#Wiegehtesuns? | Leben ohne Kinder - "Ich bereue meine Entscheidung nicht, aber es gibt Traurigkeitsmomente"

Di 01.08.23 | 07:58 Uhr
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#wiegehtesuns: Leben ohne Kinder (Quelle: rbb)
Video: rbb|24 | 01.08.2023 | Material: rbb24 Abendschau | Bild: rbb

Die Berliner Trauerbegleiterin Alexandra Kossowski hat sich dagegen entschieden, Kinder zu bekommen - auch um ihre Freiheit nicht aufzugeben, sagt sie. Es fühle sich richtig, wenn auch nicht immer gut an. Ein Gesprächsprotokoll

In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht – persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.

Alexandra Kossowski ist 43 Jahre alt, lebt in Berlin und arbeitet als freie Trauerbegleiterin. Ein Leben als Mutter hatte bei ihr nie Priorität. Schließlich fiel die Entscheidung: Ihr Leben wird ohne eigene Kinder stattfinden. Trotzdem gibt es Momente, in denen sie deswegen traurig ist. So geht es Alexandra:

Für mich war eigentlich immer schon klar, dass ich keine Kinder haben möchte. Der entscheidende Auslöser war aber, dass ich damals eine Beziehung mit einem Mann hatte, der ganz klar geäußert hat, dass er Kinder will. Die Beziehung ist glücklicherweise schnell wieder zu Ende gewesen. Ich weiß nicht, was passiert wäre, wenn wir zusammengeblieben wären, aber ich habe mir ab dem Moment die Frage gestellt: Will ich eigentlich wirklich Kinder? Oder denke ich nur darüber nach, weil mein Partner das gerade möchte?

Ich habe festgestellt, dass ich gar nicht der Typ für eigene Kinder bin. Ich wollte immer ganz viel für mich machen und nicht immer nur für die Kinder und die Familie da sein müssen. Ich war auch nie lang in einer Beziehung.

Viele sagen ja, dass man sich mit Kindern das Leben genauso frei gestalten kann. Sicherlich geht das, für mich wäre das aber eine sehr große Anstrengung gewesen. Die war und bin ich nicht bereit einzugehen.

Mein Umfeld hat nie viel gefragt, wann es denn bei mir so weit wäre. Meiner Mutter habe ich immer gesagt: "Frag mich nicht, du erfährst schon, wenn irgendwas passiert." Das hat sie dann auch nicht gemacht. Ich musste da nicht viel diskutieren.

Wenn die Entscheidung aber doch von anderen in Frage gestellt wird, fühlt sich das so an, als hätte ich als Frau nicht das Recht, selbst zu bestimmen. Ich habe in Partnerschaften oft gesagt, dass ich keine Kinder will. Die Antwort lautete häufig: "Ja, das gucken wir dann zusammen." Ich sage dann: "Nein, das gucken wir nicht zusammen. Das ist meine Entscheidung." Ich fühlte mich dann nicht respektiert.

In meinem Freundeskreis war vielen früh klar, dass sie eigene Kinder haben wollen. Für mich war es dann mit Anfang 30 schwierig, dass ich als beste Freundin plötzlich zurückstecken musste. Das war schon hart, da nicht mitreden zu können, auch wenn ich weiß, dass besonders junge Kinder erstmal die volle Aufmerksamkeit brauchen. So habe ich aber auch nochmal gemerkt, dass das auch auf keinen Fall etwas für mich wäre.

Wenn es aber in unserem System mehr Möglichkeiten gäbe, hätte sich meine Meinung vielleicht auch ändern können. Es gibt Länder, in denen das besser funktioniert: Wenn es mehr Kitplätze gäbe und es nicht immer in diesem starren Muster "man lebt zusammen und ist verheiratet" wäre. Ich habe aber das Gefühl, dass es, wenn man sich das Leben so individuell gestalten möchte, doch noch schwieriger wird. Der Mainstream möchte das klassische Modell leben. Es ist schwer, da etwas zu finden, das anders ist.

Viele, die ich kenne, sind verheiratet. Oft verdient der Partner gutes Geld. Wenn man allein ist, muss man gucken, wie das Geld reinkommt. Wenn ich allein für das Kind verantwortlich bin, kann ich das aber nicht immer. Ich glaube, dass das ein Problem für viele Frauen ist. Jetzt, mit den gestiegenen Preisen, ist es noch schwieriger. Ich bin selbstständig und mir war auch immer wichtig, dass ich da frei entscheiden kann und nicht das Leben der Kinder mitdenken muss. Ich glaube, in der gewollten Kinderlosigkeit wird einem oft unterstellt, dass man Kinder nicht mag. Das finde ich sehr schade, denn das ist definitiv nicht so.

