Ab Montag - Verdi ruft zu unbefristetem Streik in Berliner Kitas auf
Der Konflikt über die Arbeitsbelastung in städtischen Berliner Kitas eskaliert. Ab Montag brechen schwere Zeiten für viele Eltern und ihre Kinder an. Im Ringen um bessere Arbeitsbedingungen in den Kitas wurde bislang keine Einigung erzielt.
- Streik in landeseigenen Kitas in Berlin ab Montag angekündigt
- Günther-Wünsch kündigt Notbetreuung an
- Verdi wirft dem Land Berlin Verweigerungshaltung vor: Berlin sieht sich nicht zuständig
- Senat wirft Gewerkschaften vor, auf Eskalation zu setzen
- Debatte im AGH: CDU kritisiert Streikentscheidung, SPD anerkennt Streikrecht
Tausende Berliner Eltern können ihre Kinder ab kommender Woche womöglich nicht mehr in der Kita betreuen lassen. Die Gewerkschaft Verdi teilte mit, dass der vor einigen Tagen angekündigte unbefristete Streik in kommunalen Kitas nun definitiv am Montag beginnen werden. Mit seiner "unkonstruktiven Haltung" provoziere der Senat den Streik und trage damit die Verantwortung für die Belastung der Eltern und Kinder, hieß es in der Verdi-Mitteilung. Der Senat habe sich nicht einmal darauf festlegen wollen, ob es eine Belastung der Beschäftigten in den Kita-Eigenbetrieben gibt.
Für die Zeit des Streiks kündigte Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch eine Notbetreuung an. Alle Eltern sollten dazu am Freitag informiert werden, sagte die CDU-Politikerin im Abgeordnetenhaus.
CDU-Fraktionschef greift Gewerkschaft wegen Kita-Streiks an
Bei der Abgeordnetenhaus-Debatte am Donnerstag um den anstehenden Streik betonte Berlins CDU-Fraktionschef, Dirk Stettner, der Streik sei nicht gerechtfertigt. Die Gewerkschaft Verdi instrumentalisiere Mitarbeitende der Kitas für ihre Ziele - auf Kosten von Eltern und Kindern. Mit dem Streik werde sich die wirtschaftliche Situation der Kita-Eigenbetriebe weiter verschlechtern. Der Koalitionspartner der CDU, die SPD, hat das Streikrecht dagegen ausdrücklich anerkannt - ebenso wie Vertreter der Grünen und der Linken.
Die Gewerkschaften Ver.di und GEW fordern verbindliche Regelungen zur Entlastung der Beschäftigten an den städtischen Kitas. Verdi-Pressesprecher Kalle Kunkel sagte am Mittwoch in der rbb24 Abendschau, die Verhandlungen mit dem Senat seien zuletzt unbefriedigend geblieben. Sie argumentieren, der Senat verweigere Verhandlungen über verbindliche Maßnahmen für pädagogische Qualität und Entlastung in den Berliner Kita-Eigenbetrieben.
Keine Einigung bei Notbetreuung
Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch widersprach am Donnerstagvormittag in einer Erklärung der Darstellung der Gewerkschaft. Verdi und GEW hätten die Verhandlungsbereitschaft des Senats nicht gewürdigt. Statt gemeinsam Lösungen zu erarbeiten, setze die Gewerkschaft auf Eskalation und gefährde dadurch eine verlässliche Betreuung unzähliger Kinder. Da sich die Gewerkschaft auch kompromisslos gezeigt habe, beim Versuch, eine Notdienstvereinbarung für den Streikfall zu verhandeln, behalte sich das Land Berlin nun rechtliche Schritte vor.
Die Gewerkschaften werfen dem Senat vor, sich für "nicht zuständig" zu erklären und lediglich auf die Tarifgemeinschaft der Länder zu verweisen.
