1. Januar 2024 - Neues Einbürgerungszentrum in Berlin steht gleich zum Start vor viel Arbeit
Ab dem 1. Januar sollen Menschen in Berlin schneller und leichter die deutsche Staatsangehörigkeit bekommen. Die Opposition aber fürchtet: Der Start der neuen zentralen Einbürgerungsstelle könnte holprig werden. Von Franziska Hoppen
- Berlin bekommt zum Jahreswechsel eine zentrale Einbürgerungsstelle, angesiedelt beim Landesamt für Einwanderung (LEA)
- Neues Einbürgerungszentrum startet voraussichtlich mit bis zu 40.000 angestauten Anträgen
- Viele dieser Anträge sind noch nicht digitalisiert
- Mehr als ein Drittel der Stellen ist noch unbesetzt
"Voreilig" und "konzeptlos" nennt Jian Omar das Vorgehen der Berliner Innenverwaltung. Warum musste das neue Einbürgerungszentrum unbedingt schon am 1. Januar 2024 loslegen - und nicht später? Der migrationspolitische Sprecher der Grünen versteht es nicht. Denn gut anderthalb Monate vor dem Start fehlen noch immer mehr als ein Drittel des Personals, ein guter Teil der Akten, und der Stau der alten, offenen Anträge dürfte sich bis Januar auf gut 40.000 belaufen. Von dieser Zahl geht die Innenverwaltung aus.
Omar mutmaßt: "Die SPD wollte das Projekt schnell für sich beanspruchen und nach außen Erfolge präsentieren." Dass diese Erfolge bitter nötig sind, ist hinlänglich bekannt. Insgesamt mehr als 34.000 Akten schlummern derzeit in den Berliner Verwaltungen, also offene Staatsangehörigkeitsverfahren, davon der aller größte Teil Einbürgerungsanträge. Die Bezirke kommen mit der Bearbeitung schlicht nicht hinterher.
Bislang müssen Einbürgerungswillige - also Menschen, die schon mehrere Jahre in Deutschland leben, die Sprache sprechen und keine Vorstrafen haben - einen Termin für ein Erstgespräch im Bezirk beantragen, bevor sie dort ihren Antrag stellen und die Sicherheitsüberprüfung durchlaufen können. Ein zäher, langwieriger Prozess, denn oft fehlen Verwaltungspersonal und freie Termine. Wartezeiten von bis zu zwei Jahren sind die Folge - Zeit, in der die Antragsteller auf ihr Wahlrecht warten müssen, oder zum Beispiel auf den Beamtenstatus.
Derzeit schafft Berlin nur Hälfte der Anträge
Die neue Einbürgerungsstelle, angesiedelt beim Landesamt für Einwanderung (LEA), soll die Arbeit der Bezirke ab 1. Januar 2024 übernehmen und zentralisieren. 20.000 Menschen sollen pro Jahr eingebürgert werden, deutlich mehr als bisher. Zum Vergleich: In diesem Jahr hatten bis Ende September gut 15.000 Menschen Einbürgerungsanträge gestellt. Tatsächlich abgearbeitet werden konnten jedoch nur die Hälfte. Gut 7.000 Menschen erhielten den deutschen Pass.
Vor diesem Hintergrund findet Burkard Dregger, innenpolitischer Sprecher der CDU, dass Eile durchaus geboten sei. "Es war unglaublich wichtig, sofort Entscheidungen zu fällen", sagt Dregger mit Blick auf die Neustrukturierung: "damit wir das Verfahren korrigieren können und endlich Strukturen haben, mit denen wir aufgestaute Fälle abarbeiten können." Dregger ist optimistisch, dass die Aktenberge effizient geschrumpft werden können – nur bis wann, sei unklar. Rein rechnerisch dürfte es wohl rund zwei Jahre dauern. Die Innenverwaltung schreibt auf eine parlamentarische Anfrage der Linken-Abgeordneten Hendrikje Klein, der Abbau werde "gleichzeitig und kontinuierlich" erfolgen.
Dabei dürfte der Druck auf das neue Einbürgerungszentrum noch wachsen: Die Bundesregierung will Einbürgerungen demnächst erleichtern und zum Beispiel die notwendige Aufenthaltsdauer im Land von acht auf fünf Jahre reduzieren. Heißt: Noch mehr Anträge als bislang schon.
