AfD-Jugendorganisation - Selbstauflösung ist für Junge Alternative in Berlin kein Problem
In der AfD-Jugend rumort es, weil der Bundesvorstand die als rechtsextremistisch eingestufte Junge Alternative auflösen und eine neue Jugendorganisation gründen will. Während aus Brandenburg scharfe Kritik kommt, unterstützen die Berliner den Schritt. Von S. Müller und A. Sundermeyer
Im Büro von Martin Kohler, dem Chef der Jungen Alternative Berlin, trifft sich eine kleine Runde Mitglieder zur Strategiebesprechung. Es geht um die Frage, wie man die geplante Auflösung der Jungen Alternative (JA) und die Überführung der JA-Mitglieder in eine neue AfD-Jugendorganisation am besten organisiert. Die Frage, ob dies überhaupt der richtige Weg ist, hat der Berliner Landesverband für sich laut Kohler längst beantwortet. "Wir reden schon länger darüber, dass es darum geht, die Partei zu professionalisieren, das gilt auch für die Jugendorganisation. Gut, dass jetzt der Aufschlag gekommen ist."
Ein JA-Verbot könnte den Wahlkampf verhageln
Wenn es nach der Bundes-AfD geht, soll die Bindung zur Parteijugend viel enger werden. Die bisherige, partei-unabhängige Vereinsstruktur soll weg, die neue Jugendorganisation fest in die AfD eingegliedert werden. Dennis Hohloch, AfD-Fraktionsmanager im Brandenburger Landtag und Mitglied im Bundesvorstand, begründet die Pläne zur Auflösung der JA auch damit, die Partei habe "eine Fürsorgepflicht gegenüber ihrer Jugend". Denn die Eingliederung in die Partei würde ein mögliches Verbot der AfD-Jugend deutlich erschweren, die vom Verfassungsschutz auf Bundesebene als "gesichert rechtsextremistisch" eingestuft ist.
Es sei gut, dass sich die Partei schützend vor ihre Jugend stelle, lobt Berlins JA-Chef Kohler.
Verfassungsschutzchefs verschiedener Bundesländer und Politikwissenschaftler sehen in der geplanten Auflösung der Jungen Alternative vor allem einen strategischen Schritt. Denn ein JA-Verbot könnte der AfD den anstehenden Bundestagswahlkampf verhageln. Dr. Anna-Sophie Heinze, Politikwissenschaftlerin an der Universität Trier, sieht die JA grundsätzlich als "Radikalisierungsmotor für die AfD".
Dieser Motor könne aber nun "gar nicht mehr viel pushen", weil sowohl JA als auch AfD Verbotsverfahren drohten, so Heinze. "Man kann jetzt nicht weiter nach rechts und in den Extrembereich, das wissen die Akteure." Insofern ginge es jetzt nur noch darum, einzelne Akteure vor dem Verbot zu schützen und die Parteijugend an die Mutterpartei zu binden.
Berlins JA sieht sich nicht als "Schoßhündchen"
Doch engere Anbindung an die Mutterpartei heißt auch: mehr Kontrolle – weshalb aus verschiedenen Landesverbänden der Jungen Alternative Kritik an dem Auflösungsplan kommt. Der Berliner JA-Vorstand tut die Kritik als "Einzelmeinung" ab. Aber tatsächlich sind es mehr als nur einzelne Stimmen.
Unter anderem Brandenburgs JA-Chefin Anna Leisten nennt die Auflösung "völlig falsch" und teilte einen Post des rechtsextremen Vordenkers Martin Sellner, der vor "Zahnlosigkeit" der Jungen Alternative warnt. In einschlägigen Nutzerprofilen war außerdem die Rede davon, die JA solle zum "Schoßhündchen" der Mutterpartei werden. "Wir werden nicht zum Schoßhündchen degradiert", versichert Martin Kohler. Keine Sorge, sagt auch Berlins AfD-Parteichefin Kristin Brinker. "Wir werden denen mit Sicherheit nicht die Zähne ziehen. Das sollte nie das Ziel einer solchen Geschichte sein, definitiv nicht."
