: längere Züge, neue Linien.

  5. 12.

    „Der Senat will nur mit mehr als zweifelhaften Methoden an die Gewinne der S-Bahn um die marode BVG zu pushen.“

    Können Sie mal erklären, wie der Senat an die Gewinne der S-Bahn herankommen soll?

    Zur Frage Ausschreibung oder Direktvergabe haben ja Andere schon etwas gesagt.

  6. 11.

    Die überalterten Triebwagen der Baureihe 480 sind reif für die Ausmusterung. Und bekanntermassen ist die Nachfolgebaureihe 481/482 eine Fehlkonstruktion.

  7. 10.

    Der Betrieb der landeseigenen BVG AöR muss nicht ausgeschrieben werden, da auch eine Eigenvergabe rechtlich möglich ist. Würde das Land Berlin externe Firmen beauftragen wollen, müsste das ebenfalls ausgeschrieben werden.

  8. 9.

    Der Betrieb der SBahn muss ausgeschrieben werden, da sie nach geltedem Recht eine Eisenbahn ist und damit ein Eu-weites vergabeverfahren eingeletet werden muss. Da die UBahn, wie auch die Straßenbahn, von Rechtswegen her eine Straßenbahn ist, entfällt die Ausschreibepflicht.

  9. 8.

    „Die Vorsitzende Richterin, Cornelia Holldorf, machte deutlich, dass das Gericht hier ebenfalls das Risiko sehe, das nicht zwingend das wirtschaftlichste Angebot den Zuschlag erhalte.“

    Ich sehe darin kein Risiko, sondern einen Vorzug. Gerade im Bahnwesen wurden genug Erfahrungen mit „billig, aber schlecht“ gemacht. Wir brauchen eine technisch gute und zuverlässig bewirtschaftete S-Bahn. Wenn die auch noch billig ist - umso besser! Aber das darf nicht das entscheidende Kriterium sein.

  10. 7.

    Ich verstehe nicht, warum die U-Bahn nicht ausgeschrieben wird, Tram Strecken, Buslinien? Der Senat schreibt nur "die anderen" aus, nichts von sich selber. Die Anzwort ist simpel. Die S-Bahn macht auf Grund der Kilometerleistung pro Fahrgast Gewinn und die BVG mit ihren 3 Stationenfahrern ist dauerpleite. Eine S-Bahnstation 5km, 1 Bushaltestelle 100m (zum deutlich machen) besonders die äußeren Gebiete, Bereich C, schaufeln Kilometer. Buch, Straußberg, Erkner, KW... wer fährt etwa von Potsdam nach Hauptbahnhof mit der BVG ? Das wäre ja ein Tagestripp mit gefühlt 20x Umsteigen. Der Senat will nur mit mehr als zweifelhaften Methoden an die Gewinne der S-Bahn um die marode BVG zu pushen. Ansonsten schreibt doch die Kanzlerlinie U5 aus, die am roten Rathaus vorbeiführt. Pünktlicher als die S-Bahn ist die BVG (mit Abstand) auch nicht.

  11. 6.

    Züge, die seit über 40 Jahren im Dauereinsatz sind, weisen ein hohen Grad an Verschleiß auf. Um diese Einsatzfähig zu halten, wären exzessive Reperaturarbeiten nötig, die einem fast kompletten Neubau des Zuges gleichen würden. Man muss kein Genie sein, um zu sehen, dass es sich dann lohnt, neue, sicherere und effizientere Wagen anzuschaffen und die Alten auszumustern.

  12. 5.

    Wenn die Bahn (S-Bahn = Tochter der DB) es klug anstellt und ihr der Bund als Eigentümer nicht aus Mitleid zu Berlin in die Parade grätscht, könnte das für Berlin oder/und die Gewinner der Ausschreibung ein Millionengrab werden. Und zwar ganz legal. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.

  13. 4.

    Das billigste ist nicht das wirtschaftlichste und die beiden Worte haben auch miteinander wenig zu tun.

    Ich hatte schon Vergaben da wurde alles mit 0,01€ verpreist bei bem Auftragsvolumen von 6 Millionen....kann man so machen - und auch entsprechend interpretieren.

    Ausserdem muss man wenn man kostengünstig abweicht, sehr genau begründen warum man das tut - täglicher Vergabe Standart.

    Alles nix ungewöhnliches

  14. 3.

    "...dass das Gericht hier ebenfalls das Risiko sehe, das nicht zwingend das wirtschaftlichste Angebot den Zuschlag erhalte."
    Das billigste ist nicht immer das beste! Es darf nicht immer zwingend das billigste Angebot gewinnen. Qualität und Erfahrung spielt auch noch ne Rolle bei solchen großen Projekten. Wenn diese Ausschreibung so zum Ergebnis kommt, dass es für unterschiedliche S-Bahn Linien jeweils andere Betreiber und evtl. auch andere Fahrzeuge gibt, fängt das S-Bahn Chaos wieder von vorne an. Aber nicht wegen technischer Defekte, sondern wegen organisatorischer Doppelstrukturen und Zuständigkeitsgerangel.

  15. 2.

    Es hätte mich auch gewundert,wenn alles mit rechten Dingen abgelaufen wäre.Leider muss man immer wieder sagen,typisch Berlin

  16. 1.

    Ob bei S-Bahn oder U-Bahn, ich kann nicht nachvollziehen das (gefühlt) ständig neue Zug- und Wagenmodelle gebraucht/geordert werden.
    Oder brauch man nur das immer penetranter werdende Digitalisierungs-Schnick-Schnack.
    Um wieviel sparsamer sind denn die aktuellen Modelle gegenüber denen aus den 80/90igern?

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