Hohe finanzielle Eigenanteile - Pflegende Angehörige in der Armutsfalle

Mo 27.05.24 | 14:24 Uhr | Von Christina Fee Moebus
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Symbolbild: Private Pflege eines Senioren von Angehörigen. (Quelle: imago images/Grabowsky)
Audio: rbb24 Inforadio | 27.05.2024 | Christina Fee Moebus | Bild: imago images/Grabowsky

Pflegebedürftig zu sein, ist nicht nur für die Betroffenen belastend, sondern auch für die Menschen, die sie betreuen. Jeder fünfte pflegende Angehörige ist armutsgefährdet, bei pflegenden Frauen sogar jede vierte. Die Politik ist gefordert. Von Christina Fee Moebus

  • pflegebedürftig zu sein, bedeutet immer höhere finanzielle Belastungen für Betroffene und Angehörige
  • 85 Prozent aller Berliner sowie 87 Prozent aller Brandenburger Pflegebedürftigen wurden im Jahr 2021 zu Hause versorgt
  • mehrheitlich kümmern sich Frauen um Bedürftige
  • Vereinbarkeit von Pflege und Beruf ein großes Problem - insbesondere für Frauen

Früher ist Kathrin Krenz gern verreist oder hat sich mit Freundinnen und Freunden getroffen. Zeit dafür bleibt im Alltag zwischen Pflege und Berufsleben heute für die 49-Jährige kaum mehr. Zusammen mit ihrem Partner kümmert sie sich um den gemeinsamen Sohn Max. Er ist Autist. Dazu wurde eine geistige Behinderung festgestellt. Mit seinen zwölf Jahren sei Max auf dem geistigen Entwicklungsstand eines Kleinkindes. Der Junge braucht noch Windeln. Er kann auch nicht - wie andere Kinder in seinem Alter - alleine draußen spielen.

"Es ist eine Doppelbelastung, die nicht aufhört", sagt die Sonderpädagogin aus dem brandenburgischen Bad Belzig. Das sei anstrengend.

Kathrin Krenz versucht, den schwierigen Spagat zwischen Job und Pflegealltag so gut es geht zu managen. Sie arbeitet Teilzeit, pendelt für ihre Arbeit an einer Schule mehrmals die Woche nach Berlin. Ein Leben am Rande der Belastbarkeit – auch finanziell. Ihr Sohn wurde in Pflegegrad Vier eingestuft. Daher hat er Anspruch auf etwa 750 Euro im Monat. "Das steht in keinem Verhältnis zur Arbeit, die man hat", sagt Krenz.

Bürokratischer Aufwand für Hilfeleistungen ist hoch

Es gibt zwar diverse Zusatzleistungen, die ihr beziehungsweise ihrem Sohn zustünden. Für eine Freizeit- oder Schulassistenz etwa, für Pflegehilfsmittel oder eine Tages- und Nachtpflege. Allerdings müssen diese Hilfen oft gesondert beantragt werden. Anträge ausfüllen, sich informieren, zu Ämtern gehen – das sei neben der Arbeit und der Pflege im Alltag meist nicht leistbar, sagt Krenz.

Vielen pflegenden Angehörigen geht es ähnlich. Etwa 85 Prozent aller Berliner sowie 87 Prozent aller Brandenburger Pflegebedürftigen wurden im Jahr 2021 zu Hause versorgt. Es gibt viele unterschiedliche Pflegekonstellationen – etwa durch Angehörige mit und ohne Unterstützung von ambulanten Pflegediensten, Pflege-Wohngemeinschaften und ähnliches. Knapp 190.000 Menschen in Berlin und Brandenburg wurden allein von ihren Angehörigen versorgt.

In der Mehrheit sind es Frauen, die sich um die Bedürftigen kümmern. Aber auch Söhne, Enkelkinder, die ihre Großeltern betreuen, und – wie im Fall von Kathrin Krenz – Eltern, die gemeinsam ihre Kinder pflegen. Angehörige stellen für die häusliche Pflege oft die eigene Erwerbsarbeit zurück. Unter anderem auf Kosten von Einkommen und gegebenenfalls auch Rentenansprüchen – eine große emotionale und finanzielle Herausforderung.

