Filmförderungsgesetz - Deutsche Filmbranche bangt um ihre Zukunft

So 01.12.24 | 21:30 Uhr | Von Luis Babst
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Moritz Bleibtreu & Franka Potente Characters: Manni & Lola. (Quelle: dpa/Mary Evans Picture Library)
Video: rbb24 Abendschau | 01.12.2024 | Nathalie Daiber, Volker Wieprecht | Bild: dpa/Mary Evans Picture Library

High Noon für die Filmbranche nach dem Koalitionsende: Das neue Filmförderungsgesetz würde den Produktionsstandort Deutschland wieder auf die Füße stellen - auch in der Region. Doch es ist ungewiss, ob es tatsächlich im neuen Jahr kommt. Von Luis Babst

Würde Tom Tykwer seinen Kultfilm "Lola rennt" von 1998 heutzutage drehen, würde Lola durch Prag rennen statt durch Berlin. Es wird wenig gedreht in ganz Deutschland, das Studio in Babelsberg steckt in der Krise. Gefilmt wird dagegen in Tschechien oder Spanien, denn dort sind die Produktionskosten niedriger und die Förderungen deutlich höher.

Seit drei Jahren arbeitet die deutsche Filmbranche mit der Bundeskulturbeauftragten an einem neuen besseren Gesetz, das unter anderem die Fördermittel anhebt. Kurz vor der Verabschiedung kam nun der Bruch der Ampel-Koalition. Die Branche bangt, dass sie ab dem 1. Januar ohne einen Cent vom Bund dastehen könnte. Denn das aktuelle Filmfördergesetz (FFG) läuft Ende dieses Jahres aus.

Im Internationalen Vergleich ist Deutschland abgehängt

Ein neues reformiertes Filmförderungsgesetz ist dringend notwendig. Anfang dieser Woche bekam etwa die deutsche Serie "Liebes Kind" in New York einen internationalen Emmy - eine der renommiertesten Auszeichnungen für TV-Produktionen, die außerhalb der USA produziert wurden. Ein bedeutender Erfolg für die Serie und für eine der wichtigsten deutschen Produktionsfirmen Constantin Film. Ihr Chef Oliver Berben weiß aber, dass Deutschland momentan auf dem Filmmarkt, wie er sagt, "nicht wettbewerbsfähig" ist. Man könnte auch sagen: Deutschland hat den Anschluss verloren.

Denn im internationalen Vergleich fällt Deutschland weit ab. "Wir befinden uns in Europa nicht einmal im oberen Drittel der Fördermengen", beklagt Martin Heisler, der in Berlin als Produzent arbeitet. Durch die geplante Novelle der Filmförderung würde Deutschland keine Vorreiterrolle in Europa einnehmen, hebt er noch einmal hervor. Es sei das Minimum, um wieder auf Augenhöhe mit Ländern wie Frankreich und Italien zu sein. Denn dort gibt es bereits Steueranreize und Investitionsvorgaben, die in Deutschland noch fehlen. Das neue FFG ist also bitter nötig.

Wir befinden uns in Europa nicht einmal im oberen Drittel der Fördermengen.

Produzent Martin Heisler

Produktionen werden ins Ausland verlagert

77 Prozent der Produktionsunternehmen schätzen die wirtschaftliche Lage in Deutschland schlecht bis sehr schlecht ein. 70 Prozent aller Unternehmen haben angekündigt, ihre Produktion ins Ausland zu verlagern, um dort die besseren Förderbedingungen zu erhalten. Das geht aus der am 28. November veröffentlichten Herbstumfrage der Produktionsallianz hervor.

Dabei hat Deutschland durchaus Orte mit internationaler Strahlkraft. Das Studio Babelsberg in Potsdam, das einst Hollywood den Rang ablaufen wollte, ist mit seiner historischen Bedeutung und seiner neuesten technischen Ausstattung ein Aushängeschild der deutschen Filmlandschaft. Dort wurden in den vergangenen Jahren internationale Blockbuster wie "Matrix Resurrections" (2021) oder "Uncharted" (2022) gedreht. Jetzt bleiben die Aufträge aus. Auch hier hoffen alle auf die Reform, die die Filmwirtschaft wieder ankurbeln soll.

