Kommunen über Unterbringung Geflüchteter - "Wir können es nicht mehr schaffen"

Do 16.02.23 | 19:55 Uhr | Von Lisa Steger
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Nancy Faeser (SPD, r), Bundesministerin für Inneres und Heimat, und Reinhard Sager (l), Präsident des Deutschen Landkreistages, nehmen am Flüchtlingsgipfel mit Vertretern der Innenministerkonferenz und der kommunalen Spitzenverbände teil. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 16.02.2023 | Stefanie Teistler | Bild: Kay Nietfeld/dpa

Alle sollen beim Thema Geflüchtete enger in Arbeitsgruppen kooperieren. Erste Ergebnisse sollen Ostern vorliegen, so der Flüchtlingsgipfel am Donnerstag. Doch vielen Brandenburger Kommunen reicht das nicht, sie fühlen sich überlastet. Von Lisa Steger

2.300 Einwohner hat Neuhardenberg im Landkreis Märkisch Oderland - und 500 von ihnen sind Geflüchtete, sie wohnen in einem Wohnheim. Bastian Hölscher arbeitet hier als Erzieher - in der Grundschule und einem Jugendclub, der an drei Tagen die Woche geöffnet ist. Der Club platzt aus allen Nähten. "Wenn alle kämen, würden wir sie hier nicht in das Haus bekommen, da würden wir an unsere Grenze stoßen", berichtet der Mann vom "Kinderring Neuhardenberg".

Größtes Problem – die Unterbringung

Es fehlen vor allem Wohnungen; deshalb leben manche Flüchtlinge schon seit vielen Jahren in dem Heim. So zum Beispiel ein Ehepaar aus der Russischen Föderation: Die sechs Menschen wohnen seit 2019 hier.

Horst Nachtsheim, der sich seit zehn Jahren in Neuhardenberg als ehrenamtlicher Helfer engagiert, ist überzeugt, dass die Integration besser funktionieren würde, wenn diese Menschen in Wohnungen untergebracht wären. "Junge Leute, die 14, 15 oder 16 Jahre alt sind, die leben jetzt hier seit sechs bis acht Jahren jetzt im Heim. Sie haben eine klassische Heimsozialisation", so Nachtsheim. Einige zeigten "abweichendes Verhalten" und das sei kein Wunder.

Doch auch die ehrenamtliche Hilfe sei immer schwerer zu leisten, viele hätten damit aufgehört. Vor zehn Jahren sei der örtliche Willkommenskreis gegründet worden – mit 18 Mitstreitern. Doch zuletzt waren es nur noch eine Handvoll. Deshalb wurde der Verein aufgelöst, so Nachtsheim.

Auch Mario Eska (Linke), der ehrenamtliche Bürgermeister Neuhardenbergs, findet deutliche Worte. "Es gibt mittlerweile Kinder, die in der Freizeit durch Neuhardenberg ziehen und Vandalismus betreiben", berichtet er. "Früher hatte man noch einen Zugang zu den Familien", jetzt nicht mehr. „Das Einzige, was uns in Neuhardenberg noch hilft, ist ein drastischer Rückgang der Flüchtlingszahlen", erklärt der Linken-Politiker. "Die größten Probleme haben wir in der Schule. Wir können diese Zahlen nicht mehr schaffen."

Viele Beigeordnete und Landräte sehen Kreise am Limit

Friedemann Hanke (CDU), der Sozialbeigeordnete in Märkisch-Oderland, nennt die Situation im Landkreis "dramatisch". Kita- und Schulplätze, Sozialarbeiter und vor allem Unterkünfte seien knapp, schreibt der CDU-Politiker auf rbb-Anfrage in einer Mail. Er fordert eine "unverzügliche Einstellung aller Sonderaufnahmeprogramme, die Schaffung von Abschiebezentren; Durchsetzung der rechtsstaatlichen Entscheidungen zu Ausreiseverpflichtungen, sprich: Verstärkung der Abschiebungen."

