Landesarbeitsgericht - Unbefristeter Kita-Streik in Berlin bleibt verboten

Fr 11.10.24 | 16:22 Uhr
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11.10.2024, Berlin: Eine pädagogische Fachkraft trägt vor der Berufungsverhandlung am Landesarbeitsgericht Berlin über einen unbefristeten Streik, zu dem die Gewerkschaften Verdi und GEW die Beschäftigten in den gut 280 kommunalen Kitas aufgerufen hatte, vor dem Gebäude einen Aufkleber mit der Aufschrift "Bildung statt Aufbewahrung! Jetzt!". (Quelle:dpa/S.Gollnow)
Audio: rbb 88.8 | 11.10.2024 | Ann-Kristin Schenten | Bild: dpa/S.Gollnow

Schwere Schlappe für Verdi & Co. vor dem Landesarbeitsgericht. Ein unbefristeter Streik an kommunalen Kitas darf endgültig nicht stattfinden. Die Gewerkschaft ist enttäuscht - es fließen sogar Tränen.

  • Die Gewerkschafen Verdi und GEW sind mit ihren Plänen eines unbefristeten Kita-Streiks vor Gericht gescheitert
  • Kita-Beschäftigte reagieren wie die Gewerkschaft Verdi mit großer Enttäuschung
  • Die Senatsverwaltung für Bildung bietet Verdi und GEW "kontruktive Gespräche" an
Der von Gewerkschaften geplante unbefristete Kita-Streik in Berlin für bessere Arbeitsbedingungen der Beschäftigten bleibt verboten.
 
Das hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschieden und damit eine Entscheidung der Vorinstanz bestätigt. Damit dürfen die in den gut 280 kommunalen Kitas beschäftigten Erzieherinnen und Erzieher die Arbeit nicht wie geplant niederlegen.
 
Aus Sicht des Gerichts wäre ein unbefristeter Streik ein Verstoß gegen die geltende sogenannte Friedenspflicht, wie die Vorsitzende Richterin Birgitt Pechstein zur Begründung sagte. Als wesentlichen Grund führte sie an, dass bei Verhandlungen mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) im Dezember 2023 bereits über Regelungen gesprochen worden sei zur Entlastung von Erzieherinnen und Erziehern.

Streik erstmal vom Tisch

Der Arbeitgeberverband führt gemeinsame Tarifverhandlungen für alle Bundesländer außer Hessen. Zwar habe die Gewerkschaft nur einen Teil ihrer Forderungen durchbringen können, so die Richterin. Da aber über das Gesamtpaket verhandelt worden sei, gelte die Friedenspflicht.

Das Landesarbeitsgericht schloss sich im Eilverfahren der Einschätzung aus erster Instanz an. Das Arbeitsgericht hatte vor zwei Wochen einem Antrag des Landes Berlin stattgegeben. Die Gewerkschaft Verdi hatte dagegen Berufung eingelegt. Aktuell ist damit kein Streik möglich, weil es nach Angaben einer Gerichtssprecherin keine weiteren Rechtsmittel gibt.

Das Land Berlin hatte in dem Berufungsverfahren auch versucht, Verdi generell Streiks gegen den kommunalen Arbeitgeber zu untersagen. Diesem Ansinnen ist das Gericht nicht gefolgt.

Tränen im Gerichtssaal 

Zahlreiche Kita-Beschäftigte verfolgten die Urteilsbegründung vor Ort und reagierten wie die Gewerkschaft Verdi mit großer Enttäuschung, eine Frau brach sogar in Tränen aus. "Wir halten das Urteil für eine Fehlentscheidung", sagte Verdi-Sprecher Kalle Kunkel. Ein Streik könne nun erst einmal nicht stattfinden. "Wir werden uns das Urteil ganz genau ansehen", so Kunkel weiter.

Aus Sicht Verdis wurde die Friedenspflicht nicht verletzt. "Gerade angesichts der massiven Grundrechtseinschränkung, die dieses Urteil in einem einstweiligen Verfügungsverfahren bedeutet, haben wir heute mit einer anderen Entscheidung gerechnet", so der Gewerkschaftssprecher.

Nur ein Teil der 2.900 Berliner Kitas betroffen

Bildungs- und Familiensenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) erklärte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur, sie begrüße das Urteil, das den von Verdi geplanten sogenannten Erzwingungsstreik erneut untersagt habe. "Diese Entscheidung ist ein wichtiges Signal für die Familien in Berlin, die auf verlässliche Betreuung angewiesen sind."

Gleichzeitig bot die Senatorin den Gewerkschaften "konstruktive Gespräche" an. "Ich bleibe offen für den Dialog und möchte gemeinsam mit allen Beteiligten Lösungen finden, die den Interessen der Beschäftigten gerecht werden und gleichzeitig die Bedürfnisse der Kinder und Familien nicht vernachlässigen."

