Grießen und Taubendorf - Der erste Sommer ohne Kohlebagger

Di 20.08.24 | 14:44 Uhr | Von Aspasia Opitz
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Vogelblick auf Grießen und dahinter den Tagebau Jänschwalde (Foto: rbb)
Video: rbb24 Brandenburg Aktuell | 14.08.2024 | Aspasia Opitz | Bild: rbb

Ein Leben an der Tagebaukante war für die Einwohner von Grießen und Taubendorf jahrzehntelang Realität, inklusive quietschenden Kohlebaggern und Dreck. Seit diesem Jahr ist die Kohleförderung vorbei - besteht nun ländliche Idylle? Von Aspasia Opitz

"Sand überall, Dreck ohne Ende". Manche Einwohner des 100-Seelen-Dorfes Taubendorf im Spree-Neiße-Kreis sind, gelinde gesagt, sauer. So auch Erika Kronke. Der Tagebau Jänschwalde ist seit über einem halben Jahr Geschichte - doch die sandige Beeinträchtigung ist geblieben. Wenn der Wind aus südwestlicher Richtung weht, fliegt einiges aus der ehemaligen Tagebaugrube heraus.

Zusammen mit ihrer Schwester Helga Richter steht sie am Gartenzaun. "Du hast die Dachrinne machen lassen, nicht?" Sechs Eimer Sand habe sie aus der Dachrinne rausgeholt, berichtet Richter. Und wenn sie das Küchenfenster über Nacht geöffnet habe, sei am nächsten Morgen Sand auf dem Tisch. "Man muss es ja so hinnehmen", sagt Kronke. Was soll man machen?"

Ein Schaufelradbagger im Tagebau Jänschwalde (Foto: rbb)
Nichts mehr zu tun: Ein Schaufelradbagger im Tagebau Jänschwalde | Bild: rbb

Fast 50 Jahre Tagebau

Taubendorf liegt direkt am Rand des ehemaligen Tagebaus Jänschwalde. Jahrzehntelang lebten die Menschen in direkter Nachbarschaft zur Grube, Baggerquietschen und Dreck inklusive. Nach knapp 50 Jahren Kohleförderung war im Dezember 2023 endgültig Schluss mit dem Tagebau. Doch Dreck und Staub sind den Menschen geblieben, berichten sie.

"Das ist alles Sand hier oben, der durch die Luft weht, total braun alles", zeigt Werner Rogosky auf einem Handyfoto. Die Anwohner sprechen von Sandstürmen wie in der Sahara. "Man merkt es in den Augen, das fängt an zu reiben", berichtet Manfred Quaal. Außerdem knirsche der Sand an den Zähnen.

Sand in der Luft von Taubendorf (Foto: privat)
Foto von Werner Rogosky aus Taubendorf | Bild: privat

Das wird voraussichtlich auch noch eine ganze Weile so bleiben. Die Kippenflächen und Randbereiche müssen erst umfangreich rekultiviert und gesichert werden. Das dauert laut Tagebaubetreiber Leag einige Jahre. "Unter Nutzung der Tagebaugroßgeräte werden diese Erdbau-Arbeiten bis zum Anfang der 2030er Jahre andauern", heißt es in einer Antwort an den rbb.

Kein Gießwasser-Zuschuss mehr

Den Anwohnern stößt aber nicht nur der Dreck auf. Jahrelang hat die Leag den Gemeinden einen Zuschuss zum Gießwasser gezahlt, weil für den Tagebaubetrieb das Grundwasser abgepumpt wurde. Zum Bewässern der Gärten muss Leitungswasser genommen werden. Doch mit dem Ende des Tagebaus endete auch der Gießwasserzuschuss. "Sie bezahlen nichts mehr, aber pumpen noch ab", kritisiert Marion Bulda aus dem Taubendorfer Nachbarort Grießen.

Grund dafür ist, dass auch für die Rekultivierung das Grundwasser weiter abgesenkt bleiben muss, laut Leag bis in die 2040er Jahre. Das Bergbauunternehmen sieht das sogenannte "Wassergeld" jedoch als freiwillige Leistung. "Im Zuge des beschlossenen Kohleausstiegs durch die Bundesregierung hat die Leag ihre Planungen in allen Bereichen entsprechend angepasst. Dazu zählt unter anderem auch die Entscheidung zur Beendigung der Gießwasserbegünstigung."