Mit seinen Forderungen steht Hanke nicht allein in Brandenburg. Siegurd Heinze, parteiloser Landrat in Oberspreewald-Lausitz, erklärt: "Wir haben keine Wohnungen, keine Kitaplätze, die Schulen sind voll und die ärztliche Versorgung ist nicht mehr gesichert." Das Land Brandenburg müsse dem Bund signalisieren, dass die Belastungsgrenze erreicht sei.

"Wir schaffen es vor Ort nicht", sagt Tobias Schick (SPD), Oberbürgermeister in Cottbus. "Wir haben riesige Kapazitätsprobleme, was die Betreuung im Kinder- und Jugendalter angeht, aber auch bei der Gesundheitsversorgung."

Brandenburgs Innenminister enttäuscht vom Gipfel

Für eine Kontrolle der EU-Außengrenzen spricht sich auch Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen aus. Brandenburg hat im letzten Jahr hat rund 40.000 Geflüchtete aufgenommen – das waren rund 12.000 mehr als in den Jahren 2015 und 2016, so der CDU-Politiker.

"Lehrer, Erzieher, Berater, Sozialarbeiter: Wir haben, selbst wenn wir die Stellen dafür finanziert bekommen, auf dem Arbeitsmarkt keine geschulten Leute mehr", erklärte Stübgen nach dem Gipfel im rbb. "Es läuft immer wieder darauf hinaus, dass wir eine Begrenzung der aktuellen Migration insbesondere über die Balkanroute, die Mittelmeerroute und Belarus durchsetzen müssen." Nötig sei "eine Kraftanstrengung von Bundesregierung und Europäischer Union, die unverzüglich umgesetzt werden muss."

In diesem Jahr würden mehr als 400.000 Neuzugänge erwartet, so Stübgen. In Brandenburg wären das rund 25.000 Menschen. "Der Städtetag sagt, Integration findet nicht mehr statt. Deshalb müssen wir dazu kommen, dass illegale Migration begrenzt wird."

Als "Sofortmaßnahme" solle der Bund die Unterbringung wieder bezahlen, wie er es bis 2021 getan habe, fordert Stübgen im Radioeins-Interview.

Dazu aber gab es von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bei dem Gipfel am Donnerstag keine Zusage. Sie versprach nach dem Gespräch mit Vertretern von Ländern und Kommunen eine bessere Abstimmung bei der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen. Geplant ist unter anderem ein "Dashboard", also eine Grafik im Internet, die täglich aktualisiert wird. Dort können Kommunen freie Plätze eintragen, andere können sich dorthin wenden.

Über mögliche zusätzliche Finanzhilfen des Bundes zur Bewältigung dieser Aufgabe werde es um Ostern weitere Gespräche geben, sagte Faeser nach dem Treffen in Berlin.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 16.02.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Lisa Steger

52 Kommentare

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  1. 52.

    Die Grünen werden unruhig. Mehrere Politiker der Grünen fordern in einem „Memorandum für eine andere Migrationspolitik in Deutschland“ einen Richtungswechsel. Sie sprechen sich für „verpflichtende Aufenthaltszonen“ für Migranten an der Grenze aus. Zu den Verfassern gehört Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer.

  2. 51.

    " dass illegale Migration begrenzt wird."

    und nicht nur die, das weiß doch inzwischen jeder . Ist aber politisch nicht gewollt , also weiter wie bisher bis....aber da ist noch der Ukrainekrieg, wenn der " aus dem Ruder" läuft , dann sind alle Migranten bei 3 ganz schnell weg

  3. 50.

    der Flüchtlingsgipfel : eine überflüssige Veranstaltung ohne jedes Ergebnis

  4. 49.

    Ach da hat die gute Frau feser ja noch Zeit ihren wahlkampf in Hessen zu bestreiten.
    Vor allem Ostern schon, so früh, Weihnachten wäre doch auch ein Ziel für den nächsten arbeitskreis.
    Okay bis dahin ist alles untergegangen aber Frau feser ist an nichts schuld.