Ich bereue meine Entscheidung, keine Kinder zu bekommen, nicht, aber es gibt schon auch Traurigkeitsmomente. Ich wäre super gerne mal schwanger gewesen, um zu wissen, wie sich das anfühlt. Viele haben auch gesagt, dass ich eine gute Mutter gewesen wäre. Ich betrauere das aktiv. Meine Entscheidung steht aber total fest.

Es ist eine persönliche Entscheidung über den eigenen Körper und das eigene Leben.

Gesprächsprotokoll: Ann Kristin Schenten

Sendung: rbb24 Abendschau, 31.07.2023, 19:30 Uhr

92 Kommentare

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  1. 92.

    "Ich habe mit meinen Eltern vor über 20 Jahren den Kontakt abgebrochen und seitdem geht`s mir gut! " und bist jetzt Akademiker?

  2. 91.

    Claudia:
    Ja und über Depressionen wird auch meist (immer nur kurz) gesprochen wenn ein Prominenter davon befallen ist, oder daran zerbrochen ist.
    Und die hätten es sicher leichter und schneller, auch finanziel betrachtet, "Hilfe" in anspruch nehmen können.
    Ein schnöder Normalo hat auch nur schnöde Depressionen, wenn überhaupt!

  3. 90.

    Nein, dort findet auch keine Geburtenkontrolle statt, weil viele Kinder nicht das fünfte Lebensjahr erreichen und die überlebenden Kinder die einzige Alters"Versicherung" sind.

  4. 89.

    Ja, da spricht jemand aus Erfahrung oder was soll der abfällige Unterton? Aber statt Drogen zu nehmen oder auf die schiefe Bahn zu kommen, habe ich mich damals als Jugendliche bereits selbst um Therapiemöglichkeiten gekümmert und als ich dann 18 J. alt war, auch begonnen. Damals wartete ich 14 Tage auf einen Termin. Heute wartet man auf einen Therapeuten mit Kassenzulassung sicherlich länger, auf einen ohne Kassenzulassung, den man dann aber selbst bezahlen muss, in der Regel wenige Tage. Wenn es einem wichtig ist, gibt es immer Wege, sich Hilfe zu suchen. Ich habe mit meinen Eltern vor über 20 Jahren den Kontakt abgebrochen und seitdem geht`s mir gut!

  5. 88.

    Ja, da spricht jemand aus Erfahrung oder was soll der abfällige Unterton? Aber statt Drogen zu nehmen oder auf die schiefe Bahn zu kommen, habe ich mich damals als Jugendliche bereits selbst um Therapiemöglichkeiten gekümmert und als ich dann 18 J. alt war, auch begonnen. Damals wartete ich 14 Tage auf einen Termin. Heute wartet man auf einen Therapeuten mit Kassenzulassung sicherlich länger, auf einen ohne Kassenzulassung, den man dann aber selbst bezahlen muss, in der Regel wenige Tage. Wenn es einem wichtig ist, gibt es immer Wege, sich Hilfe zu suchen. Ich habe mit meinen Eltern vor über 20 Jahren den Kontakt abgebrochen und seitdem geht`s mir gut!

  6. 87.

    Text + Kommentare illustrieren das Desaster, das die Politik seit den 80ern angerichtet hat. Und nun sollen es die Kinderreichen aus anderen Ländern verschlimmbessern.

    Hätten wir eine an Familien und Gesellschaft ausgerichtete Politik statt …, wären wir nicht an diesem Punkt!

  7. 86.

    Claudia:
    "dann sehr oft beim Psychologen" - da spricht wohl jemand aus Erfahrung, oder?
    Aber ob als Patienten oder Werbung machender Psychologe vermag man hier nicht zu deuten.
    Da aber dieses "Leere-Gefühl" so umfassend aufgeführt wird, scheint da reichlich Erfahrung gesammelt worden sein.
    Und wie lange wartet man auf einen Psychologen-Termin - 9-12 Monate!!!

  8. 85.

    Ich finde es sehr schön zu lesen, wie reflektiert sie mit diesem Thema umgeht. Auch ich bin bewusst Kinderfrei. Würde die deutsche Gesellschaft/Politik wesentlich bessere Rahmenbedingungen schaffen für Kinder wie genügend Kitaplätze, Ganztagsschulen, und vor allem eine Grundsicherung für Kinder, die auch später eventuell Alleinerziehenden ein einigermaßen normales Leben ermöglicht, dann gäbe es mehr Geburten. Denn die Familie (Opa & Opa etc.) lebt heutzutage ja meist nicht mehr am selben Ort um unterstützen zu können, so wie es früher oft war.

  9. 83.

    Nein Hans, keine dilettantische Küchenpsychologie, sondern leider bittere Erfahrungswerte!
    Ihnen auch gute Besserung und Danke für die Beleidigung!

  10. 82.

    Sehe ich ganz genauso, mich macht sowas einfach sprachlos! Ich finde es frech und auch übergriffig, so etwas zu behaupten!