Verbindungsstraße geplant

Ein weiteres Ärgernis ist aus Sicht einiger Anwohner nach wie vor die fehlende Anbindung an manche umliegenden Ortschaften, wie beispielsweise Peitz. "Es gab mal eine Straße, aber die wurde wegen des Tagebaus weggebaggert", berichtet Bernd Schulz aus Grießen. "Es sollte irgendwann eine neue kommen, bloß für uns, damit wir da rüberkommen."

Im Moment müssen die Grießener einen Umweg von circa 15 Kilometer nach Peitz fahren. Eine Straße durch den Tagebau ist im Abschlussbetriebsplan der Leag vorgesehen. Dieser wird gerade vom Landesbergamt geprüft und soll bis Dezember 2024 fertig sein.

In der Nacht: Ruhe

Immerhin: Die Nächte in Grießen und Taubendorf sind nun stiller. Die Geräuschkulisse aus dem Tagebau ist verstummt. Sie hatte Carmen Orbke, der Ortsvorsteherin von Grießen, den Schlaf geraubt. "So ein regelmäßiges Quietschen aufgrund der Loren", das sei teilweise nervtötend gewesen, erinnert sie sich. Es habe Nächte im Sommer gegeben, in denen sie trotz der Wärme ihre Fenster geschlossen hatte, "weil man es nicht mehr hören wollte und konnte."

Ein Großgerät im Tagebau Jänschwalde (Foto: rbb)

Das Leben an der Grubenkante hatte und hat zwei Seiten, meint Carmen Orbke. "Einerseits haben wir gut profitiert davon, dass wir Zuwendungen hatten." Andererseits sei da immer noch die sichtbare Staubwolke, die die Einwohner im Ort beeinträchtigt, sagt sie.

Wenn die letzten Abraumbagger im Tagebau Jänschwalde demontiert sind, sollen drei große Seen aus den verbleibenden Restlöchern entstehen - Heinersbrücker See, Jänschwalder See und Taubendorfer See. Dafür müssen "die Hohlformen hergestellt und die Böschungen zügig gesichert" werden, beschreibt die Leag die anstehenden Arbeiten auf ihrer Internetseite [leag.de].

Bis kein Sand mehr in die Dörfer weht, werden also voraussichtlich noch einige Jahre vergehen.

Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 20.08.2024, 19:30 Uhr

Beitrag von Aspasia Opitz

22 Kommentare

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  1. 22.

    Ich bin schon mehr als 60 Jahre Bürger der Bundesrepublik Deutschland.
    Aber was soll mein Rechtsverständnis mit den Hinterlassenschaften einer nicht weitsichtigen Energiepolitik zu tun haben?
    Die gewählte Methode der Abraumverbringung von " vorne nach hinten" scheint auch wieder nicht die klügste aber wohl die einfachste gewesen zu sein.

  2. 21.

    Und bitte vergessen Sie nicht die jahrzehntelangen Lärm- und Staubemissionen (Text gelesen?), Risse an Gebäuden auf Grund der Setzungen sowie die massiven C0²-Emissionen. Mit einem ernsthaften Zertifikatehandel würde niemand mehr Braunkohle fördern. Mit einem CO²-Ausstoß von 15,2 Mio. Tonnen verursachte das Kraftwerk Jänschwalde im Jahr 2021 zugleich die sechsthöchsten Treibhausgasemissionen aller europäischen Kraftwerke. (Quelle: https://ember-climate.org/insights/research/top-10-emitters-in-the-eu-ets-2021/)
    Im Übrigen weist die Lausitzer Braunkohle einen Wassergehalt von 50–60 % auf und muss vor der Verbrennung teils getrocknet werden.

  3. 20.

    Vole Zustimmung, allerdings werden Bergbaufolgelandschaften rekultiviert und nicht renaturiert.

  4. 19.

    Blüte ist wieder mit seiner ,,grünen Verbotspolitik'' unterwegs! Und immer noch derselbe? Gäähhn.

  5. 18.

    Fragen sie sich erstmal wo diese Massen herkommen sollen, schließlich fehlt das Kohlevolumen und die Aufschlussmassen sind bereits Teil der Landschaft. Am Ende bleibt immer ein Volumendefizit. Leider sprechen solche Ideen, wie viele andere Kommentare hier von einer riesigen Unwissenheit und die Damen und Herren vergessen, das diese Anlagen und allen (!) jahrzehntelang Energie liefern. Grundlast!