Verdi fordert Entlastungen - Berlin verweist auf TdL
Knapp zehn Prozent der rund 2.900 Kitas in Berlin gehören zu sogenannten kommunalen Eigenbetrieben. Dort betreuen rund 7.000 Erzieherinnen und Erzieher sowie weitere Beschäftigte etwa 35.000 Kinder - rund ein Fünftel aller Kita-Kinder. Die übrigen Einrichtungen werden von freien Trägern betrieben.
In dem Konflikt fordert die Gewerkschaft Verdi, die Erzieher in den kommunalen Kita-Eigenbetrieben zu entlasten. Festgelegt werden soll aus Gewerkschaftssicht insbesondere, für wie viele Kinder eine Erzieherin höchstens zuständig ist. Für die Berliner Erzieher der kommunalen Kita-Eigenbetriebe pocht Verdi auf "verbindliche Entlastungsregelungen, die für die Kolleginnen einklagbar" sind.
Vorbild "Kieler Modell"
Die Gewerkschaft Verdi sieht jedoch Lösungsmöglichkeiten: eine Entlastungsvereinbarung zwischen der Gewerkschaft und den landeseigenen Kita-Betrieben. Vorbild sind ähnliche Vereinbarungen in anderen Bundesländern - vor allem an der Uni-Klinik Schleswig-Holstein, bekannt als "Kieler Modell". Demnach schließt der Arbeitgeber mit der Gewerkschaft einen Vertrag ab, in dem unter anderem eine Mindestbesetzung in den jeweiligen Schichten zugesagt wird. Wird die Mindestbesetzung unterschritten, erhalten alle Mitarbeitenden, die im Dienst sind, das Anrecht auf bezahlte freie Tage.
Für Verdi wäre der Vorteil an dieser Lösung, dass sie die Positionen der Gewerkschaft stärkt, weil sie Vertragspartnerin ist. Dem Arbeitgeber könnte es nützen, weil das Streikreicht nicht greift - denn die Vereinbarung hat nicht den Rang eines Tarifvertrages. Für den Senat könnte der Vorteil einer solchen Vereinbarung sein, dass sie nicht die Vorgaben der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) verletzen würde und Berlin weiterhin Mitglied bleiben könnte.
Landeselternausschuss hält Forderungen für unangemessen
Kritisch gegenüber den Forderungen von Verdi äußerte sich Guido Lange, Vorsitzender des Landeselternausschusses Kita, am Mittwochabend in der rbb24 Abendschau. Vieles, was Verdi fordere, sei nicht umsetzbar. So müssten bestimmte Regelungen gesetzlich getroffen sein und könnten nicht über einen Tarifvertrag geregelt werden.
Lange betonte, bei den 4-bis-6-Jährigen kämen auf einen Erzieher in Berlin 7,6 Kinder - ideal sei Experten zufolge eine Gruppengröße von 7,5 Kindern. Da sei der Wert nahezu erreicht. In den Krippen sei die Differenz größer. Da käme in Berlin durchschnittlich ein Erzieher auf fünf Kinder - Experten sehen hier Lange zufolge das beste Verhältnis bei 1:3.
Um den von Verdi geforderten Betreuungsschlüssel zu erreichen, müsste man 40 Prozent mehr Erzieher haben, erklärte Lange. Es herrsche aber auch hier Personalmangel. "Den Personalschlüssel nächste Woche oder nächstes Jahr auf diesen Wert zu bringen, wird nicht funktionieren."
Keine Einigung bei Notbetreuung
Auch eine Vereinbarung über eine sogenannte Notbetreuung von Kindern während des Streiks kam bisher zwischen Bildungsverwaltung und Gewerkschaften nicht zustande. Grund: Die Vorstellungen, für wie viele Kinder Betreuungsmöglichkeiten vorgehalten werden sollen, liegen zwischen beiden Seiten weit auseinander. Bei den vergangenen Streiks hatten sich laut Verdi in der Spitze etwa 3.000 Beschäftigte beteiligt. Das hieße im Falle eines unbefristeten Ausstandes: Bis zu 4.000 Erzieherinnen und Erzieher würden arbeiten.
Sendung: rbb24, 26.09.2024, 13:00 Uhr
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