Interview | Energie-Kapitän Axel Borgmann - "Das gleicht einem Wunder"

Der FC Energie Cottbus mischt weiter im Aufstiegsrennen der 3. Liga mit. Im Interview spricht Kapitän Axel Borgmann über zwei besonders ereignisreiche Jahre, seinen unverhofft langen Aufenthalt in Cottbus und Wollitz' Legendenstatus in der Lausitz.
rbb|24: Axel Borgmann, es heißt ja, Fußball sei ein schnelllebiges Geschäft. Sind die Geschehnisse des 22. März schon wieder vergessen?
Axel Borgmann: Es ist schon so – mit einem Sieg wäre alles wieder gut. Wir haben das schnell abhaken können, schon am Tag danach. Natürlich waren wir brutal enttäuscht, als wir ausgeschieden sind. Wir müssen das aber trennen: Das eine ist der Landespokal, wo wir unser Ziel nicht erreicht haben [Cottbus unterlag dem Oberligisten RSV Eintracht Stahnsdorf im Halbfinale nach Elfmeterschießen; Anm. d. Red.]. Das andere ist die Liga, wo wir unsere Negativserie von drei Niederlagen mit dem Unentschieden gegen Hannover und dem Sieg in Sandhausen beendet haben. Es gibt keinen Grund, Negativität reinzubringen.
Positiv formuliert: Über eine Top-4-Platzierung in der 3. Liga besteht nach wie vor die Möglichkeit, ein Ticket für den DFB-Pokal zu ziehen.
Das Glas ist entweder halb voll oder halb leer. In diesem Fall ist es eine Extra-Motivation für uns, in den letzten neun Spielen so zu spielen, wie wir bisher gespielt haben. Dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass wir trotz der Niederlage im Landespokal dieses Ziel erreichen. Natürlich haben wir das im Hinterkopf. Es ist wichtig, dass wir nicht alles schwarzmalen, sondern uns bewusst machen, dass wir eine sehr gute Saison spielen und alles möglich ist.
Am Samstag (ab 13:55 Uhr im rbb Fernsehen und im Livestream auf rbb24.de) kommt der FC Erzgebirge Aue ins Stadion der Freundschaft. In der Liga haben die Sachsen zuletzt zwei Mal verloren, im Landespokal mit einem Sieg in Chemnitz das Halbfinale erreicht. Aktuell steht Aue mit 40 Punkten auf dem zehnten Platz - im Niemandsland der Tabelle. Worauf stellen Sie sich ein?
Unabhängig von Punkten und Tabellenplatz hat es einen besonderen Faktor, weil es ein Derby ist. Diesen besonderen Charakter hat man auch schon im Hinspiel gemerkt [das der FC Energie mit 3:1 gewann; Anm. d. Red.]. Das Stadion wird ausverkauft sein. Wir wollen dieses Derby für unsere Fans gewinnen – und die Spieler von Aue wollen das sicher auch. Das ist ein 50:50-Spiel. Wir wollen es nutzen, dass wir zu Hause spielen und einen Tick mehr Rückenwind durch unsere Fans haben.
Vor der Saison hat Trainer "Pele" Wollitz den Klassenerhalt und die Marke von 45 Punkten als Ziel ausgegeben – was Ihre Mannschaft längst erreicht und übertroffen hat. Mit 52 Zählern steht Energie auf dem zweiten direkten Aufstiegsplatz. Gibt es auch für die restlichen neun Saisonspiele eine Punktzahl, die anvisiert wird?
Eine klare Punktevorgabe gibt es nicht mehr. Man sieht, wie sich die Tabelle gefühlt jede Woche ändern kann – auch durch direkte Duelle. Wenn man die drei Spiele, die wir verloren haben, ausklammert, haben wir eine sehr solide Rückrunde gespielt. Wir sind eine gute Mannschaft und haben Qualität. Wir wollen jedes Spiel gewinnen. Dieses Selbstvertrauen haben wir jetzt neun Spieltage vor Schluss schon, dass wir sagen: Diesen Platz wollen wir nicht mehr hergeben.
![Juuubeeeel: Energie-Trainer "Pele" Wollitz (mi.) mit Yannik Möker und Axel Borgmann (re.) [Quelle: IMAGO / osnapix] Juuubeeeel: Energie-Trainer "Pele" Wollitz (mi.) mit Yannik Möker und Axel Borgmann (re.) [Quelle: IMAGO / osnapix]](/content/dam/rbb/rbb/rbb24/2025/2025_03/imago-images/energie-cottbus-jubel-moeker-pele-wollitz-borgmann.jpg.jpg/size=708x398.jpg)
Wollitz hat längst Legendenstatus in der Lausitz – und bleibt auch über die Saison hinaus Trainer. Im Falle eines Durchmarschs in die 2. Bundesliga dürfte ihm ein Denkmal in Cottbus nicht mehr zu nehmen sein.
Da müsste man wahrscheinlich sogar an mehr als eine Statue denken. Spontan fällt mir nichts ein. Wenn es aber so kommen sollte, müsste der Verein noch größer denken.
Jonas Hildebrandt, mit dem Sie zwischen 2021 und 2024 für Cottbus aufgelaufen sind, ist seit dieser Saison Co-Trainer. Wie macht er sich auf dem neuen Posten?