- Carrie-Anne Moss als Trinity und Keanu Reeves als Neo in einer Szene des Films «Matrix 4 - Resurrections". (Quelle: dpa/Warner Bros.)Auch in Babelsberg gedreht: "Matrix 4 - Resurrections"

Berlin habe grundsätzlich Glück, meint Martin Heisler, die Stadt sei attraktiv für Produktionsfirmen. Hier lassen sich sehr viele gut ausgebildete Leute finden. Wenn das neue Filmfördergesetz allerdings nicht kommen sollte, sieht es auch für das filmwirtschaftliche Herz Deutschlands schlecht aus. Viele Arbeitskräfte verlassen jetzt schon das Land oder die Branche. Denn nicht nur Hollywood lässt den Filmstandort Deutschland links liegen. Auch deutsche Produktionen verlassen immer häufiger das Land. Wie zuletzt bei dem vierfach Oscar-gekrönten Film "Im Westen nichts Neues" von Edward Berger, der vor allem in Tschechien gedreht wurde.

Tom Holland als Nathan Drake und Sophia Taylor Ali als Chloe Frazer in einer Szene des Films "Uncharted" (undatierte Filmszene).
Studio-Babelsberg Co-Produktion "Unchanged" mit Tom Holland | Bild: dpa/Sony Pictures Entertainment

Neues Filmfördergesetz soll Standort Deutschland attraktiv machen

Das neue Filmfördergesetz soll nun Abhilfe schaffen. Das FFG möchte es den Ländern, in denen jetzt vor allem gedreht wird, gleichtun und damit den Filmstandort Deutschland wieder attraktiv machen. Dabei setzt es vor allem auf die zwei Mechanismen, die in vielen anderen europäischen Ländern schon eingesetzt werden: Zum einen soll es Förderungen im Umfang von 30 Prozent der Produktionskosten geben - internationaler Standard. Zum anderen sollen Streamingdienste und Sender, die in Deutschland agieren, dazu verpflichtet werden, einen Teil ihrer Einnahmen, wieder ins System zu speisen. Also das Geld in Deutschland für deutsche Filme auszugeben, wie es bereits in Frankreich und Spanien der Fall ist. In der Schweiz heißt das System "Lex Netflix".

Kann die Förderung durch den Bund ganz entfallen?

Momentan gäbe es in Deutschland einfach keine Planungssicherheit, erklärt Oliver Berben von Constantin Film. Die Planungsphase für große Filmproduktionen kann sich auf mehrere Jahre belaufen. Doch in Deutschland ist nicht einmal sicher, wie es um die Filmförderung in fünf Wochen steht. Denn wenn das neue Gesetz nicht bis Jahresende verabschiedet wird, gibt es ab dem 1. Januar 2025 gar keine Filmförderung des Bundes mehr.

Die Allianz Deutscher Produzenten Film und Fernsehen hat nach dem Bruch der Ampelkoalition an die Politik appelliert, das geplante Filmförderungsgesetz schnell zu beschließen. Geschäftsführer Björn Böhning sagte in der rbb24 Abendschau, er hoffe, dass alle Fraktionen im Bundestag sich einen Ruck geben, um die Reform noch vor Weihnachten beschließen.

Auch die Bundeskulturbeauftragte Claudia Roth hofft weiterhin, dass das Gesetz kommen wird. Sie hat drei Jahre lang mit der deutschen Filmbranche an der Novellierung gearbeitet. Die Vorhandlungen hätten so lange gedauert, weil man kein "Reförmchen" wollte, sondern die "größte Filmförderreform der vergangenen 20 Jahre", bekräftigt Roth im Gespräch mit dem rbb. 120.000 Arbeitsplätze in Deutschland seien davon abhängig. Ihre Behörde arbeite fieberhaft daran, dass das Gesetz in den kommenden Wochen noch im Bundestag besprochen wird.

