Fall Maja T. - Generalstaatsanwaltschaft verteidigt Auslieferung von mutmaßlich linksextremistischer Person nach Ungarn

Mi 03.07.24 | 22:37 Uhr
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Archivbild: Der Eingang des Kammergerichts, des Oberlandesgerichts des Landes Berlin. (Quelle: dpa/Breloer)
Bild: dpa/Breloer

Die Berliner Generalstaatsanwaltschaft hat die Kritik an der Auslieferung einer mutmaßlichen straffällig gewordenen Person aus der linken Szene für einen Prozess in Ungarn zurückgewiesen. Die Person sei nicht trotz Kenntnis der Anordnung des Bundesverfassungsgerichts ausgeliefert worden, sagte die stellvertretende Behördenleiterin Simone Herbeth am Mittwoch im Rechtsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses. "Die Auslieferung war abgeschlossen, bevor die Entscheidung aus Karlsruhe bei uns eingegangen ist", so die Leitende Oberstaatsanwältin.

Die Behörde habe auch keine Informationen dazu gehabt, dass die Verteidigung eine einstweilige Verfügung gegen die Auslieferung anstrebe, so Herbeth. Zugleich betonte sie, dass das Berliner Kammergericht der Auslieferung erst zugestimmt hätte, nachdem Ungarn bestimmte Garantien gegeben habe. Demnach gibt es die Zusage, dass die Person bei einer Verurteilung ihre Haftstrafe verbüßen kann. Zudem dürften deutsche Diplomaten die Bedingungen der Untersuchungshaft jederzeit kontrollieren.

Abschiebung per Hubschrauber

Maja T., 23, in Jena geboren, sich selbst als non-binär identifizierend, ist in der Nacht zum 28. Juni nach Ungarn ausgeliefert worden. Die Behörden dort werfen Maja T. vor, seit 2017 Mitglied einer kriminellen Vereinigung zu sein, deren Ziel es gewesen sein soll, Sympathisanten der extremen Rechten anzugreifen. Maja T. wurde im Dezember 2023 in Berlin festgenommen und saß in Sachsen in Haft. Die Bundesanwaltschaft ermittelt deswegen ebenfalls gegen Maja T.. Aufgrund des Auslieferungsersuchens aus Ungarn stellte sie ihr Verfahren zurück.

Nachdem Ungarn die geforderten Garantien gegeben hat, habe das Kammergericht Berlin am Donnerstagnachmittag der Auslieferung zugestimmt, die die Generalstaatsanwaltschaft beantragt hatte. Diese wurde in Windeseile mit einem Hubschrauber vollzogen. Ab 6:50 Uhr befand sich die Person laut Herbeth "nicht mehr auf deutschem Hoheitsgebiet", sondern in Österreich. Damit habe die Generalstaatsanwaltschaft nicht mehr reagieren können auf die Entscheidung der Karlsruher Richter.

Linke: "Bewusst Tempo gemacht, um Eilbeschluss zuvorzukommen"

Diese haben die Auslieferung untersagt - allerdings erst am Freitagvormittag. Kritiker reden von einer "Nacht und Nebel-Aktion". Laut Staatsanwältin Herbeth wählte die sächsische Polizei als Transportmittel einen Hubschrauber wegen möglicher Sicherheitsrisiken etwa durch Störungen aus der linken Szene.

Für die Fraktionen von Linke und Grünen blieb deren Angaben zufolge unverständlich, warum die Auslieferung mit einer derartigen Eile vollzogen wurde, ohne die Entscheidung des höchsten deutschen Gerichts im Eilverfahren abzuwarten. "Die Behörden haben hier bewusst Tempo gemacht, um einen erwartbaren Eilbeschluss des Bundesverfassungsgerichts zuvorzukommen", sagte der rechtspolitische Sprecher der Linken, Sebastian Schlüsselburg am Mittwoch. Die Grünen verwiesen vor allem auf die Gefahren für Maja T. angesichts dessen, dass Ungarn "ein offen queerfeindlicher Staat" sei.

Die Justizsenatorin Felor Badenberg (CDU) äußerte sich bislang nicht zu dem Vorgang. Schlüsselburg forderte sie auf, Stellung zu beziehen. Er kündigte an, den Fall am Donnerstag in der Sitzung des Abgeordnetenhauses erneut zu thematisieren.

 

Sendung: rbb24 Inforadio, 04.07.2024, 19:20 Uhr

 

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47 Kommentare

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  1. 47.

    Mit Samthandschuhen werden merkwürdigerweise immer nur rechtsextreme Tatverdächtige angefasst, bei linksextremen Tatverdächtigen ist man da nicht so zimperlich.