In Berlin sind Junge Alternative und AfD schon jetzt eng
Die Frage ist allerdings, wie viele Zähne die Junge Alternative in Berlin überhaupt hat. Sie fällt nicht wie andere Landesverbände durch besonders radikale Aussagen auf. Auf die Frage, inwieweit sich die Hauptstadt-JA eigentlich von der Mutterpartei unterscheide, fällt dem Grüppchen, das bei Martin Kohler zusammensitzt, nur dies ein: Ein witzigerer Auftritt in den Sozialen Medien, coolere Wahlkampfaktionen.
Demonstrativ wird die enge Verzahnung mit der Berliner Mutterpartei gelobt, es gebe da keine Reibungen, sagt JA-Vize Ferdinand Vogel: "Dementsprechend sehen wir keine Notwendigkeit, radikalere Impulse zu setzen". Inhaltlich stehe man "ganz fest" hinter der Parteiführung.
Nach den Plänen des Bundesvorstandes wäre in Zukunft jedes AfD-Mitglied bis 35 Jahre automatisch in der neuen Jugendorganisation. So wie es zum Beispiel auch bei der SPD und den Jusos der Fall ist. Für die Berliner JA könnte das eine Verdopplung ihrer jetzigen Mitgliederzahlen bedeuten. Aktuell sind allerdings etwa 60 Prozent der JA-ler noch nicht in der AfD und eine Übernahme-Garantie gebe es nicht, betont Parteichefin Brinker. "Die müssten wie jedes Neumitglied ein normales Aufnahmeverfahren durchlaufen."
Junge Alternative will noch Zugeständnisse
Dabei wird auch die Mitgliedschaft in anderen Organisationen gecheckt, die auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD stehen – etwa die Identitäre Bewegung. Die Gefahr eines Mitgliederschwunds sieht die Berliner JA deshalb nicht. "Ich sehe keine Probleme, dass wir Leute verlieren werden", sagt Ferdinand Vogel und Martin Kohler fügt hinzu: "Wir werden wahrscheinlich gar keinen verlieren."
Ein paar Forderungen zum JA-Umbau haben die Berliner: Die Finanzen der neuen Jugendorganisation müssten verlässlich gesichert sein und wenn es etwa um Parteiausschlüsse gehe, müssten die gleichen Maßstäbe gelten wie in der Mutterpartei. Aus anderen JA-Landesverbänden kommt die Forderung, die Unvereinbarkeitsliste müsse überarbeitet werden – Berlins Parteichefin Kristin Brinker klingt hier bereit zu Zugeständnissen.
Vielleicht gibt es bald zwei Jugendorganisationen
Kristin Brinker geht davon aus, dass beim AfD-Bundesparteitag im Januar eine Zweidrittel-Mehrheit für die Auflösung der JA und Gründung einer neuen Jugendorganisation zustande kommt. Danach müsste die Junge Alternative noch selbst ihre Auflösung beschließen. Bei ihrem Parteitag im Februar sind allerdings 90 Prozent Zustimmung erforderlich. Berlins JA-Chef Martin Kohler zeigt sich optimistisch, dass dies gelingt.
Dagegen rechnet Politikwissenschaftlerin Heinze mit einem anderen Szenario. Sie geht davon aus, dass es zumindest übergangsweise erstmal zwei Jugendorganisationen geben könnte. "In der neuen Organisation – vielleicht unter dem Namen "Junge Patrioten" – wären vor allem JA-ler, die schon Ämter in der Partei haben und in Parlamenten sitzen", glaubt Heinze. In der bisherigen JA blieben dann "die Extremeren, die auch stärker auf beispielsweise Straßenproteste ausgelegt sind".
Sendung: rbb24 Inforadio, 10.12.2024, 15:55 Uhr