Ähnlich äußerte sich Finanzsenator Stefan Evers (CDU). "Ein Dauerstreik auf dem Rücken der Kinder und Eltern ist gestoppt. Ich hoffe, dass die Gewerkschaftsvertreter nun zu Maß und Mitte zurückfinden", erklärte er. "Die Türen für konstruktive Gespräche über realistische Wege zur Entlastung von Kita-Beschäftigten stehen weiter offen. Es bleibt dem Senat ein wichtiges Anliegen, die Situation für die Beschäftigten in den Kita-Eigenbetrieben im Rahmen des Machbaren weiter zu verbessern."

Gewerkschaften fordern Entlastung der Beschäftigten 

Die Gewerkschaften Verdi und GEW fordern schon länger einen Tarifvertrag oder andere Vereinbarungen für bessere Arbeitsbedingungen, kleinere Kita-Gruppen und andere Entlastungen der Beschäftigten. Beide wollten mit dem unbefristeten Streik den Druck auf den Senat erhöhen. Gewerkschaftsmitglieder hatten sich in einer Urabstimmung für ein solches Vorgehen ausgesprochen.

Der Senat hat die geforderten Tarifverhandlungen mehrfach abgelehnt und auf die Mitgliedschaft Berlins in der TdL hingewiesen. Berlin könne über tarifrechtliche Vereinbarungen nicht alleine entscheiden. Andernfalls drohe ein Rauswurf aus dem Verband. Gespräche zwischen Senat und Gewerkschaften hatten in den vergangenen Wochen keine Ergebnisse gebracht.

Der Streik hätte in jedem Fall nur einen Teil der rund 2.900 Kitas in Berlin betroffen. Nicht ganz ein Zehntel davon gehört zu den sogenannten kommunalen Eigenbetrieben, in denen laut Bildungsverwaltung 32.000 Kinder betreut werden. Dort sind rund 7.000 Erzieherinnen und Erzieher sowie weitere Beschäftigte angestellt. Die übrigen Einrichtungen werden von freien Trägern betrieben, die nicht bestreikt werden sollten.

Sendung: rbb24 Inforadio, 11.10.2024, 14:20 Uhr

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80 Kommentare

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  1. 80.

    Die letzten Tarifverhandlungen haben den Erzieher*innen eine erhebliche Gehaltserhöhung beschert.Zusätzlich gab es die Hauptstadtzulage und dann noch die Stadtstaatenzulage. Zum Schluss dann noch den Inflationsausgleich getsreckt auf zwei Jahre in Höhe von insgesamt 3000 tausend EURO; übrigens steuerfrei. So geht ein Erzieher bzw Erzieherin mit Netto 2500/2700 Euro nach Hause. Gutes Geld. Noch eine Anmerkung:Die Kitaeigenbetriebe können mehrere tausend Kitaplätzen nicht besetzen,da wird es ein Personalüberhang geben. Verdi hat sich selbst ein Eigentor geschossen.

  2. 79.

    Ach männo, wie schade ist das, tut mir echt leid.
    Man Verdi (und Co.), ihr schafft es wirklich lediglich in Euren regulär vertretenden Bereichen was zu bewirken.
    Armseelige Versprechen für Berlin, ich bin raus.
    Anfang November hab ich einen andern Arbeitgeber.

  3. 78.

    Es ist so, daß nur eine anderer Personalschlüssel die Frauen und Männer entlastet und sie vor dem Burnout bewahrt. Auch die miesen Gehälter müssen angepasst werden, dann gehts auch den Kindern und uns Mamas besser!

  4. 77.

    Und noch einmal, weil es die Wahrheit ist. Der personalschlüssel muß deutlich geändert werden. Nur dies, zusammen mit einem höherem Gehalt, löst die Probleme der Frauen und Männer, und auch der Kinder!

  5. 76.

    Wie streiken, weil es ungerecht zugeht! Zu viel Kinder auf eine Person und dafür schlechte Bezahlung. So what?

  6. 75.

    Falsch: Eine ganz schlechte Entscheidung der Gerichte.
    Es muss nicht gestreikt werden um geschlossenen Kitas zu haben. Es wird noch schlimmer werden.. Das kann ich ihnen prognostizieren.

  7. 74.

    Wow … solch ein Kommentar ist herrlich… führt sicherlich in die richtige Richtung… hier schreibt scheinbar ein/e Expert*in… der Betreuungsinfarkt steht vor der Tür … das es angeblich nicht so ist , ist eine fahrlässige Behauptung, dass wissen auch die m machen in der Politik . Es ist nicht wertschätzend sich so über Erkrankungen von päd. Fachkräften auszulassen … der darüber resultierende Frust gehört an anderer Stelle angebracht…

  8. 73.

    2. Versuch
    Liebe Freunde. Es bleibt dabei, die Lösug liegt im Personalschlüssel, der muß endlich zu Gunsten der Erzieherinnen geändert werden. Auch die Gehälter müssen angepaßt werden. Und streikenist menschenrecht!