  11. 81.

    Wie genau ist das egoistisch? Wir wissen hier rein gar nichts über diese Frau. Ihre Geschichte, ihre Ängste oder Bindungen. Ist es umgekehrt nicht eher egoistisch aktuell ein Kind in die Welt zu setzen, nur weil man selbst den Wunsch danach verspürt? Das tut ja keiner aus Gründen der Vernunft. Warum muss sich ein Mensch, egal welchen Geschlechts, denn zwanghaft fortpflanzen nur weil es die Gesellschaft erwartet? Ein ungewolltes und ungeliebtes Kind ist doch viel schlimmer als die bewusste Entscheidung, eben kein Kind zu bekommen. Das spricht eher von Verantwortungsbewusstsein als von Egoismus. Ich kenne mittlerweile einige Frauen, die zwar sagen, dass sie ihre Kinder lieben, sie sich heute wenn sie die Wahl noch einmal hätten, aber gegen Kinder entscheiden würden. Oder dass sie sich oft völlig überfordert, ängstlich oder hilflos fühlen. Und wenn jemand aus welchen Gründen auch immer die Entscheidung gegen Kinder trifft, dann hat das jeder andere auch so zu akzeptieren.

  12. 80.

    Welchen Sonderweg? Einfach mal schauen, wo welche Geburtenrate wie hoch ist. Ob in D 100 oder 1000 oder 10000 weniger Geburten sind ist schlicht & ergreifend völlig egal, wenn in bevölkerungsreichen Ländern(z.b.Indien) oder Kontinenten(z.b.Afrika) Geburtenkontrolle etc.mehr oder minder nicht stattfindet aus z.b.religiösen Gründen oder traditionellen Gründen. Immer dieses „am deutschen Wesen sollt ihr genesen“ funktioniert jenseits der europäischen „Blase“ nicht mehr.

  13. 79.

    Erst einmal könnte Alexandra Kossowski rein biologisch betrachtet noch bis ca. 50 Jahre auf natürlichem Weg schwanger werden. Falls sie Eizellen hat einfrieren lassen, sogar noch länger.

    Zum anderen ist dieses "Du wärst bestimmt eine tolle Mutter" kein Kompliment, sondern ein extrem übergriffiger Satz, der Frauen gesellschaftlich mal wieder dahin drängt, wo sie angeblich hingehören: In die Mutterrolle.

  14. 78.

    „ Deshalb gibt es auf diesem Gebiet auch kein "vorbildhaftes " Verhalten in dem Sinn, wie Sie es hier darstellen.“
    Vorbildhaft ist das Verhalten dieser mutigen Frau, weil sie nicht zum fatalen Bevölkerungswachstum beiträgt.

  15. 77.

    Das sind Worte von Frau Alexandra, die nicht alle teilen in der Gesellschaft. Ihre Gedankengänge legt sie zu persönlich auf sich. Menschen reagieren zu unterschiedlich um sich nur einer Meinung anschließend zu können.
    Sie sagt, ich war noch nie in einer langen Beziehung, die Frage wäre doch WARUM?

  16. 76.

    Die Senkung der Geburtenrate ist Voraussetzung für die Erhaltung der Erde als belebter Planet, so wie wir sie kennen. Das wollen weder konservative Kreise noch FfF oder ähnliche Bewegungen einsehen.

  17. 75.

    Das Bevölkerungswachstum ist ein weltweites Problem. Da kann es keinen „deutschen Sonderweg“ geben. Weltweit muss die Geburtenrate gesenkt werden, also auch in Deutschland.

  18. 74.

    Mit dieser Einstellung (und dem Präsentierten) tut sich diese Frau keinen Gefallen.
    Meine Gedanken7Mutmaßungen wo bzw. mit was für Mitmenschen sich Diese umgibt, nun - da ist für mich ihre "Entscheidung" schlicht erklärbar.
    Das Porträt von ihr zeigt nicht woher sie kommt, wo sie aufgewachsen ist, weder das soziale Feedback in Jugend, Familie.

  19. 73.

    Und die Überalterung könnte nicht vielleicht auch ein Problem sein? Müssen wir zwingend immer älter werden, bei den Aussichten (körperlicher Verfall)?
    Das Rentensystem geht nicht auf, aber das liegt nicht an zu wenig Nachwuchs. Es ist einfach nicht mehr zeitgemäß.
    Außerdem werden inzwischen wieder sehr viele Kinder geboren, hier im Umfeld zumindest ist alles voll, und bekanntlich gibts kaum mehr Kitaplätze.
    "Braucht" man - ob global oder auch nur national/regional betrachtet - unbedingt noch mehr Menschen? Bei gleichzeitig mangelnden Kapazitäten in jedem Bereich und begrenzten Ressourcen? Immer nur Wachstum und Reproduktion, ohne Sinn und Verstand? Man sieht wohin es führt. Überall.

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