Mehr als ein Drittel Personal fehlt
Möglich machen soll das alles mehr Personal. 210 Stellen sind für die sogenannte "Abteilung S" vorgesehen, etwa 177 davon zur direkten Bearbeitung der Einbürgerungsanträge. Doch von diesen sind aktuell 65 noch nicht besetzt, etwas mehr als ein Drittel. Zwar äußert sich die Innenverwaltung zuversichtlich, dass bis zum Start alle Stellen besetzt sind und teilt mit: "Der Aufgabenübergang und die Arbeitsaufnahme der Abteilung zum 1. Januar 2024 sind in jedem Falle gewährleistet." Jian Omar von den Grünen aber berichtet, Bedenken vernommen zu haben, dass auch dann nicht alles rund laufen könnte, weil Schulungen für die neuen Prozesse viel Zeit in Anspruch nehmen könnten. Das bestätigt LEA-Chef Engelhard Mazanke - jedoch nur insofern, als dass unklar sei, wann und wie die Bundesregierung das Einbürgerungsgesetz anpassen will. das würde dann wieder die Inhalte der Schulung beeinflussen.
Die Kritik, man breche den Start des neuen Einbürgerungszentrums übers Knie, teilt auch Martin Matz, innenpolitischer Sprecher des SPD, nicht. Dass die Stellenausschreibung sich hinzieht, sei angesichts des allgemeinen Fachkräftemangels, der vielen unbesetzten Stellen in der Berliner Verwaltung und der Konkurrenz mit Bundesbehörden nicht verwunderlich. Auch der Flaschenhals von bis zu 40.000 angestauten Anträgen sei nicht auf die Reform zurückzuführen. "Nicht die Zentralisierung ist schuld daran, dass es einen Flaschenhals gibt. Der Flaschenhals war der Grund, warum wir uns für eine Zentralisierung entschlossen haben", so Matz. Dem pflichtet auch Burkhard Dregger bei: "Es wird ja nicht besser, in dem wir nichts tun."
Alte Akten teils noch nicht abgeholt
Vereinfachen soll die Prozesse in Zukunft die Digitalisierung. Statt langem Warten auf ein Erstgespräch im Amt ist ab Januar ein Online-Test vorgesehen, mit dem Interessierte ihre Tauglichkeit auf Einbürgerung in wenigen Schritten selbst überprüfen können. Auch der Antrag soll digital vom Schreibtisch aus abgeschickt werden. Noch sind die Computer-Programme zwar nicht fertig entwickelt. Doch Lea-Chef Mazanke ist sich sicher: "Wir sind im Plan." Man liege in der Zeit, wie er am Dienstag im rbb24 Inforadio sagte. So ein Verfahren gebe es in der ganzen Bundesrepublik noch nicht, Berlin betrete Neuland. Dass die Programme gute sechs Wochen vor Start schon laufen, sei viel verlangt.
Die Bezirke wiederum sollten zuletzt ihre alten, angestauten Akten einscannen und ans LEA übermitteln. Die Firma Exela, beauftragt von der Innenverwaltung, sollte ihnen dabei unter die Arme greifen. Im Bezirk Mitte zum Beispiel hat das auch geklappt. Exela holte 75 Akten-Kartons ab. Doch in Steglitz-Zehlendorf sei der Abholtermin im September kurzfristig von der Firma Exela abgesagt worden, der Dienstleister nicht zu erreichen. "Inwieweit es dann tatsächlich bis Ende des Jahres noch zu schaffen ist, alle Aktenvorgänge auch komplett zu digitalisieren und im neuen System zur Verfügung zu stellen, da habe ich einige Zweifel", teilt Tim Richter dem rbb mit, Bezirksstadtrat für Soziales. Auch in Tempelhof-Schöneberg und Neukölln stapeln sich Kartons. Der Abholtermin sei nicht bekannt, "trotz mehrfacher Nachfrage", teilt ein Sprecher aus Neukölln mit. In Friedrichshain-Kreuzberg warten gut 900 Akten auf Abholung; mutmaßlich im Dezember soll es passieren.
Womöglich ist das dann nicht einmal die letzte Fuhre, die Exela abholen und einscannen muss. Denn bis Ende des Jahres können weiterhin Anträge in den Bezirken gestellt werden.
Kein einheitlicher Übergang
Elif Eralp, Sprecherin für Migration der Linksfraktion, nennt das Übergangsmanagement des Senats "eine reine Farce". Es gebe kein einheitliches Vorgehen, "manche Bezirke arbeiten mit Wartelisten von Einbürgerungswilligen, die sie der neuen Abteilung übergeben wollen, andere nicht. Manche Bezirke haben zeitweise gar keine Anträge mehr angenommen", so Eralp. Sie glaubt, der Startzeitpunkt der Einbürgerungsstelle hätte verschoben werden müssen.
LEA-Chef Mazanke hingegen kann die Kritik, noch bevor die Neustrukturierung überhaupt begonnen hat, nicht nachvollziehen. Im rbb24 Inforadio sagt er: "Ich habe alles, um zu beginnen. Jetzt brauche ich Zeit."
Sendung: Inforadio, 14.11.2023., 8:54 Uhr