Fehlender Wohnraum - Studentenzimmer, bezahlbar, dringend gesucht

Mo 14.10.24 | 06:06 Uhr | Von Sylvia Tiegs
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Eine Frau geht am 16.10.2015 in Berlin am Doppelhaus Neun und Zehn des Studentendorfs Schlachtensee vorbei. (Quelle: dpa-Bildfunk/Klaus-Dietmar Gabbert)
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Audio: rbb24 inforadio | 14.10.2024 | Sylvia Tiegs | Bild: dpa-Bildfunk/Klaus-Dietmar Gabbert

Kein Bundesland bringt so wenige seiner Studierenden in Wohnheimen unter wie Berlin. Die Plätze sind belegt, die Wartelisten lang. Gerade für Neue wird so der Uni-Start schwierig. Denn auch die Angebote auf dem privaten Markt sind knapp - und teuer. Von Sylvia Tiegs

Eske Woltmer eilt in diesen Tagen von einer Erstsemesterveranstaltung zur nächsten. Sie arbeitet ehrenamtlich für den Asta – den Allgemeinen Studierendenausschuss – der Humboldt Uni, und aktuell wird sie immer wieder auf ein Thema angesprochen: das Wohnen. "Studierende erzählen uns, dass sie gerade noch in Brandenburg wohnen, weil sie es nicht geschafft haben, eine Wohnung in Berlin zu finden. Dass sie die Ersti-Woche aus einem Hostel heraus machen, weil sie keinen festen Wohnsitz in Berlin haben."

Vor allem Neuankömmlinge würden fragen, ob der Asta helfen könne oder Tipps habe. "Es gibt wirklich viele Studierende, die gerade total verzweifelt sind", berichtet Eske. Es fehle einfach bezahlbarer Wohnraum, ist ihr Eindruck schon seit Jahren.

Das Studierendenwerk Berlin kann das nur bestätigen – als großer Vermittler von Wohnraum verwaltet man hier schon lange den Mangel. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht.

Student Paolo vor einem Haus mit Studentenapartments in Berlin. (Bild: rbb)
Student Paolo ist froh, dass er eine Zwischenmiete gefunden hat. | Bild: rbb

Wartelisten werden immer voller

Auf seiner Webseite wirbt das Studierendenwerk Berlin mit dem Slogan "Wir machen es Dir bequem". Man habe "bestimmt das Richtige für dich". Tatsächlich verfügt das Werk stadtweit über rund 9.200 Wohnheimplätze. In Alt- und Neubauten, zu unterschiedlichen Größen und Preisen. Im Schnitt sind die Zimmer oder Apartments viel günstiger als auf dem freien Markt. Schon ab 250 Euro wäre etwas zu haben – theoretisch. "Derzeit, wie seit Jahren, sind alle unsere Wohnheimplätze komplett belegt", teilt das Werk auf Anfrage von rbb|24 mit. Die Zahl der Wartenden ist demnach sogar nochmal gestiegen: Vor einem Jahr standen 4.900 Studierende auf den Listen, inzwischen sind es rund 5.200. Wartezeit für einen Wohnheimplatz: im Schnitt über ein Jahr, so das Studierendenwerk.

Bei anderen Anbietern sieht es nicht besser aus. Die beiden landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften Berlinovo oder Gesobau beispielsweise melden in ihren Studentenunterkünften volle Auslastung. Beide Unternehmen planen oder bauen derzeit zwar neue Unterkünfte, vor allem die Berlinovo. 3.550 zusätzliche Plätze sollen entstehen – aber erst in den nächsten Jahren.

Sie werden jetzt schon dringend gebraucht: Laut einer Erhebung wohnten 2023 in Berlin nur etwa sieben Prozent der Studierenden in speziell für sie gebauten Unterkünften. Bundesweit waren es mit 14 Prozent doppelt so viele, in Potsdam sogar 24 Prozent. Damit bleibt in Berlin vielen Studierenden entweder das Elternhaus – oder, wenn man zugezogen ist, nur der freie Wohnungsmarkt.

Zwischenmiete schreckt nicht ab

Paolo hat hier Glück gehabt. Der 24-Jährige ist zum Masterstudium aus Heidelberg nach Berlin umgezogen und hat über Anzeigen auf einem Suchportal ein WG-Zimmer gefunden: "Es hat besser geklappt als gedacht. Von daher bin ich glücklich. Aber es ist auch nur befristet, bis Ende März", erzählt Paolo. Dann kommt der eigentliche Mieter vom Auslandspraktikum zurück, und die Suche beginne für ihn von Neuem.

Immerhin liegt das Zimmer in Paolos Budget: 500 Euro zahle er pro Monat, mehr wolle und könne er eigentlich nicht bezahlen. Paolo bekommt Bafög, etwas Unterstützung von den Eltern, und er verdient Geld mit einem Nebenjob. Für das Zimmer in Schöneweide nimmt er eine Stunde Pendeln in Kauf: so lang braucht er mit den Öffis von dort zu seiner neuen Uni, der FU. Ihm sei klar, sagt er, wie angespannt der Berliner Wohnungsmarkt ist. Er bleibe aber optimistisch. Auch wenn er weiterhin nur befristete Zimmer finden sollte, würde er das Studium in Berlin deshalb nicht schmeißen: "Das ist im schlimmsten Fall einfach der Preis, den man zu zahlen hat, wenn man hier studieren möchte."