Petra Kather-Skibbe berät Angehörige zu Vereinbarkeit von Beruf und Pflege beim Berliner Verein Kobra. Überwiegend kommen Frauen zwischen 40 und 60 Jahren zu ihr.

Viele pflegende Angehörige seien überfordert, aber suchten sich erst Unterstützung, wenn sie an ihre Grenzen kämen, sagt sie.

Kathrin Krenz. (Quelle: rbb)
Pflege und Beruf unter einen Hut bringen - Kathrin Krenz | Bild: rbb

Ein eigener Pflegelohn für Angehörige

Manche der Menschen, die Kather-Skibbe berät, zahlen hohe Eigenanteile für die Pflege, erzählt sie. Gut und gerne auch mal 2.000 Euro monatlich. Zum Beispiel, wenn mehrmals täglich ein ambulanter Pflegedienst kommt, um eine körperlich eingeschränkte Person mit einem mittelhohen Pflegegrad zuhause zu unterstützen.

Jede Pflegesituation ist allerdings individuell unterschiedlich.

Die finanzielle Belastung hat trotz gestiegener Leistungen aus der Pflegeversicherung zugenommen. Das geht aus einer repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag des wissenschaftlichen Instituts der AOK hervor. Lag der mittlere Eigenanteil im Jahr 2019 noch bei knapp 200 Euro pro Monat, ist er mittlerweile auf jetzt 290 Euro im Monat gestiegen.

Petra Kather-Skibbe von Kobra empfiehlt pflegenden Angehörigen, sich an Pflege-Stützpunkte zu wenden, um sich genau über Hilfsangebote und mögliche Leistungen zu informieren. Außerdem fordert sie für Angehörige einen eigenen Anspruch auf Pflegelohn, um Verdienstausfälle, in Zeiten in denen nahestehende Menschen zuhause gepflegt werden, abgefedert werden können. Bei der erwähnten Forsa-Studie gaben die Befragten an, etwa 49 Wochenstunden für pflegende Tätigkeiten aufzubringen – etwa für Ernährung, Medikamentengabe, Körperreinigung. Das ist mehr als ein Fulltimejob neben der eigentlichen Erwerbsarbeit.

Verhandlung über geplante Pflegereform

Eine steuerfinanzierte, finanzielle Unterstützung für pflegende Angehörige fordert auch der BKK, der Dachverband der betrieblichen Krankenkassen. Außerdem müssten die finanziellen Hilfen, die bisher verfügbar sind, besser gebündelt werden, um den Leistungsdschungel in den Griff zu bekommen, sagt Anne-Kathrin Klemm, Vorständin des BKK.

"Es braucht zum Beispiel in einer bestimmten Situation ein Entlastungspaket, und dafür gibt es ein Budget und der Pflegebedürftige und der Angehörige entscheiden dann selbst, was sie aus diesem Paket brauchen und benötigen."

In der Ampelkoalition wird derzeit über die geplante Pflegereform verhandelt. SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach signalisierte zuletzt, dass auch er sich für weitere Verbesserungen für die häusliche Pflege einsetzen will. Fraglich bleibt dabei aber die Finanzierung. Die FDP möchte an der Schuldenbremse festhalten. Die Kosten für Pflege steigen generell und die Zahl der Menschen, die Unterstützung brauchen, nimmt zu. Die Betriebskrankenkassen warnen vor einem Finanzloch in der Pflegeversicherung: Für 2025 werde ein Minus von 4,4 Milliarden prognostiziert.

Kathrin Krenz zahlt weiterhin vieles aus den eigenen Rücklagen für ihren pflegebedürftigen Sohn. Oft fühle sie sich an der Belastungsgrenze, sagt sie. Sie denkt darüber nach, ihren Sohn Max in eine betreute Wohngruppe zu geben. Um wieder mehr arbeiten zu können, aber auch um hin und wieder "Zeit zum Durchatmen" zu haben. Eine kurzfristige Lösung für Menschen wie Kathrin Krenz und ihre Familie ist politisch nicht in Sicht.