Eigentlich sind sich also alle einig: Es braucht das neue Filmfördergesetz. Doch ob es noch in diesem Jahr den parlamentarischen Prozess durchlaufen wird, ist weiterhin ungewiss. In der Vergangenheit gab es immer wieder Gegenwind aus den Bundesländern und auch aus der Filmbranche. Jetzt müssen alle ein letztes Mal an einem Strang ziehen.

Sendung: rbb24 Abendschau, 01.12.2024, 19:35 Uhr

Beitrag von Luis Babst

20 Kommentare

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  1. 20.

    Es kann aber nicht sein, das da alles mit Steuergeld gefördert wird, egal was dabei rauskommt mit dem Augenmerk die Leute zu beschäftigen.
    In vielen deutsche geförderten Filmen scheinen ausschließlich Laiendarsteller beschäftigt zu sein, die sich an Stelle von Dialogen irgendetwas zurecht nuscheln, so als hätte unser Till sämtliche Rollen synchronisiert. Auf diese Art von Filmen kann die Welt getrost verzichten und der Steuerzahler auch.

  2. 17.

    Ich finde deine Meinung nicht passend. Matrix 4 hat so viele Jobs generiert und auch zu eine Zeit wo kaum Jobs gab. Daher denkt lieber 2mal, plus die Geschichte dahinter muss berücksichtigt werden.

  3. 16.

    Also Matrix 4 war nicht wirklich gut, hätte man sich sparen können.

  4. 15.

    Bei uns sieht es leider auch mit Filmförderung düster aus. Was ist Dennis den letzten 19 Jahren an vernünftigen Filmen auf den Markt gekommen? Sehr übersichtlich würde ich sagen, unabhängig vom Filmgeschmack natürlich.

  5. 14.

    Wenn’s denn mal so einfach wäre, so wie Sie behaupten. Waren Sie je bei einem Filmdreh dabei? Ich kann dies mit ja beantworten. Als der Film: Christiane F. Wir Kinder vom Bahnhof Zoo gedreht wurde, stand auch der Berliner Senat voll und ganz dahinter. Allesamt am Set waren Laiendarsteller ( außer David Bowie u.was viele nicht wissen, er hat auf eine Gage verzichtet), die Bezahlung war angemessen u.nicht überzogen.
    R.W. Fassbinder hatte mit: „Berlin Alexanderplatz“ sogar in den USA Erfolg. Dort lief er mit Untertitel auf deutsch. Die Liste ließe sich fortsetzen. Zudem sind wir hier nicht in Hollywood. Dort haben im übrigen vor nicht langer Zeit auch Autoren zusammen mit Schauspieler/ innen gestreikt. Nochmal, ohne die Filmförderung sähe es düster aus in Deutschland.

  6. 13.

    Nee,nee,nee sonst haben Sie keine Probleme? „Lola rennt“ hat es zu Weltruhm geschafft. Ohne Filmförderung würde es gerade bei uns in Deutschland finster aussehen. Noch mehr gute Schauspieler/innen müßten sich mit synchronisieren von ausländischen Filmen ihr Brot verdienen.
    Daher, Finger weg von der Filmförderung.

  7. 12.

    Sie müssen unzählige Kriterien beachten, die CO2-Bilanz ist wichtig, man muss Akkus verwenden anstatt Batterien, selbst das Klopapier am Set muss 90% Altfaseranteil enthalten. Kein Witz.

  8. 11.

    Was Frau Roth nicht sagt ist, dass ohne Filmförderung gar nichts läuft und Formulare ausgefüllt werden müssen, mit Kriterien die die künstlerische Freiheit einschränken können? Nur die gewollten Rollenbesetzungen mit einer ganz bestimmten Sichtbarkeit der Hauptfiguren in gehobener Stellung und Bildung incl. der Ethnie...Das Ergebnis kann im öffentlichen Samstagabendfilmen bestaunt werden. Den Machern ist das wirklichkeitsfremde Verhältnis selbst ein Dorn im Auge. Der Widerstand wächst. Die neue Regierung kann es besser machen...
    Und die Schauspieler auch: Sprache ist verstehen und schnelles Nuscheln wirkt arrogant.

  9. 10.

