Interview | Ex-Unioner Toni Leistner - "Ich fiebere extrem mit"
Toni Leistner spielte vier Jahre für den 1. FC Union und verteidigt heute in der ersten belgischen Liga. Im Interview verrät er, warum sein Herz immer noch für die Eisernen schlägt und was von Unions Europa-League-Gegner St. Gilloise im Rückspiel zu erwarten ist.
rbb|24: Herr Leistner, 2018 gingen sie vom 1. FC Union zu den Queens Park Rangers nach England. Nach den Stationen 1. FC Köln und dem HSV sind Sie nun bei St. Truiden in der belgischen ersten Liga aktiv. Wie würden sie das Niveau dort beschreiben?
Toni Leistner: Die belgische Liga ist ein bisschen mit der zweiten Liga in England vergleichbar. Es ist eine sehr robuste Spielweise hier. Man hat viele afrikanische Spieler in den Mannschaften, die sehr über ihre Physis kommen. International gesehen ist auffällig, dass die belgischen Teams mittlerweile gut mithalten können. Der FC Brügge hatte eine sehr gute Vorrunde in der Champions League gespielt, aber momentan stecken die etwas in der Krise. Insgesamt ist die Liga aber sehr ausgeglichen. Union Saint-Gilloise [Unions Gegner im Europa-League-Achtelfinale, Anm. der Red.] ist als Aufsteiger letzte Saison direkt Zweiter geworden. Genk kam vergangenes Jahr als Achter nur knapp in die Playoffs, jetzt stehen sie an der Tabellenspitze.
Sprechen wir mal über den Gegner der Eisernen, Royale Union Saint-Gilloise. Welche Stärken und welche Schwächen hat das Team?
Ich konnte nur in der Hinrunde gegen sie spielen, und seitdem hat sich der Kader von Saint-Gilloise nochmal verändert. Deren Mittelstürmer Dante Vanzea ist beispielsweise nicht mehr dabei, weil er in die MLS zu New York Red Bull gegangen ist. Grundsätzlich ist es aber eine Mannschaft, die sehr kompakt steht, mit die beste Defensive der Liga hat, auch wenn sie gegen Union drei Gegentore kassiert haben. Das war eher untypisch für sie. Aus ihrer Kompaktheit heraus können sie dann sehr schnell und sehr gut umschalten.
Klingt nach Union Berlin.
Auf jeden Fall. Das haben auch viele Experten gesagt. Urs Fischer meinte ja auch, dass da zwei komplett gleiche Mannschaften aufeinandertreffen. Wobei man sagen muss, dass sich beide Teams im Vergleich zum letzten Jahr spielerisch deutlich gesteigert haben. Ich verfolge Union noch sehr intensiv, da hat sich extrem viel zum Positiven entwickelt. Aber, was den Spielstil betrifft, sind die zwei Mannschaften komplett auf Augenhöhe.
Sie verfolgen die Entwicklung von Union also sehr genau. Fiebern Sie bei den Spielen richtig mit?
Auf jeden Fall. Wer meine Instagram-Storys gesehen hat, der weiß, dass ich auch beim Spiel von Union in Amsterdam war [Auswärtsspiel in der Zwischenrunde, Endstand: 0:0, Anm. der Red]. Da war ich mit Torsten Mattuschka und ein paar Freunden zusammen im Stadion. Und klar, ich fiebere extrem mit und hoffe, dass sie in Belgien das Ding für sich entscheiden werden.
Union kommt also weiter?
Davon bin ich überzeugt. Sie haben zuletzt immer wieder gezeigt, dass sie Drucksituationen standhalten können. Ich erinnere da auch an das Vorrundenspiel gegen St. Gilloise, das sie auswärts 1:0 gewinnen konnten, als sie es mussten. Ich gehe davon aus, dass sie wieder ein Tor mehr schießen werden, als das andere Union.
