Kosten-Explosion - Kino in Kleinmachnow kämpft ums Überleben
Für die Neuen Kammerspiele Kleinmachnow geht es ums Ganze: Gestiegene Löhne und Energiekosten sind ein Problem, das Programmkino ist auf eine Förderung durch die Gemeinde angewiesen. Sonst könnte schon im Sommer Schluss sein. Von Julia Baumgärtel
Gerade erst stand Kleinmachnows Bürgermeister Michael Grubert (SPD) selbst auf der Bühne der Neuen Kammerspiele, in Friedrich Dürrenmatts Theaterstück "Der Besuch der alten Dame". Eine heitere Inszenierung mit Bürgern aus Kleinmachnow (Potsdam-Mittelmark), aufgeführt im Kino. Und sehr passend zur derzeitigen Situation des Programmkinos. Denn im "Besuch der alten Dame" geht es um eine verarmte Kleinstadt, deren Bürger scharf sind auf das Geld der reich gewordenen Rückkehrerin Claire Zachanassian.
Scharf aufs Geld der wohlhabenden Kommune Kleinmachnow sind die Betreiber der Neuen Kammerspiele [neuekammerspiele.de] – über deren Wohl und Wehe nun der Bürgermeister und die Gemeindevertreter entscheiden müssen. Am 15. Dezember wird die Gemeinde beschließen, ob und in welcher Höhe sie ihr Kino weiter fördern will.
Ohne Förderung kein Programm
Ohne öffentliche Förderung würde in Brandenburg kein einziges Programmkino überleben, bestätigt Christian Berg, der Kinobeauftragte des Medienboards Berlin-Brandenburg [medienboard.de] dem rbb: "So ein Kino kann man nicht ohne Zuschüsse der Kommune führen." Die Kinos seien an vielen Orten die letzten verbliebenen Kulturorte und gehörten damit zur Grundversorgung.
Die Neuen Kammerspiele Kleinmachnow erhalten daher jedes Jahr den Kinoprogrammpreis des Medienboards als Subvention. Außerdem finanziert die Gemeinde einen Teil des Etats. Bisher waren es 110.000 Euro im Jahr. Doch diese Summe muss nun neu verhandelt werden. Zusammen mit dem neuen Pachtvertrag über die nächsten zehn Jahre geht es darum, wie viel Geld das Kino von der Gemeinde bekommt. 120.000 Euro sind beantragt, darunter 18.000 Euro Zuschuss zum Pachtzins und 42.000 Euro Unterstützung für die Betriebskosten und Versicherungen. Die Förderung soll nach dem ersten Jahr um zwei Prozent jährlich erhöht werden. Aber wird das reichen?
Mindestlohn und Energiekosten bereiten den Betreibern Sorge
Die Geschäftsführerin der Neuen Kammerspiele, Carolin Huder, blickt in eine ungewisse Zukunft. Wie hoch werden die Strom- und Gasrechnungen für das Kino mit dem großen Saal im kommenden Jahr sein? 2019 lagen die Energiekosten nach ihren Angaben bei 20.000 Euro, für 2022 rechnet Huder mit 70.000 bis 80.000 Euro. Außerdem ist der Mindestlohn zum 1. Oktober gestiegen – das betrifft den Lohn der 25 Aushilfen an Kinokasse und Einlass, aber auch zwei der sieben Festangestellten. Carolin Huder fordert daher, dass die Kommune mit zusätzlichen Hilfen einspringt, wenn die Kosten aus dem Ruder laufen. In der Beschlussvorlage der Gemeinde ist das aber ausdrücklich ausgeschlossen.
Bereicherung für Kleinmachnow
Die Frage ist: Was ist das Kino dem Ort wert? Carolin Huder findet: "Die Neuen Kammerspiele sind eine Bereicherung – viele haben hier ihren Lebensmittelpunkt, sie kommen her, um Leute zu treffen." Neben Kinovorstellungen gibt es in den Neuen Kammerspielen eine Kneipe, immer dienstags treffen sich Musikliebhaber im Foyer zur Jam-Session, und sonntags kann man im kleinen Saal Tatort gucken.