    Aufgrund der Zeichenbegrenzung kann ich hier leider nur wenige Beispiele aufführen. Soll ich?

  2. 41.

    Ein demokratischer Rechtsstaat ist Ungarn schon lange nicht mehr.

  3. 40.

    "Erstaunlich eigentlich..." ist vielmehr dass eine bestimmte Klientel von dem staatlicherseits begangenen Rechtsbruch ablenken will.

    Bis zur einer Verurteilung in einem rechtsstaatlichen Verfahren gilt nämlich die Unschuldsvermutung. Klar ist hingegen der begangene Rechtsbruch Berliner Behörden.

    Mir macht es mehr Angst wenn staatliche Behörden, die mit einer unglaublichen Machtfülle ausgestattet sind, schwere Straftaten begehen. Möglicherweise absichtlich.

  4. 39.

    Es ist schon erstaunlich, in einem Zusammenhang wird mit dem Wort deportieren ein großes Szenario gezeichnet und im anderen Zusammenhang wird beschwichtigt.. Sollte ich in meinem ersten Kommentar, Ihrer Ansicht nach,gegen die Netiquette des RBB verstoßen haben, so wenden Sie sich an den RBB. Danke

  5. 38.

    Niemand spricht mehr über die begangenen Gewalttaten.
    Erstaunlich eigentlich...

  6. 37.

    "Die Auslieferung einer Straftäterin ist nach Recht und Gesetz abgelaufen."

    Das sieht das höchste deutsche Gericht eben nicht. Man wollte die Auslieferung nicht nur verhindern, es fordert auch die Rückholung von Maja T.

    "Allerdings forderte noch am Freitagvormittag das Bundesverfassungsgericht im Eilverfahren, die Auslieferung müsse wieder rückgängig gemacht werden. Die Berliner Generalstaatsanwaltschaft müsse erwirken, dass der deutsche Staatsangehörige zurück in die Bundesrepublik gebracht wird, entschied das Gericht am Freitagvormittag in Karlsruhe."

    Die Berliner Behörden haben demnach ganz klar Rechtsbeugung begangen und die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden.

  7. 36.

    Genau das ist keine Demokratie wenn die Rechte eines Angeklagten mit einer "Nacht und Nebel Aktion" unterlaufen werden.

    Zu einer Demokratie gehören nämlich auch die Wahrung der Rechte, auch für Tatverdächtige. Sie und andere betreiben hier eine unzulässige Vorverurteilung.

  8. 35.

    Zur Güte, schauen Sie bitte erstmal was das lat./franz. Wort "deportieren" auf Deutsch bedeutet und ob Meinungen wie beispielsweise auch ihre vom "Medienstaatsvertrag" unberührt sind.

  9. 34.

    Genau das ist Demokratie! Wenn jemand Verbrechen begeht, muss er sich vor Gericht dafür verantworten, auch im Ausland. Heulen hilft nichts, nur weil die eigene politische Überzeugung angekratzt wird. Vor Gericht sind alle gleich.
    Unser Rechtssystem gehört zu den Errungenschaften der Demkratie.

  10. 33.

    Beim "büßen" ist es in diesem Fall leider zu erwarten, dass Maja T. keinen fairen Prozess bekommt, vielleicht nicht einmal faire Haftbedingungen. Daher auch das Unverständnis für diese "Nacht und Nebel-Aktion"...

  11. 32.

    Was soll diese Empörung. Die Auslieferung einer Straftäterin ist nach Recht und Gesetz abgelaufen. Es gibt zum Glück (noch) keine "Sonderrechte" für "Linke" und "Grüne".

  12. 31.

    Und mir machen Leute Angst, die andere Menschen einfach so verletzen, zusammenschlagen und auch deren Tod in Kauf nehmen. Und auch Leute die sowas relativieren.

  13. 30.

    Wäre die überstellte Person dem rechten Spektrum zuzuordnen, würden diejenigen, die sich jetzt beklagen jubeln.

  14. 29.

    "Aus der Gefängnisszelle mit einem Hubschrauber". Was heute alles technisch möglich ist? Und zu Ihrer Rechtsauffassung: Niemand wurde deportiert. Es wurde einem Auslieferungsantrag stattgegeben. Welche Inhalte der RBB so veröffentlicht? Wenn hier Kommentare veröffentlicht werden, deren Inhalte der deutschen Justiz indirekt Rechtsbeugung vorgeworfen wird, wird der Medienstaatsvertrag und das Neutralitätsgebot komplett ignoriert.

  15. 28.

    mir nicht, ist in einem Rechtsstaat so. Wer Straftaten begeht muss in dem Land dafür büßen.

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