Sendung: rbb24 Inforadio, 27.05.2024, 06:45 Uhr

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Beitrag von Christina Fee Moebus

82 Kommentare

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  1. 82.

    100% richtig. Vom Pflegegeld fahre ich nicht in den Urlaub oder kaufe mir Designertäschchen. In vielen Monaten buttern wir das PG dahin, wo die Kasse nicht übernimmt. Viele haben viel Meinung gepaart mit großer Ahnungs- und Empathielosigkeit, denn sie begreifen nicht, dass wir z.T. Fulltime pflegen plus Job und eigener Familie, dabei die Pflegeeinrichtungen und den Steuertopf extrem entlasten.
    Das ist Deutschland 2024.
    Beschämend.

  2. 81.

    Genau dafür sind Ersparnisse da. Sind diese aufgebraucht, so springt der deutsche Wohlfahrtsstaat ein. Sein eigenes Geld auf der hohen Kante belassen und sich vom Staat alimentien lassen läuft nicht.

  3. 79.

    Diese Ersparnisse sind innerhalb kürzester Zeit verbraten.
    Ich wünsche es Ihnen nicht, aber ein Realitätscheck mit etwas mehr Empathie stünde Ihnen gut zu Gesicht.

  4. 78.

    Ich finde, daß Pflegepersonen schon damit geholfen werden kann, wenn Sie Arzttermine für sich selbst bekommen , Aufnahmestopp, und nicht 3 Stunden trotz Termin warten müssen.

  5. 77.

    Das ist eine absolute Katastrophe, da stimme ich Ihnen vollkommen zu.
    Ein System, dass so mit Pflegebedürftigen und den pflegenden Angehörigen umgeht, gehört abgeschafft.
    Pflegende Angehörige halten uns in den Kliniken quasi die Betten frei, die wir schon längst nicht mehr zur Verfügung stellen können.

  6. 76.

    Das ist schon ein wirklich durchdachter Satz. Werden Sie den auch anwenden, wenn Sie selber mal im Krankenhaus liegen?
    Wir müssen Sie nicht versorgen, so ist das nicht, Ethik hin oder her.

  7. 75.

    Wenn das so einfach wäre? Ein kranker Mensch oder Pfegebedürf tige haben ganz einfach nicht die Kraft dazu auf die Straße zu gehen. Auch wird Pflege nicht aus dem Steuertopf bezahlt sondern durch die Versicherungsbeiträge aller Versicherten, mit einigen Ausnahmen, wie in einigen Kommentaren erklärt wird.

  8. 74.

    Ich habe immer alles für meine Tochter gegeben. Und nun wo sie 17 ist und auch mal alleine bleiben kann muss ich meine Eltern bekochen. Keiner hilft mir...
    Wieviel würden Sie mir zahlen?

  9. 73.

    Ja, die Bürokratie" der ganz normale Wahnsinn". Wie können Versicherungsgelder wirklich vor Betrug geschützt werden?
    Betrug auf vielen Ebenen. Jedes neue Gesetz hat neue Lücken. Das ist für kriminelle Energie ein richtiger Sport geworden. Und die Kontrollen sind lasch und Betrug wird spät aufgedeckt. Das ist nur ein Punkt, viele andere kommen hinzu



  10. 72.

    Wer von der Pflege der Ehefrau beziehungsweise des Ehemannes, noch nicht ganz finanziell, aber aus gesundheitlichlichen Gründen den Partner im Pflegeheim unterbringen muss, der wird dann von diesem "Sozialstaat" so richtig fertig gemacht. Monatlich 3. 500 bis über 4000 € aufzubringen ist für die wenigsten ein Pappenstiel. Man muss sich bis auf 10.000 € Schonvermögen in die absolute Altersarmut treiben lassen. Das oft mühsam ersparte Geld oder Haus wird enteignet. Hätte man nie gearbeitet beziehungsweise sein Geld verprasst, hätte man am Ende gleich viel. Fazit: Arbeit lohnt sich nicht. Ein Hohn.

