Landgericht Potsdam - Krebsmedikamente aus unklarer Quelle: Prozess im Lunapharm-Skandal beginnt

Die Firma Lunapharm aus Teltow-Fläming soll Krebsmedikamente in Umlauf gebracht haben, die in Deutschland nicht hätten angeboten werden dürfen. Am Mittwoch beginnt im Landgericht Potsdam der Prozess gegen drei Angeklagte. Von Lisa Steger
Die Arzneien kamen aus Griechenland und hätten dort auch bleiben müssen. Doch es kam anders: Jahrelang soll Lunapharm, eine Firma in Mahlow im Kreis Teltow-Fläming, die Krebsmedikamente aus Griechenland bekommen haben – gegen das deutsche Arzneimittelgesetz.
Raffinierte Geschäfte mit hohem Gewinn
Drei Angeklagte müssen sich jetzt im Landgericht Potsdam verantworten. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft lautet: gewerbsmäßiger Handel mit gefälschten Medikamenten. Die Geschäftsführerin von Lunapharm soll der Staatsanwaltschaft zufolge zwischen Mai und Juni des Jahres 2017 Medikamente über eine griechische Apotheke bezogen haben, obwohl diese Apotheke keine Erlaubnis gehabt habe, einen Großhandel zu betreiben, heißt es in der Presserolle des Landgerichts.
Die Lunapharm-Chefin soll die Krebsmedikamente in Deutschland vertrieben haben. Ein Jahr später verboten Behörden den Handel, teilt das Landgericht Potsdam mit. Doch die Apotheke lieferte weiter, so das Landgericht. Und zwar bis zum Juli 2018. Nun aber über Rechnungen eines Großhändlers aus Zypern. Auch gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft. Er steht aber in dem aktuellen Prozess nicht vor Gericht.
Mit solchen Geschäften soll die Managerin mehr als eine Million Euro erwirtschaftet haben, so das Landgericht Potsdam.
Mit ihr zusammen angeklagt sind der Apotheker aus Griechenland und ein Rechtsanwalt. Die Vorwürfe wiegen schwer. "Es drohen Haftstrafen von einem bis zehn Jahren", erklärt Viktoria-Sophie Eberlein, Sprecherin des Landgerichts.
Seit Ende 2019 liegt die Anklage dort. Doch der Prozess, so Eberlein, konnte nicht früher beginnen. "Es ist ein sehr komplexes und umfangreiches Verfahren", sagt die Sprecherin. "Zudem hatte die Kammer viele Verfahren, in denen Angeklagte in Untersuchungshaft oder in der Gerichtspsychiatrie waren." In solchen Fällen müssen Prozesse zügig beginnen, in der Regel nach sechs Monaten, sonst muss der Angeklagte freigelassen werden. Hier war es anders: "Die Angeklagten waren nicht in Untersuchungshaft." Und daher mussten sie warten.
Wirkungslos oder gefährlich waren die Arzneien mutmaßlich nicht. Dennoch ist das, was die drei Angeklagten getan haben sollen, strafbar, "weil der Gesetzgeber den Handel mit gefälschten Medikamenten unter Strafe stellt", sagt Eberlein.
Gesundheitsministerin hatte nichts mitbekommen
Wegen des Skandals trat im August 2018 die damalige Brandenburger Gesundheitsministerin Diana Golze (Linke) zurück. Denn das ARD-Magazin "Kontraste" hatte berichtet, dass das Golze unterstellte Landesgesundheitsamt frühzeitig von den Ungereimtheiten wusste, aber nicht einschritt. Golze konnte das nicht ausräumen.
Die studierte Sozialpädagogin hatte keine Erfahrung im Gesundheitswesen, als sie Ende 2014 Gesundheitsministerin wurde [bundestag.de]. Nach dem Studium war sie sechs Jahre lang Mitarbeiterin zweier Landtagsabgeordneter gewesen. Danach hatte sie neun Jahre lang im Bundestag gesessen. Das Mandat hatte sie über die Linken-Landesliste gewonnen.
Über Wochen hinweg wehrte sich Diana Golze gegen einen Rücktritt. Als die Vorwürfe durch das ARD-Magazin "Kontraste" bekannt wurden, erklärte sie: "Ich bin ehrlich entsetzt und entschuldige mich auch, dass wir das nicht verhindern konnten." Ihr Anliegen sei es, die Missstände aufzuklären. "Und das werde ich auch tun."
Da zunächst der Verdacht im Raum stand, die Krebsmedikamente seien wirkungslos gewesen, sorgten sich viele Schwerkranke, dass ihre Behandlung aussichtslos sein könnte. Das Ministerium richtete eine Hotline ein, eine Ärztin beantwortete Fragen. Nonstop klingelte das Telefon.
Der eine Schritt zu weit
Doch Golze wollte den Verdacht, untätig geblieben zu sein, wegwischen. Sie zeigte zwei ihrer Mitarbeiter wegen Korruptionsverdachts an; viele hatten den Eindruck, dass sie versuchte, sich als Opfer unzuverlässiger Mitarbeiter darzustellen. Es war vergebens. Die Staatsanwaltschaft Neuruppin sah keinen Anfangsverdacht gegen die beiden Mitarbeiter. Ein Ermittlungsverfahren leitete sie nicht ein.
Von da war Golze nicht mehr zu halten, Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) rückte von ihr ab. "Es kann sein, dass Ende August das Kabinett nicht mehr so aussieht wie heute", teilte er mit. Kurz darauf legte Diana Golze das Amt der Gesundheitsministerin nieder.
Seither ist es ruhig um die Linken-Politikerin geworden. Sie ist aber noch in der Kommunalpolitik aktiv, sitzt im Kreistag des Havellandes und führt die Stadtverordnetenversammlung in Rathenow.
Die Firma Lunapharm darf seit Anfang 2019 keine Medikamente mehr herstellen oder damit handeln; das Landesgesundheitsamt hat dies verboten. Der Skandal aus dem Jahr 2018 hatte Folgen für die ganze Bundesrepublik, denn der Bundestag hat die Arzneimittelgesetze verschärft. Unter anderem haben die Bundesbehörden seitdem mehr Rechte, um den Vertrieb zu überwachen.
In dem nun anlaufenden Prozess sind vorerst 20 Termine angesetzt. Ein Urteil könnte das Landgericht Potsdam im März 2024 verkünden.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 11.10.2023, 19:30 Uhr