Berliner Verkehrspolitik - Wegner verteidigt Radwege-Baustopp
Berlins Verkehrssenatorin steht seit Tagen in der Kritik, weil sie etliche Radwegeprojekte infrage stellt. Der Regierende Bürgermeister gibt ihr Rückendeckung. Das Thema werde "aufgebauscht".
- Berlins Regierender bekräftigt Linie von Verkehrssenatorin Schreiner
- Nur in Einzelfällen will Wegner Parkplätze für Fahrradweg wegfallen lassen
- Koalitionspartner SPD pocht auf Ausbau des Radwegenetzes
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner hat die neue Vorgabe der Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) verteidigt, zahlreiche Radwegeprojekte auf den Prüfstand zu stellen. "Das ist kein Stopp, sondern eine Prüfung und Priorisierung. Und das ganze Thema wird zu Unrecht aufgebauscht", sagte der CDU-Politiker dem "Spiegel" am Donnerstag.
Parkplätze könnten für Radwege wegfallen
"Im Koalitionsvertrag steht, dass wir deutlich mehr Radwege bauen wollen als die letzte Landesregierung. Was ich nicht will, sind Radwege, mit denen man Autos mutwillig ausbremst", so Wegner. Er schließe aber nicht aus, dass für sichere Radwege in Einzelfällen auch Parkplätze wegfallen können: "Wir prüfen die Radwege, die die Vorgängerregierung geplant hat, und werden die sinnvollen priorisieren", sagte er.
Er wolle erreichen, dass in dreieinhalb Jahren Radfahren in Berlin sicherer geworden sei. "Gerade in Kreuzungsbereichen - da passieren die meisten tödlichen Unfälle. Es ist bekannt, an welchen Kreuzungen. Natürlich muss ich dafür mal zwei, drei, vielleicht sogar fünf Parkplätze wegnehmen."
Wegner: Keine Politik gegen das Auto
Er wolle zurück zu mehr Realismus und Pragmatismus, sagte Wegner. "Die Fehler grüner Verkehrspolitik sind ein entscheidendes Thema, warum ich hier heute sitze. Die große Mehrheit der Berlinerinnen und Berlinern war es leid, dass eine Verkehrspolitik einseitig gegen das Auto gemacht wird. Dafür stehe ich nicht zur Verfügung."
Die Verkehrsverwaltung hatte am Freitag mitgeteilt, dass Radverkehrsprojekte gestoppt werden sollten, die eine "erhebliche Beeinträchtigung von Wirtschafts- und Lieferverkehr" zur Folge hätten, für die mehrere Autostellplätze wegfallen müssten oder die dazu führen würden, dass Fahrstreifen und Bussonderfahrstreifen wegfallen würden.
Wegner forderte mit Blick auf den begrenzten Straßenraum, jeder müsse seinen Platz haben. "Wenn ich mir die Entwicklung der Mobilität anschaue, muss ich natürlich zur Kenntnis nehmen, dass deutlich mehr Menschen mit dem Rad fahren als noch vor 10 oder 15 Jahren", sagte er. "Das heißt, auch Fahrradfahrer brauchen mehr Raum in der Stadt. Das ist unstrittig. Und ja, dafür muss man auch mal eine Autospur wegnehmen. Aber es muss sinnhaft sein."
Der CDU-Politiker betonte, er wolle eine Verkehrswende. "Das habe ich im Wahlkampf auch immer gesagt. Aber ich will eine Verkehrswende mit den Berlinerinnen und Berlinern." Wegner sprach sich außerdem für eine Antriebswende aus. "Wir wollen die verschiedenen Verkehrsmittel erhalten, auch den Individualverkehr", so der CDU-Politiker. "Aber sie sollen nicht mit fossilen Brennstoffen, sondern klimaneutral angetrieben werden. Doch dafür fehlt noch die Infrastruktur. Warum machen wir das nicht viel intensiver in Berlin?"
SPD-Chef Saleh kritisiert "Kommunikationsdesaster" zum Radwegebau
SPD-Landes- und Fraktionschef Raed Saleh pocht darauf, dass das Radwegenetz in Berlin ausgebaut werden müsse. "Über das Kommunikationsdesaster des Senats der vergangenen Tage zum Radverkehr in Berlin kann man nur den Kopf schütteln", sagte Saleh am Freitag mit Blick auf die Diskussionen, die Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) mit ihren Ankündigungen zu Einschränkungen beim Radwegebau ausgelöst hatte.
"Wir wollen und werden nämlich mehr und sichere Radwege in Berlin bauen und diese Prozesse beschleunigen", betonte Saleh. "Dazu sind wir in der Koalition verabredet zu priorisieren, welche der über 50 Projekte schon in den nächsten drei Jahren fertiggestellt werden können."
Aus Sicht des SPD-Politikers ist nicht das Ziel, die Ansprüche an den Radwegebau zurückzuschrauben: "Das Mobilitätsgesetz gilt weiter und wird lediglich unter den Aspekten der Erhöhung der Verkehrssicherheit und der Anpassung an örtliche Gegebenheiten überprüft", sagte er. "Von einem Stopp der Radverkehrsplanung und des Radverkehrsbaus kann keine Rede sein."
Sendung: rb24 Inforadio, 23.06.2023, 15:26 Uhr