  11. 70.

    Man hängt an überholten Geschlechterrollenbildern, wenn man Frauen zunächst in Erziehungsaufgaben drängt und alle Anforderungen v.a. ihnen auflastet und wenn bzgl. Pflege im Alter später Ähnliches erneut passiert. Stets sollen Frauen den Mangel an sozialer Daseinsvorsorge bewältigen. Dass sie die Hauptlast aller Care-Arbeit tragen und diese zu fast 90% komplett unbezahlt wird, ist kein Geheimnis - und doch passiert nichts. Keine Gleichstellung, keine vernünftige Bezahlung im Pflegeberuf bzw. Aufwandsentschädigung für häusliche Pflege, keine Berücksichtigung der besonders herausfordernden Lebensumstände. Es ist eine Individualisierung gesellschaftlicher Probleme. Behörden sind ein zusätzliches Problem: 95% ohne weitere Beratung bzgl. weiterer Rechtsansprüche trotz Beratungspflicht, hohe Ablehnungsquoten (ca. 41% bei KK), lange Bearbeitungsdauer bei Sozialämtern (halbes bis über ein Jahr) und eine autoritäre Kultur, die im Machtgefälle aus Anspruch- Bittsteller*innen macht.

  12. 69.

    Nun gut, da hatte aber eine Wohnung auch nicht x-hundert Ostmücken gekostet. Was Sie gerne erklären könnten, wieso sich die DDR-Oberen gefreut haben, daß Rentner ausgereist sind. Da mir dieser Aspekt nicht bekannt war & ist, wäre eine Erklärung gut. Ernsthafte Frage.

  13. 68.

    Eine ernstzunehmende Meinung kann man nur dann wirklich haben, wenn man den Zusammenhang des Themas wenigstens grundlegend versteht. Bereits daran scheint es bei Ihnen doch in erheblichem Maße zu fehlen. Insofern ist das, was Sie hier äußern, kein Meinungsbeitrag. Das hier dient für Sie lediglich dem Frustrationsabbau.

  14. 67.

    " auf Faktenbasis "

    "dennoch zu den 20 führenden Staaten im Wirtschaftsranking zählte"

    Ja, dieses Märchen von der Wirtschafts-Lokomotive DDR habe ich in meiner Schulzeit auch regelmäßig ertragen müssen. Ein Blick aus dem Schulfenster zeigte jedoch die traurige, graue, luftverschmutzte Realität. Im PA-Unterricht sahen wir Schüler ebenso, dass die Realität doch eine ganz andere war. Während meiner Schulzeit war die DDR sogar schon in den Top-5. Na ja, die Urban Legends und Internet-Hoaxes sind auch immer die selben Märchen, nur mit unterschiedlichen Akzenten.

  15. 66.

    Wow! Das gewinnt ja wohl den Preis des sinnlosesten Kommentars der Woche und das gleich am Montag. Selbst zum Lesen reicht es heutzutage bei einigen nicht mehr.

  16. 65.

    Leute, bitte hört auf, hier so einen Schwachsinn zu verbreiten. Ein Haus in angemessener Größe zählt durchaus zum Schonvermögen. Also hört auf zu heulen, von wegen absolute Altersarmut.

  17. 64.

    "Was den Zustand von Pflegeheimen und Wohnungen in der DDR anbelangt, dürfen sie sich auch fragen wer die Kriegsreparationen im wesentlichen alleine bezahlt hat und dennoch zu den 20 führenden Staaten im Wirtschaftsranking zählte. Die Kosten des kalten Krieges sind da noch nicht einberechnet. "

    Lassen sie mich raten: sie feiern gern den 07.10.2024.

  18. 63.

    ich habe meine argumente vorgetagen. ich kann nichts dafür, dass sie andere Argumente nicht annehmen und nur ihre alte, verklärte Sicht der Dinge zulassen. Allein schon, dass sie immer von "BRD" schreiben, spricht für sich...

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