Mehr bauen für günstiges Wohnen

Matthias Anbuhl sieht das auch so – und es regt ihn auf. Anbuhl ist Vorstandsvorsitzender des Deutschen Studierendenwerks, er hat den Überblick über die Mieten aller Universitätsstädte. Die Lage in Berlin sieht er sehr kritisch: "Wir erleben hier eine neue Form der sozialen Auslese. Die Frage, ob ich an einer Berliner Hochschule studieren kann oder nicht, hängt mehr und mehr davon ab, ob ich mir die Miete in dieser Stadt überhaupt leisten kann." Anbuhl spricht wörtlich von einem "bildungspolitischen Skandal": Ein durchschnittliches WG-Zimmer koste in Berlin mittlerweile 650 Euro. Aber ein Drittel der Studierenden habe nach eigenen Untersuchungen überhaupt nur 800 Euro im Monat zur Verfügung.

Anbuhl fordert, dass der Bund die Wohnkostenpauschale bei der Ausbildungsförderung Bafög anhebt. Die liegt aktuell nur bei 380 Euro - damit komme man auf dem privaten Wohnungsmarkt nicht weit. Außerdem bräuchten die Studierendenwerke günstige Grundstücke in den Städten, sagt er, damit sie mehr bezahlbare Wohnheimplätze bauen könnten.

Das Berliner Studierendenwerk plant derzeit nach eigenen Angaben eine Erweiterung seines Wohnheims im Aristotelessteig in Lichtenberg. 150 neue Plätze sollen dort geschaffen werden. Immerhin. Aber so, wie der Wohnungsmarkt für Studenten aussieht, wäre auch das nur der berüchtigte Tropfen auf den heißen Stein.

Sendung: rbb24 Inforadio, 14.10.2024, 08:30 Uhr

Beitrag von Sylvia Tiegs

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24 Kommentare

  1. 24.

    Sehe ich auch so!
    Verhältnis Berliner Bewohner und Wohnungen bleibt in diesen Jahrtausend nahezu konstant.
    Neue, Mehr Wohnungen bedeutet Neue, Mehr "Berliner"!

  2. 23.

    „ Asylanspruch lt AsylG/GG hat, wer nicht über sicheren Drittstaaten einreist.“
    Nur bedingt richtig…. Ohne Außengrenzen dürfte daher niemand in Deutschland ankommen… wäre da nicht die entsprechende Verteilung in der EU.
    Stand Juni sind 44.155 ausreisepflichtig… nicht Berlin sondern ganz Deutschland. Da würde ja irre viel Wohnraum frei.
    Was sie vorbringen sind halt die üblichen Argumente…. Ohne Beachtung geltender Gesetze.

  3. 22.

    Platz für Pflegebedürftige, bezahlbar, dringend gesucht!

  4. 21.

    Antwort auf "Marc" vom Montag, 14.10.2024 | 08:43 Uhr
    "Milliarden für Kriege ausgeben und damit erst Flüchtlingsströme auslösen..." Wo sind Sie denn falsch abgebogen? Haben WIR mit unseren HILFSLIEFERUNGEN die Kriege ausgelöst??

  5. 20.

    Der Wohnplatzbedarf war seit mindestens 20 Jahren absehbar, aber die Unis haben den Bau (nicht profitorientierter) Studentenwohnungen nicht nachdrücklich eingefordert und die Politik hat dankbar die Hände in den Schoß gelegt. Das soll ein exzellenter Universitätsstandort sein?

  6. 19.

    Die Ampel hat das Wahlversprechen 2021zur Wahllüge gemacht „400.000 neue Wohnungen pro Jahr“. Nicht mal 200.000 schaffte man in der gesamten Zeit, davon 2/3 nicht für unsere Bürger. In Berlin ist das nicht anders, da werden hunderte Wohnungen übergeben mit dem Plan 5+3+2 ausschließlich für Migranten. Der normale Wohnungsmarkt ist überteuert und schwächt auch die Kaufkraft der Bürger. Am Ende leidet die Volkswirtschaft und die Politik wundert sich. Mehr Fachkräfte statt Politiker und Beamte

  7. 18.

    Dies wäre noch ein grund mehr, lieber die AfD statt die Grünen zu wählen.

  8. 17.

    Milliarden für Kriege ausgeben und damit erst Flüchtlingsströme auslösen (Syrien, Libanon usw). Soviel Hirn sollte man in der Politik haben. Zusätzliche wird hier alles verteuert, Kassenbeiträge, Pflegeversicherung, Lebenshaltungskosten- das trifft uns alle die arbeiten gehen. Empfänger dieser Leistungen sind jene die hier nie einzahlten. Wann ist es genug? Junge Menschen können sich nicht mal mehr ein Zimmer leisten, aber der Senat kann ganze Hotels mieten für 0€ Miete der Bewohner. Augen auf

  9. 16.