  9. 72.

    Ich glaub auch daß unsere Erzieherinnen geopfert werden, anstatt Ihnen zu helfen!

  10. 70.

    „Das nenne ich Haltung.“

    Ja. Das ist Haltung. Der Erzieher kommt nicht mehr mit dem Kopf unter dem Arm in die Kita. Vernachlässigt nicht sein Recht auf Gesundheit. Muss sich diesbezüglich keinerlei Vorwürfe, bedingt seiner verminderten Fähigkeit zur Aufbewahrung von Kindern, machen (lassen).

    Für wie doof halten Sie übrigens Erzieher? Bezüglich angekündigter AU.


  11. 69.

    Das kann man so nicht sagen. Die Zahl der Erzieher ist innerhalb von zehn Jahren um 50% gestiegen. So schlimm scheint es dann auch nicht zu sein.

  12. 68.

    Unsere Politik ist einfach unfähig....und manche Eltern anscheinend auch.
    Meine Tochter ging in die Kita und später nach der Schule in den Hort. Am späten Nachmittag wurden Hausaufgaben kontrolliert und über den Tag gesprochen. War das Essen mal nicht so lecker wurde eben zu Hause noch etwas gemacht.
    Manchmal bin ich am Tisch fast eingeschlafen, aber dass war okay;-)
    Heute ist meine Tochter erwachsen hat einen Job und hat alles überlebt. Und auch damals waren die Kitaangestellten zum Teil schon überfordert. Gebt Ihnen mehr Geld und kleinere Gruppen, unterstützt sie bei Sprachproblemen mit z.B. Studenten und der Laden läuft.

  13. 67.

    Es ist traurig wie wenig Respekt Eltern teilweise den Erziehern:innen gegenüber haben. Man wird angefeindet weil man das beste für die Kinder will. Ich werde meine Ausbildung beenden, aber nicht in den Beruf arbeiten bis sich was ändert. Zum Glück habe ich andere Alternativen.
    Kümmert euch halt selbst um eurer Kinder wenn ihr alles besser wisst.

  14. 66.

    Soviel sind dem Staat also unsere Kinder wert. Ich bin raus! Mit Bürgergeld lebt es sich wohl besser!

  15. 65.

    „Niemand erwartet ein „jetzt auf gleich“. Aber der Senat macht derzeit nichts.“
    Leider fehlt es an einem runden Tisch mit Expertise. Fachmenschen sämtlicher Couleur, die wissen worüber sie sprechen. Deutschland verspielt gerade seine Zukunft durch verfehlte Bildungspolitik. Bildung fängt ganz unten an. Kita!

    Ob eine Änderung der Personalverordnung für Kita die Lösung ist? Lesen Sie sich die kürzlich veränderte von Brandenburg aufmerksam durch. Führt eher zur Verschlimmerung, als zur Verbesserung der Bildungsqualität.
    Ohne sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen und ganz offen zu diskutieren, wird sich die Situation niemals positiv verändern.

  16. 64.

    Traurig. Als Mama eines Kindes, dass nicht gern in die Kita geht, weil es ständig das 19. Rad am Wagen ist, ist dieses Urteil noch schlimmer als ein unbefristeter Streik - den wir Eltern natürlich auch nicht einfach wegstecken können... Aber der Streik hat wenigstens Hoffnung gelassen, dass sich für die Kinder endlich etwas verbessern lässt. Jetzt wird der Berliner Senat weiter schönreden und ignorieren, was unsere Kitakinder in Berlin täglich aushalten müssen. Lärm und gestresste Fachkräfte..

  17. 63.

    Das Urteil ist nicht nur für die öffentlichen Kitas ein Schlag ins Gesicht. Auch die privaten sind davon betroffen, denn wen sich nichts bei den öffentlichen ändert, dann auch bei den anderen nicht. Somit bleibt also alles erstmal wie es ist. Große Gruppen, wenig Pädagogen, keine Qualität bei der Betreuung. Ein Flickenteppich auf den Schultern der Pädagogen die weitermachen. Als die GDL ganz Deutschland lahm gelegt hat, war das absolut in Ordnung??

  18. 62.

    Einfach gelber Schein !

  19. 61.

    Was machen die Eltern wenn keine Erzieher mehr da sind?Zuhause bleiben um Kinder zu betreuen ?Schaut über den Tellerrand ,das ist jedenfalls keine Lösung für die Zukunft !So wie es jetzt ist macht keiner mehr diesen Job!Es sind ja nicht nur besser Arbeitsbedingungen unsere Kinder profitieren ja genauso davon !Ich bin ne Mutter und meine Kinder sind privat untergebracht aber da sieht es ja genauso aus !Kürzer Öffnungszeiten oder ganz zu!Ich sehe hinter den Erzieher !

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