  6. 17.

    Welche Subventionen, sie sprechen wohl eher von der westdeutschen Steinkohle! Die Braunkohle trägt sich ohne Eingriffe auch sehr gut von selbst und liefert 24/7 Energie zu bezahlbaren Preisen. Die aktuelle Entwicklung liegt in einer vollkommen fehlgeleiteten Energiepolitik, über die die Welt lacht! Sie denken auch der Strom kommt aus der Steckdose was? Bildungsniveau....

  7. 16.

    Sie wollen also Strom von ganz im Osten quer durch Deutschland ganz in den Westen transportieren.

  8. 15.

    „in Brandenburg werden Vorgärten wegen der sandigen Böden so oft bewässert, dass viele Wasserversorger Alarm schlagen“
    Sie mögen moralisierende Verteilungsfragen? Vorgärten vs. 3xduschen/Tag u. Teenager? Sie werden gegenüber den schaffenden Gärtnern wenig entgegenzusetzen haben.

  9. 14.

    Wie Sie in 35 Jahren Wende/BRD gelernt haben(sollten), gibt es für alle möglichen "Sachen"/Unternehnugen Gesetze.
    Ein Tagebaurestloch entsteht, wenn man mit den dort stehenden oder nicht mehr zu brauchenden Maschinen - auch über Land (Bandbetrieb)quasi nichts an Massen heranführen kann. Jetzt kam der Stop des GTB. Und ich persönlich sage, Gott sei Dank! Daher ist das RL Taubendorf - Grießen bergbautechnisch/technologisch bedingt. Inwieweit noch Kosmetik betrieben werden kann, wird sich zeigen. Fakt ist, dass der Bergbautreibende u der Folge-Übernehmer die Öffentliche Sicherheit - hier Standsicherheit aller Böschungen zu gewähren hat. In der Endplanung hätte das TG-Restloch sicher anders ausgesehen, aber nun muss zwingend an der Gestaltung/Sicherheit gearbeitet werden. Na, ja und irgendwie wird sich das dann auch mal mit Wasser füllen, dauert halt s. lange, daher hält man sich am besten fern von d. Abbruchkanten.

  10. 13.

    „in Brandenburg werden Vorgärten wegen der sandigen Böden so oft bewässert, dass viele Wasserversorger Alarm schlagen“
    Sie mögen moralisierende Verteilungsfragen? Vorgärten vs. 3xduschen/Tag u. Teenager? Sie werden gegenüber den schaffenden Gärtnern wenig entgegenzusetzen haben.

  11. 12.

    >"Die Menge an Subventionen, welche über Jahrzehnte sowohl im Westen als auch Osten in die Braunkohle geflossen sind"
    Wieso geflossen sind? Es werden auch weiterhin Steuergelder dort reinfließen müssen. Bergbaufolgen sind Ewigkeitskosten. Einfach so aus nem Tagebauloch nen See machen, damit ist es für die Ewigkeit nicht getan. Das Bergbauunternehmen hat mit der "Renaturierung" und Befestigung des ehemal. Tagebaus seinen Dienst getan und ist dann raus. Was danach kommt mit Wassermanagement, Überwachung der Bodenstruktur, Nutzung der Flächen usw. ist uns dann überlassen für die Ewigkeit.

  12. 11.

    Auch die anderen Tagebauen leben nur noch auf Zeit. Die Menge an Subventionen, welche über Jahrzehnte sowohl im Westen als auch Osten in die Braunkohle geflossen sind, können sicher besser eingesetzt werden. Wenn diese Dreckslöcher endlich verschwinden, werden ihnen nur die allerwenigsten nachweinen.

  13. 10.