  5. 48.

    Wenn man Alle konsequent abschieben würde, die hier nicht als politischer Flüchtling anerkannt wurde, die kriminell wurde, sich hier illegal aufhalten, wäre Platz für die, die unsere Hilfe bedürfen.

  6. 47.

    Die Kommunen haben am Lautesten gerufen und sich Gelder eingestrichen ...., es wird im Chaos enden, aber das ist gewollt

  7. 46.

    SPD-Schubert aus Potsdam hatte seinerzeit den Innenminister Seehofer in einem Brief aufgefordert, in Griechenland festsitzende Migranten über die Aktion "Seebrücke" herzuholen. Schubert ist Initiator der "Seebrücke". In Babelsberg gibt es doch etliche Freiflächen, wo man Zelte aufstellen könnte. Auch der Park vom SCHLOSS SANSSOUCI würde sich als Zeltplatzfläche anbieten. Schließlich hat Schuberts "Seebrücke" einiges gut zu machen, denn es werden nicht so viele Migranten aufgenommen, wie sich das „Sichere Häfen“-Vertreter wünschen. Der Grund wird von den Sichere Hafen Vertretern gleich mitgeliefert, die Potsdamer Ausländerbehörde sei „strukturell rassistisch" und würde "Asylbewerber:innen" gängeln“. Allerdings hört man von Schubert jetzt nicht mehr viel von seiner "Seebrücke".

  8. 45.

    Bei Ihrer Argumentation gegen die demokratisch gewählten u. handelnden Politiker in den Landkreisen, Kommunen und deren Verwaltungen, stellt sich mir die Frage, wo Sie als Kommentierender stehen. Wahrscheinlich Ultra Links, da dann alle anderen weiter rechts von Ihnen stehen. Aber ganz ehrlich, die Lokalpolitik kann für die derzeitige Misere am Wenigsten dafür, da auch Vorgaben der BR umgesetzt werden mussten. Aber bitte alles unter Einhaltung der geltenden Vorschriften u. Gesetze, D+EU-weit!

  9. 44.

    "Nur bauen muss man mit finanz. Mitteln. Und da sieht es scheinbar dünn aus."
    Allein mit Geld lässt sich das Problem nicht zudecken.
    1.Flüchtlinge wollen meistens nicht nach Brandenburg!
    2. Wer soll bauen, wo sind die Fachkräfte dafür?
    3. Wo sind genügend Ärzte?
    4. Wo sind Schulen, Lehrer, Kitas, Erzieher?
    5. Wo ist die Infrastruktur, sprich Straßen, Bahngleise, Radwege usw usw?
    Fragen über Fragen.....

  10. 42.

    Wenn deutsche Politiker denken, Migration kostet nix, dann kann und sollte man nicht so blauäugig regieren!
    Berlin geht nicht mehr für Migration, da begrenzte Fläche nur zur Verfügung steht.
    Brandenburg wäre genau das Gegenteil. Viel Fläche vorhanden. Nur bauen muss man mit finanz. Mitteln. Und da sieht es scheinbar dünn aus.

    Was soll Deutschland alles stemmen?
    1 Waffenlieferung in die Ukraine
    2 Ausbildung für ukrain. Soldaten
    3 Alternative Energie ausbauen.
    4 Wohnungen bauen
    5 Bundeswehr vergrößern und ausstatten.
    6 Ukraine wieder aufbauen
    ......
    Wahlwiederholung in Berlin "nur" 38 Mio. €.

    Frage mich wo das Geld herkommen soll.

  11. 41.