    Asylanspruch lt AsylG/GG hat, wer nicht über sicheren Drittstaaten einreist. Dazu über 600.000 ohne Anspruch auf Asyl ohne Ausreisepflicht, natürlich mit Wohnraum und Bürgergeld. Würde Politik und Behörden sich strikt an die Gesetze halten, hätten unsere Studenten auch bezahlbaren Wohnraum. So zahlt nun der Steuerzahler diesen Wohnraum/Bürgergeld. Ein klarer Punkt an dem sich etablierte messen lassen müssen. Von Kriminalitätsstatistik rede ich erst garnicht. Leider Fakt.

  10. 15.

    Das sind leider die Versäumnisse der Merkel Ära.
    Es war für Studenten natürlich immer schwer Wohnung zu bekommen, ausser in der Nachwendezeit, wenn man flexibel war.

    Aber das Problem muss natürlich gelöst werden, weil Berlin brauchst du Studenten. Sonst müssen die Universitäten schliessen.
    Und es ist auch nicht im Interesse der Universitäten das nur die reichen Kinder studieren können, weil es sind ja nicht unbedingt die besten.

    Motivierter sind die Getto-Kids, wie me, myself and I :)

  11. 14.

    Noch ein grund mehr die AfD zu wählen!
    LG

  12. 13.

    Schauen Sie sich mal die Realität an wo es hinführt muslimisch überrannt zu werden.
    Warum ist ganz Europa gegen Zuwanderung aus den Ländern?
    Schön reden hat uns erst in diese Lage gebracht.

  13. 12.

    Ich glaube, dass ein Studium generell überbewertet wird. Es sind doch sehr oft die Eltern, die ihre Kinder von klein auf dafür „trainieren“. Jedenfalls, die, die es sich leisten können. Und wir sehen wieder, dass Bildung vom Portemonnaie abhängt. Gute, geschickte Handwerker:innen, Dienstleistende in allen Branchen werden gebraucht. Naja, und wer dann an angesagten Orten studieren will, muss halt löhnen. Sozialprestige kostet.

  14. 11.

    Antwort auf "Marc" vom Montag, 14.10.2024 | 07:07 Uhr
    "Priorität haben nur Zuwanderer bei Wohnraum mit Rundumversorgung." Die "Zuwanderer... " leben teilweise in Zuständen, die ein Student vermutlich ablehnen würde! Wie, meinen Sie, würde die AFD das lösen können? Die Notunterkünfte für Studenten frei machen?

  15. 10.

    Ein weiteres Dauerproblem, was in 20 Jahren SPD-Regierung nicht gelöst wurde.

  16. 9.

    1. Man muss nicht in Berlin studieren.
    2. Sie vergleichen die Situation mit vor Krieg und anderem Elend Geflüchteten? Schämen sie sich!
    3. Deutschland ist besser als j des andere Land durch die Pandemie gekommen. Genau! Wir werden das nicht vergessen und sehr dankbar sein, dass viel Menschenleben gerettet werden konnte!

  17. 8.

    Das sehe ich genauso. Meine Nichte studiert in Berlin und muss in einem Kellerzimmer bei einem älteren Paar wohnen. Für unglaubliche 500€ pro Monat. Gleichzeitig werden überall Flüchtlingsunterkünfte mit gratis Vollverpflegung, Fußbodenheizung und Kinderbetreuung hochgezogen.
    Die Menschen vergessen das nicht, genauso wenig wie die Coronazeit.

  18. 7.

    Es ist schon erstaunlich, wie die Politik seit Jahrzehnten und insbesondere unter der CDU versagt hat. Und Sie machen es sich einfach, indem Sie den Schwächsten der Gesellschaft, den Ausländern, die Schuld geben. Glauben Sie wirklich, dass die AFD unsere Probleme lösen kann? Schauen Sie in die Geschichtsbücher, dann wissen Sie, wohin diese permanente Hetze führen kann.

  19. 6.

    Es sind keine Zuwanderer sondern Asylsuchende.
    Durch die Genfer Flüchtlingskonvention ist dieses Schutzprinzip auch im Völkerrecht fest verankert. In Deutschland hat das Recht auf Asyl Verfassungsrang und auch auf EU-Ebene ist es als Grundrecht festgeschrieben.
    Zumindest sind wir in D. etwas weiter und man würde nicht glauben das diese Menschen die Haustiere der Deutschen essen.

  20. 5.

    Wir brauchen keine Wohnungen bzw. kein Wohnungsbau mehr in Berlin, was wir brauchen ist ein Zuzugstop!!!
    Kommt noch hinzu die dreiste Lüge der Politik hier bezahlbare Wohnungen zubauen.
    Bezahlbar ist alles fragt sich nur für wehm???

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