    Es liegt ja nicht einmal da dran, dass die Kameraführung schlecht ist. Aus irgendeinem Grund ist es in Deutschland total in Ordnung in Filmen "Dialoge improvisiert" wirken zu lassen. Schaut man sich eine erfolgreiche Serie aus dem Ausland an, die syncronisiert wurde, bemerkt man schnell, dass dort jeder Dialog wahrscheinlich durchdacht und von Schreibern entwickelt wurde.
    Vielleicht können die Schauspieler sich keine langen Dialoge merken. Vielleicht müssen sich die Schauspieler selbst syncronisieren. ;)

  10. 9.

    Sehe ich das richtig? In Deutschland gibt es Filme nur mit Filmförderung? Wie macht Hollywood das denn? Da sind die Gagen usw. viel höher und dennoch geht es ohne Filmförderung? Weil der Markt größer ist? Oder weil die Filme sich international besser verkaufen lassen? Was läuft hier schief?

  11. 8.

    Solche sogenannte Entertainment wie im Bild (Pistole auf den Betrachter gerichtet!!) ist wirklich ganz unnöthig.

  12. 7.

    Tja in Deutschland gehört sicherlich die Hälfte der Filme abgeschafft und das ist absolut ok so. Die deutsche Filmbranche bleibt under dem der Welt. Also für mich kein Verlust. Die Finanzierung guter Filme muss ohne Förderung durch den Staat auch stattfinden können.

  13. 6.

    Diese Filmförderung sollte gestrichen werden, es bringt doch nichts wenn dadurch Projekte finanziert werden, die es nie aus dem Umfeld der angehenden Künstler heraus schaffen. Stattdessen sollten sich diese Leute auf MainStream Themen beschränken und es damit zu Erfolg bringen. Wenn sie genügend Kapital erwirtschaftet haben, können sie davon eines ihrer Herzensprojekte finanzieren und das Publikum darüber entscheiden lassen. Das ist aus meiner Sicht besser als viele Filme zu fördern, die eigentlich niemand sehen will und das ganze dann Kunst zu nennen. Das wäre das gleiche wie einen Maler zu fördern, von dem man mit Sicherheit weiß, das er niemals ein Bild verkaufen wird. Denn was Kunst ist, entscheidet immer noch der Konsument.

  14. 5.

    Deutsche Filme sind in ihrem zugrundeliegenden politisch korrekten Erziehungsauftrag zu plump und zu billig, oft mit in Billigserien "verbrannten" Schauspielern. Und was Claudia Roth fördert ...

  15. 4.

    Ich finde es toll, dass jeder der nicht wirtschaftlich arbeitet, nach Geld schreien und es ggf bekommen kann. Egal, wie stark gespart werden muss.
    Wenn das System nicht stimmt, und Gelder die für Streaming Dienste fließen, nicht an die Produzenten gehen, muss dort tatsächlich nachgebessert werden.
    Aber eine Frage, wo werden die Filme und Serien produziert, für die ich GEZ zahlen darf?

  16. 3.

    So wie ich das verstanden habe, geht es hier weniger um wer (wir) was produziert, sondern um den Standort Deutschland und das Fördern, das bei uns gedreht wird.
    Vereinfacht: Nicht der Tatort aus Berlin soll gefördert werden, sondern Hollywood soll angeregt werden in Deutschland zu drehen.

  17. 2.

    1998. 2024. Dazwischen liegt mehr als ein viertel Jahrhundert. Das sich zwischenzeitlich auch in diesem Bereich was verändert, sollte einleuchten. Stillstand ist der Tod, Veränderungen bringen uns voran.

  18. 1.

    XD - Das Bild zeigt schon alles, man muss in DE Jahrzehntelang investieren, um 1-3 gute Filme zu bekommen...

    Also Weg mit Deutscher Filmförderung!

    P.S. Ja, ich verstehe das Filmemachen, Bühnenbau, Schauspielerrei, etc tolle Berufe sind, aber Deutsche Filme sind überwiegend Schrott, und oft ist das DE schon ein Ausschlusskriterium. - Selbst wenn man nicht weis, das ein Film aus DE kommt, denkt man nach paar Minuten, hmm, der ist irgendwie komisch, und wenn man dann schaut, ah DE, deshalb, und schaltet ab :)

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