    Ganz wichtig war es ja nun von 1990 an mehr als eine halbe Million Arbeitsplätze im Osten zu vernichten. Und dafür drüben Garzweiler 1&2 zu erschließen. Samt 4 neuer Kraftwerke. Und es trifft alles zu was Kohl uns versprach. Blühende Landschaften, gefolgt von massenhafter Arbeitslosigkeit. Bei uns lag die Kohle völlig erschlossen bereit zur abbaggerung. Aber die netten Leute aus Bonn damals wollten dies nicht. Hier ist die Kohleförderung zu Ende, drüben läuft sie weiter. Es ist eine absolute Schaden Leute und Regionen so gegeneinander auszuspielen. Bis 2039 sollte der Kohleabbau fortgesetzt werden. Nun wird man vorzeitig wieder mehr Arbeitslose bekommen. Aber wenn drüben man 500 Opel-Mitarbeiter gekündigt werden dann kommt das monatelang in den Medien. Fazit: Danke Bonn & Berlin für NICHTS.

  14. 9.

    >"Wieso ist an der Tagebaukante eigentlich alles grün, wo doch das Grundwasser bis in zig Meter Tiefe abgesaugt wurde."
    Ringsum eines Tagebaus kann es trotz abgesenktem Grundwasser auch mal grün sein mit Rasen, Sträuchern, paar Bäume sowieso. Da spielt in diesem Jahr der durchwachsene Sommer sicher gut mit. Die obere Bodenschicht mit Wurzelveditation hält ja auch das Regenwasser, wenn denn Regen fällt. Der fällt in diesem Sommer eigentlich durchschnittlich gut dort. Anders wäre z.B. ein Vergleichsbild aus den Dürresommern 2019-21. Da war am Tagebau sicher nix mit grün zu sehen, außer die bewässerten Gärten.

  15. 8.

    Stand das Grundwasser in Taubendorf früher so hoch, dass niemand einen Keller gebaut hatte? Überall in Brandenburg werden Vorgärten wegen der sandigen Böden so oft bewässert, dass viele Wasserversorger Alarm schlagen.

  16. 7.

    Artikel gelesen?
    „ Zum Bewässern der Gärten muss Leitungswasser genommen werden. “
    Das wurde von der LEAG bislang bezahlt.
    Und wenn es ein feuchtes Jahr wie dieses ist dann wird es auch an de4 Abbruchkante eines Tagebaus unweigerlich grüner aussehen.

  17. 6.

    Ob eine Grundwasserhaltung auf einem bestimmten Niveau notwendig ist, das habe ich nicht zum Thema machen wollen. Aber es gibt auch eine anspruchsvollere Renaturierung, oder besser eine Beseitigung der Schäden, als immer nur Wasserflächen. Wie wäre es denn mit Niederungsflächen die langsam versumpfen oder mit landwirtschaftlichen Flächen die nicht konventionell bewirtschaftet werden. Eigentlich sind wir intelligent genug um da was gutes draus zu machen, wenn nur das schöne Geld nicht wäre... Der mit wissenschaftlicher Begleitung angelegte Weinberg ist ein gutes Beispiel.

  18. 5.

    Ich bin ganz gespannt wie werden unsere Keller aussehen wenn das Wasser Spiegel wieder steigt? Zweitens, was entsteht an der Heinersbrücker See? Steigen die immobilien Preise wenigstens? Ich wünsche mir das es nur Tourismus hier entsteht statt Kohlebagger......

  19. 4.

    Davon können wir in Brandenburg ein Lied singen. Mein Garten besteht in trockenen Sommern zu 90 % aus grünem Unkraut, der Rest ist gelb. Wobei Unkraut eigentlich der falsche Begriff ist, Erstbesiedler trifft es besser, die Natur kommt zurück. Für das reicht das Regenwasser aus, davon gab es dieses Jahr reichlich.
    Eigentlich ein gutes Zeichen, danach kommen Büsche und dann erste Bäume.

    Die Grundwassersenke ist aber eine Tatsache, die für die Anwohner sehr nervig ist. Ohne Gießen wird mit dem Garten nichts. Auch die kleineren Seen in der Gegend leiden an der Grundwassersenke, sie trocknen langsam aus. Umso eher das abpumpen aufhört, umso besser. Bleibt halt nur weniger Wasser in der Spree, da wir dieses für den Spreewald brauchen, müssen wir Berlin dann leider trocken legen :-)

  20. 3.

    Ach sorry, vergessen zu fragen:
    Dir/ Ihnen ist auch der Begriff Grundwasserspiegel bekannt und dass beim Tagebau, wie übrigens auch bei der Berliner BVG, das Grundwasser aktiv abgepumpt werden muss, damit man in der Tagebaugrube oder Tunnel nicht "unter Wasser" steht?

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