    Sie haben vergessen, dass die Vergütung der nahezu 24/7 Arbeitenden auch mehr schlecht als recht ist. Man setzt von vornherein auf Freiwilligk., auf die menschl. Solidarität, die es nun mal gibt & auf das Gewissen, dass man etwas tun muss. Und auch daran wird nichts geändert. Wir haben wieder darüb. geredet.
    Trotzdem, die letzten Resven sind leerstehende Hotels, bnB-Fe-Wo & sonstige leerstehende Gebäude. Das aber nur, damit man ein Dach über dem Kopf hat. Fr. Faeser hat keine Konzeption, & kennt herzl. gar nicht d.Befindlichkeiten, der Personen, die kommen & derer, die hier alles tun, damit es halberwegs läuft. Sie hat die Pflicht, europäische Gesetze dazu durchzusetzen oder bestehendes Recht, wenn sie es denn schafft, auf europäischer Ebene zu verändern. Ich frage mich, was der Vorwurf an die Spanier soll, mehr Ukrainerinnen aufzunehmen. Sie haben zu ESP und Sprache doch überhaupt keinen Bezug. Folgl. kann nicht jeder bleiben, der das will, & dafür gibt es eine rechtl. Basis.

  12. 40.

    ".....verteilt in der EU also z.b. auch nach Bulgarien oder Rumänien dann würde sich die Sache verbessern , oder?"
    Noch einmal: die Flüchtlinge wollen meistens nach Deutschland und viele andere EU Staaten wollen keine Verteilung, das ist doch schon seit 2015 bekannt.

  13. 39.

    egal ob mit oder ohne Grund - es kommen tausende Menschen und alle wollen nur nach Deutschland-deshalb muss eben verteilt werden und das müssen die Geflüchteten annehmen , verteilt in der EU also z.b. auch nach Bulgarien oder Rumänien dann würde sich die Sache verbessern , oder?

  14. 38.

    Wir haben nicht zuviel Zuwanderung, sondern zu viel Deutsche. Ironie aus!

  15. 37.

    Ja, in seiner Villa ist genug Platz. Und in den Sporthallen am Bahnhof... Man könnte auch Zelte aufstellen im Park. der alte Fritz würde sich freuen.

  16. 36.

    Warum sollte man Migration begrenzen? Wir brauchen jede Einwanderung.

  17. 35.

    Ihre Vorhaltungen sind vollkommen berechtigt. Bereits Anfang 2019 hat Herr Schubert, Potsdamer OB, die anderen Städte, die sich zum „Sicheren Hafen“ erklärt hatten, zu einem Arbeitstreffen nach Potsdam eingeladen. Im Ergebnis wurde die „Potsdamer Erklärung“ verabschiedet, ein Gründungsdokument des Bündnisses „Städte sicherer Häfen“. Seitdem hat Herr Schubert in seinem Bemühen als Oberbürgermeister einer „Sicheren-Hafen-Stadt“ um eine befriedigende politische Lösung für die Aufnahme von Flüchtlingen nicht nachgelassen. Vielleicht sollte man jetzt dem Herrn Schubert ein größeres Sonderkontingent von vielleicht 50000 Flüchtlingen, die noch an diversen Routen im Balkan ausharren, zukommen lassen.

  18. 34.

    "Und wieder kein einziges Wort dazu, wie man weitere Migration begrenzen könnte oder eine bessere Verteilung der Ukraineflüchtlinge in Europa erreichen könnte."
    Die Flüchtlinge wollen meistens nach Deutschland und viele andere EU Staaten wollen keine Verteilung, das ist doch schon seit 2015 bekannt.

  19. 33.

    Da haben wir ja nun endlich wieder die Nazikeule die geschwungen wird, wenn die Wahrheit gesagt wird das viele Kommunen an ihre Grenzen stoßen. Empfehle ihnen Markus Lanz von letzter Woche wo ein Landrat aus Bayern übrigens von den GRÜNEN zu dem Thema Flüchtlinge ,Unterbringung und Integration Stellung bezogen hat.
    Gehen Sie doch mit gutem Beispiel voran nehmen Sie Flüchtlinge auf, sorgen Sie für diese mit allem was dazu gehört, nicht immer nur von anderen fordern sondern selbst einen Beitrag leisten.
    Sie schaffen das.

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