Er macht das sehr gut, das war ein großer Schritt für ihn. Man konnte sich das bei ihm aber schon immer sehr gut vorstellen. Er hat schon früh seine B-Lizenz gemacht. Nach drei Vierteln der Saison kann man sagen, dass er in dieser Rolle voll aufgeht. Er hat das Glück, mit "Pele" und Tobi [Co-Trainer Tobias Röder; Anm. d. Red.] eine perfekte Ergänzung zu haben – das ist für seine Entwicklung gut. Die zwei Jungs dürfen unter "Pele" viel machen, haben viel Entscheidungsfreiheit, sie leiten und coachen im Training viel. Jonas hat den Vorteil, mit dem Großteil der Spieler noch zusammengespielt zu haben. Das Trainerteam ist ein großer Faktor, warum wir da stehen, wo wir stehen.
Für Sie waren die vergangenen anderthalb Jahre besonders turbulent. Kreuzbandriss am 6. Oktober 2023 in der Regionalliga, Vertragsverlängerung während der Reha am 30. Dezember 2023, Einwechslung und Siegtor gegen Alemannia Aachen am 24. August 2024 – was gleichbedeutend mit den ersten drei Punkten für Cottbus in der 3. Liga war. Nun führen Sie das Team im Aufstiegsrennen als Kapitän an. Ein einziger Film.
Das beschreibt es gut. Viele Höhen und Tiefen, auch schon vor der Verletzung: Angefangen mit der Saison in den Aufstiegsspielen [2023, in denen sich die SpVgg Unterhaching durchsetzte; Anm. d. Red.], als wir Meister und Pokalsieger geworden sind. Die Kreuzbandgeschichte war dann ein Cut. Und parallel hat die Mannschaft endlich den Aufstieg geschafft. Das war eine Belohnung dafür, die ganzen Jahre hier geblieben zu sein, weil man daran geglaubt hat.
Ich weiß es sehr zu schätzen, dass ich jetzt in 25 von 29 möglichen Spielen in der Liga zum Einsatz gekommen bin. Ich bin aber auch sehr stolz auf mich, weil man lange braucht, um wieder auf sein Niveau und in seinen Rhythmus zu kommen. Der Verein hat mich dabei unterstützt und ich habe Verständnis dafür gezeigt, nicht vom ersten Moment wieder voll zu spielen – weil es keinen Sinn ergeben hätte und die Mannschaft es ohne mich sehr gut gemacht hat. Mit der Vorgeschichte kann ich es sehr gut einordnen, dass ich jetzt wieder diese Rolle einnehmen kann und gut spiele. Es rundet den Film, der es seit zwei Jahren wirklich gefühlt ist, ganz schön ab, dass ich wieder diesen Anteil haben darf. (lacht)
![Jonas Hildebrandt (li.) und Axel Borgmann im Trikot des FC Energie Cottbus [Quelle: IMAGO / Fotostand] Jonas Hildebrandt (li.) und Axel Borgmann im Trikot des FC Energie Cottbus [Quelle: IMAGO / Fotostand]](/content/dam/rbb/rbb/rbb24/2025/2025_03/imago-images/fc-energie-cottbus-jonas-hildebrandt-axel-borgmann.jpg.jpg/size=708x398.jpg)
Sie spielen seit knapp sechs Jahren für den FC Energie Cottbus und feiern im Sommer Ihren 31. Geburtstag. Karriereende in der Lausitz - wie klingt das?
Mittlerweile nicht mehr so unrealistisch. Aus Spaß hat man das bei der einen oder anderen Verlängerung schon mal so gesagt. Bis mein aktueller Vertrag ausläuft, werde ich 32 Jahre alt sein. Wenn der Körper es mitmacht, möchte ich spielen, bis ich 34 oder 35 bin. Es hat sich hier für mich extrem gut entwickelt. Das Schöne am Fußball ist, dass man das vorher nicht weiß. Ich war davor im Ausland [beim FC Vaduz in Liechtenstein und bei der VVV-Venlo in den Niederlanden; Anm. d. Red.] und dachte, es wäre mehr oder weniger eine Übergangsstation, einen Schritt zurück in die Regionalliga zu machen. Und dann kam alles anders.
Im Herrenbereich waren Sie für keinen anderen Klub länger aktiv.
Ich habe es hier liebgewonnen und gemerkt, dass das ein besonderer Verein ist. Die Wertschätzung, die mir gegeben wurde, habe ich mit Leistung zurückgezahlt. Es gab nie den Moment für mich, zu sagen, ich muss unbedingt wechseln. Das ist jetzt genauso. Solange nichts kommt, wo ich sage, wow, das muss ich zum Ende meiner Karriere noch machen, bin ich unfassbar stolz, für Cottbus spielen zu dürfen. Es kann also durchaus passieren, dass ich in drei, vier Jahren immer noch hier bin.
Wir wissen aber auch, dass der Fußball schnelllebig ist. Ich bin erstmal froh, dass wir nächstes Jahr mindestens wieder in der 3. Liga spielen. Das ist ganz wichtig für den Verein und die Region. Wir werden alles dafür tun, das vor der Saison nicht mal Thematisierte zu erreichen. Das gleicht einem Wunder – und wir haben die Möglichkeit, es zu schaffen. Das ist schön und das werden wir erstmal genießen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Anton Fahl, rbb Sport.
Sendung: rbb Fernsehen, 29.03.2025, 13:55 Uhr