Sie kennen auch den Lotto-Park in Brüssel, Heimstätte des RSC Anderlecht, in dem das Rückspiel stattfindet. 21.500 Zuschauer fasst das Stadion, ähnlich groß wie das Stadion An der Alten Försterei. Was macht dieses Stadion in Brüssel aus?
Es ist ein sehr enges Stadion. Eines der wenigen in Belgien, das komplett geschlossen ist, was hier wirklich eher die Ausnahme ist. Bei Spielen von Anderlecht ist es wie ein kleiner Hexenkessel, in dem es wirklich Spaß macht, zu spielen. Leider habe ich dort mit meinem Verein St. Truiden noch nie etwas geholt. Wie das jetzt Saint Gilloise in diesem Stadion umsetzt, ist schwer zu sagen. Ich weiß, dass ihre Fans in ihrem heimischen Stadion auch sehr frenetisch sein können.
Werden sie wieder Union im Stadion unterstützen?
Ich wollte ins Stadion gehen, aber momentan bin ich körperlich etwas angeschlagen, befinde mich gerade in der Reha in Schweinfurt, liegt leider nicht gerade um die Ecke, weshalb ich Union vor dem Fernseher die Daumen drücken werde.
2018 sind sie von Union Berlin weggegangen. Aus ihrer Zeit sind nicht mehr viele Spieler im Verein. Haben sie noch Kontakt in die Mannschaft oder pflegen sie Freundschaften von damals?
Durchaus. Jakob Busk ist noch da, der ja aktuell der dritte Torwart ist. Zu Sebastian Bönig habe ich noch Kontakt, damals Co-Trainer unter Norbert Düwel oder zu Susi Kopplin, Mannschaftsleiterin der Profis, aber auch mit dem ein oder anderen Fan. Wenn man vier Jahre für einen Verein gespielt hat, dann entwickelt sich da sehr viel. Ich habe mich während meiner Zeit bei Union immer sehr wohlgefühlt, unsere erste Tochter ist damals in Berlin geboren worden und deswegen haben wir noch viele Verbindungen in die Stadt.
Unions ehemaliger Stürmer Sebastian Polter war sogar ihr Trauzeuge.
Ja, das stimmt. Derzeit wohnen wir nicht so weit auseinander. Sebastian spielt ja für Schalke und ist daher nicht weit weg, wir sehen uns häufiger, weil meine Frau mit den Kindern in Köln wohnt, und dort bin ich auch dreimal die Woche. Den Rest der Zeit verbringe ich in meinem Apartment in Belgien.
Für Union haben sie 119 Pflichtspiele bestritten. Sie waren knapp vier Jahre in Köpenick, war das ihre schönste und wichtigste Station bislang in ihrer Profikarriere?
Ich muss das ein bisschen differenzieren. Klar, war es eine der schönsten Stationen, gerade was das familiäre Umfeld betrifft. Auch die Fans darf man nicht vergessen, die uns immer positiv gepusht haben. Aber auch die Zeit beim 1. FC Köln war wichtig für mich, weil ich dort mein erstes Bundesliga-Spiel gemacht habe und eine erfolgreiche Zeit hatte, wir den Klassenerhalt schaffen konnten. Und dass ich bei meinem Heimatverein Dynamo Dresden für die Profis spielen konnte. Wenn man die Gelegenheit bekommt, für ein Team zu spielen, bei dem man selbst in der Kurve stand, dann ist es das Größte.
Ihr Vertrag in Belgien läuft im Sommer aus, wo sehen wir sie demnächst?
Ja, mein Vertrag läuft aus, gerade bin ich offen für alles. Es gibt auch schon die ein oder andere Option. Nach der Saison werde ich mich mit einem Berater und meiner Familie zusammensetzen und dann entscheiden. Unser Sohn wird gerade eingeschult und das muss man auch immer mitbedenken. Es gibt nicht nur Toni Leistner, sondern da ist ja auch eine Familie, die ich glücklich machen will.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Fabian Friedmann für den rbb Sport.
Sendung: rbb24 Inforadio, 16.03.2023, 21 Uhr