Bundestagswahl - Diese Tücken birgt die Wiederholungswahl in Berlin
Auf die Mehrheiten im Deutschen Bundestag hat die Berliner Wiederholungswahl kaum Einfluss. Das politische Schicksal einiger Abgeordneter könnte sie sehr wohl beeinflussen. Die Wahlvorbereitungen haben begonnen. Von Christoph Reinhardt
Bezirkswahlleiter Rolfdieter Bohm aus Friedrichshain-Kreuzberg ist erleichtert. Für seinen Verantwortungsbereich folgt aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, dass nur etwa 60 Wahlbezirke ausgestattet werden müssen. Eingestellt gewesen sei er zwar auch auf eine vollständige Wiederholung im ganzen Wahlkreis, sagt Bohm, einschließlich aller Briefwahlbezirke. "Das ist jetzt zum Glück nicht gekommen, das kriegen wir hin."
Neue Namen und Ämter bei der Wahlwiederholung in Berlin
Aber die Uhr tickt. Schon am 8. Januar müssen die Briefwahlunterlagen fertig sein. Einfach nur die Wahlzettel von 2021 neu drucken, genügt nicht. Zwar dürften die Parteien ihre Vorschläge nicht mehr verändern, so steht es im Wahlgesetz. Aber Namen müssen aktuell sein.
Die NPD zum Beispiel hat sich inzwischen umbenannt in "Die Heimat" und darf nur so auf dem Wahlzettel auftauchen, sagt Bohm. Ein rechtliches Problem in Friedrichshain-Kreuzberg gibt es auch bei der Direktkandidatin der SPD: Cansel Kiziltepe gehört inzwischen dem Berliner Senat als Sozialsenatorin an. Eine Doppelrolle als Abgeordnete und Mitglied einer Landesregierung schließt das Wahlgesetz aber aus.
Praktisch gelöst sei das Problem inzwischen dadurch, dass Kiziltepe erklärt habe, das Mandat später nicht anzunehmen. "Auf dem Stimmzettel muss sie trotzdem stehen", sagt Bohm. Denn eine Änderung der Wahlvorschläge sei bei einer Wahlwiederholung rechtlich nur vorgesehen im Todesfall oder bei Verlust der Wählbarkeit.
Etwa durch einen Wechsel der Staatsangehörigkeit. Aber auch bei schweren Straftaten gibt es die Möglichkeit, dass ein Strafgericht die Wählbarkeit aberkennt. Dies komme "zum Glück sehr selten" vor, sagt Bohm, müsse aber wie bei jeder Wahl geprüft werden.
"Hochverräterisches Unternehmen" und abtrünnige Politiker
Spektakuläres Beispiel: Die Direktkandidatin der AfD in Steglitz-Zehlendorf, Birgit Malsack-Winkemann, die wie 2021 auf Platz 5 der Landesliste berlinweit auf den Wahlzetteln steht - und nach einem Jahr in Untersuchungshaft in der vergangenen Woche durch die Bundesanwaltschaft angeklagt wurde.
Der Vorwurf: die "Mitgliedschaft in oder Unterstützung einer terroristischen Vereinigung und Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens". Die Bundesanwälte sind überzeugt, dass die frühere Richterin und ihre mutmaßlichen Mitstreiter aus der Reichsbürger-Szene in einer Art Putsch Bundestagsabgeordnete festnehmen wollten, um eine neue Regierung zu installieren. Der Prozess am Oberlandesgericht Frankfurt hat aber noch nicht begonnen. Es gilt die Unschuldsvermutung – bis zum Beweis des Gegenteils darf Malsack-Winkemann nicht vom Wahlzettel gestrichen werden.
Die Parteien müssen schnell entscheiden, wie sie solchen zwischenzeitlich entstandenen Problemen umgehen. Die Linke etwa im Fall von Alexander King, der 2021 auf Platz 8 der Landesliste den Einzug in den Bundestag verpasste, aber später als Nachrücker ins Berliner Abgeordnetenhaus kam. Inzwischen hat King der Partei den Rücken gekehrt, um sich dem Bündnis Sahra Wagenknecht anzuschließen.
Ab dem 2. Januar dürfen die Parteien in der gesamten Stadt ihre Plakate aufhängen.
Wiederholungswahl in Berlin mit Wahlplakat-Recycling
Die AfD hat ihr Wahlkampfmaterial von 2021 schon durchgesehen und will nur wenig ändern, sagt der Bundestagsabgeordnete Götz Frömming. Damals war er als AfD-Direktkandidat in Pankow mit knapp neun Prozent weit abgeschlagen und kam nur über die Landesliste ins Parlament.
Jetzt hofft er auf ein deutlich besseres Ergebnis: "Wir freuen uns auf den Wahlkampf, denn wir stehen derzeit bundesweit bei über 20 Prozent. Das beflügelt uns natürlich, unsere Botschaften nochmal auf der Straße zu zeigen."
Denn vor allem in Pankow könnten die Karten neu gemischt werden. Wegen der vielen Wahlfehler hat das Bundesverfassungsgericht die Ergebnisse von 180 der insgesamt 215 Wahlbezirke für ungültig erklärt.
Anders gesagt: In fast 85 Prozent der Pankower Wahlbezirke wird am 11. Februar nochmal gewählt. Zumindest bezirksweit fast doch eine komplette Neuwahl, bei der vor allem die Direktkandidaten auf alles gefasst sein müssen.
Hoffnung auf Ergebniskorrektur für Linke und CDU
Die Linke würde nur zu gerne an alten Erfolgen anknüpfen. Dreimal in Folge hatte ein linker Kandidat den Wahlkreis zuletzt gewonnen. Aber 2021 rutschte Direktkandidat Udo Wolf um über zwölf Prozentpunkte ab und verpasste einen Platz im Bundestag. Stimmen gutmachen konnte zwar Klaus Mindrup für die SPD, blieb aber knapp hinter Stefan Gelbhaar, der die grünen Erststimmen um 11,3 Prozent steigern konnte.
Wie sich die derzeit schlechten Umfragewerte der Ampel-Parteien auf die Wiederholungswahl auswirken, wird zumindest für den Grünen Gelbhaar nicht entscheidend sein – er ist über die Landesliste abgesichert.
Ebenso wie die Spitzenkandidatin der CDU, Monika Grütters. 2021 konnte sie den Wahlkreis Reinickendorf nur mit hauchdünner Mehrheit gewinnen und verlor fast zehn Prozentpunkte. Am 11. Februar will die CDU den günstigen Bundestrend nutzen und die Scharte wieder auswetzen. Alte Plakate wiederverwenden, wie die AfD es tut, ist für die CDU keine Option, denn die Partei hat inzwischen das Corporate Design gewechselt. "Ein paar Zehntausend Euro" hat die CDU für ihren Wahlkampf eingeplant.
Die FDP meldet einen Wahlkampetat "im unteren sechsstelligen Bereich", unter anderem für Großflächenwerbung. Die Linke will zehn- bis fünfzehntausend Plakate aufhängen, die SPD 6.800, die Grünen haben 9.000 Plakate bestellt.
Sendung: rbb24 Inforadio, 20.12.2023, 17:04 Uhr