Ende November gibt es zwischen zwei Filmen "Dark Opera" - kostenlosen Live-Operngesang im dunklen Kinosaal. Und beim Impro-Märchen für Kinder können die Kleinen selbst bestimmen, wie die Geschichte ausgeht. Das alles zu Preisen, wie sie in solch einem Kino mit DDR-Charme auch nicht höher möglich wären: Kinder zahlen für ein Kinoticket 4,50 bzw. am Wochenende 5,50 Euro, Erwachsene 8 bzw. 9 Euro. Die Frage ist nur, ob Kleinmachnow sich das alles auch weiterhin leisten will und kann.
Was sagt die Kommune?
Grundsätzlich weiß Kleinmachnow, was es an den Neuen Kammerspielen hat: "Das ist ein großer Trumpf, den wir hier haben", sagt der Fachbereichsleiter für Kultur, Sebastian Kullack. Die neue Förderung könne sich die Kommune auch durchaus leisten, aber hart diskutiert wird in den Ausschüssen trotzdem. Heizen wir die Kita oder das Kino oder geht beides? Klarheit wird erst die Abstimmung am 15. Dezember bringen. Eine Hängepartie, obwohl doch selbst der Bürgermeister privat Anteilseigner des Programmkinos ist. Kleiner Lichtblick: Mitte November stimmten schon mal Kultur- und Finanzausschuss für die weitere Förderung.
Es ist ein besonderes Kino: Vor zehn Jahren, im November 2012, starteten die Neuen Kammerspiele Kleinmachnow als Kulturgenossenschaft. Bürger konnten Anteile an ihrem Kino erwerben, auch der Bürgermeister war dabei. Doch die enthusiastischen Idealisten, die damals das neue Kino gründeten, unterschätzten vielleicht den Zustand der Spielstätte – renovierungsbedürftig, Brandschutz nicht up to date – und die Herausforderung einer Langzeitfinanzierung.
Kino in der Krise
Durch die Corona-Pandemie kamen die Betreiber der Neuen Kammerspiele ganz gut, weil sie im Kino eine Teststation einrichteten und damit sogar ein Umsatzplus erwirtschaften konnten. Somit musste die Gemeinde im Jahr 2021 ausnahmsweise gar keine Fördermittel an das Kino zahlen. Doch insgesamt ist die Lage weiter angespannt, der Zuschauerrückgang eklatant: Nach 22.000 Besuchern im Jahr 2019 konnte das Kino 2020 nur noch 7.800 Besucher begrüßen (fünf Monate lang geschlossen wegen Lockdown), 2021 waren es 6.600 (wieder fünf Monate zu). In diesem Jahr kamen bis Ende Oktober erst 10.000 Besucher.
Bislang musste in Brandenburg kein Programmkino schließen, aber noch ist auch keines wieder auf dem Besucherniveau von vor Corona. "Wenn es gut läuft, kommen 50 bis 70 Prozent der Besucher", sagt Christian Berg vom Medienboard. Noch ist die Angst vor Corona bei vielen ehemaligen Kinobesuchern da, außerdem ist das private Budget für Kultur bei den Menschen geschrumpft.
Auch bei den Kinos kommt die Nach-Corona-Realität an: "Die Coronahilfen fallen jetzt weg, da geht es ans Eingemachte", sagt Berg. "Und es zeigt sich, wer seine Hausaufgaben gemacht hat." Das Programm auf Couch-verwöhntes Publikum zuschneiden, Foyers renovieren, Leinwände austauschen – damit müssten Kinos aus seiner Sicht jetzt reagieren. Also mit Investitionen – wenn denn Geld dafür da ist.
Happy End oder Heldentod?
Im "Besuch der alten Dame" sind die Bürger bereit, für die versprochene Milliarde zu töten. Ganz so dramatisch ist es bei den Neuen Kammerspielen Kleinmachnow nicht, aber es geht schon um Leben und Tod einer Kulturinstitution. Carolin Huder sagt: "Wenn alles so bleibt, wie es jetzt ist, schaffen wir es bis zum Frühsommer. Dann spätestens wird sich zeigen, ob wir überleben."