Vor Herthas Mitgliederversammlung - Präsidentschaftskandidat Timoshin teilt aus und wirft Fragen auf
Mitgliederversammlungen bei Hertha BSC haben es traditionell gerne mal in sich. Dass es bei der kommenden Sitzung am 17. November heiter werden könnte, liegt auch an Präsidentschafts-Kandidat Stepan Timoshin. Der im Vorfeld gehörig austeilt.
Sollte Stepan Timoshin am 17. November ebenso austeilen, wie in der aktuellen Folge des rbb24 Inforadio-Podcasts "Haupstadtderby", dürfte es eine stimmungsvolle Mitgliederversammlung werden bei Hertha BSC. Timoshin, 23 Jahre jung und in Boulevard-Zeitungen als "Sneaker-Millionär" bekannt geworden, kandidiert für das Präsidenten-Amt der Hertha. Und teilt zumindest im "Hauptstadtderby", das in den kommenden Wochen weitere Kandidaten zu Gast haben wird, gehörig aus.
Er sei, so Timoshin, der einzige Kandidat, "der wirklich bereit ist, anzupacken und die Sachen transparent anzusprechen." Und das, weil ihm der Klub am Herzen liege, was er seinen Mitbewerbern offenbar abzusprechen scheint: "Wo waren denn die ganzen Kandidaten bei den Mitgliederversammlungen oder bei den U14-Spielen, wo ich immer hingehe? Oder bei den Frauen-Fußballspielen?"
Eine Mitgliedschaft als Ungereimtheit
Auf dem Instagram-Account rbbfussball, der die Aussagen Timoshins geteilt hat [instagram.com/rbbfussball], stößt er damit auf Kritik. So fragen sich einige User, wie Timoshin denn bei früheren Mitgliederversammlungen gewesen sein soll, wenn er doch erst im Oktober 2023 Mitglied des Vereins geworden ist.
Der in Riga geborene und 2008 nach Deutschland gekommene Timoshin, der mit dem Verkauf von Turnschuhen bekannt und vermögend wurde, sagte im "Hauptstadtderby", er sei im Alter von acht Jahren erstmals von seinem Vater mit zur Hertha genommen worden. Welche Partie er bei seiner Premiere im Olympiastadion gesehen habe, daran kann er sich nicht mehr erinnern. Jedoch sei der Klub von da an wie eine Familie für ihn gewesen. Auf seinem eigenen Instagram-Profil [instagram.com/stepan_timoshin] sagte er in einem jüngst erschienenen Video: "Seit meiner Jugend mache ich zwei Dinge: Ich arbeite hart und gehe zu Hertha."
Timoshin teilt aus
Den aktuellen, kommissarischen Hertha-Präsidenten Fabian Drescher nimmt er von seiner Kandidaten-Schelte zwar zunächst aus. Aber nur, um ihn dafür in anderer Hinsicht umso mehr anzugehen. Drescher habe "keine Ahnung. Der ist seit acht Jahren bei Hertha mit an Bord. Er ist mitverantwortlich für die Missgeschicke der vergangenen Jahre. Ist mit einer, der im Präsidium abgesegnet hat, wie die 374 Millionen Euro verbrannt wurden."
Dann legt Timoshin richtig los: "Hertha BSC ist der schlimmste Sanierungsfall, ein Saustall, der in Ordnung gebracht werden muss. Weil Du könntest Hertha BSC jetzt eine Milliarde geben und das Geld würde wieder verbrannt. Weil es gibt keine klaren Strukturen, es gibt keine Expertise." Zudem habe kein anderer Kandidat einen "strukturierten Plan".
Vieles bleibt vage
Er hingegen schon, so Timoshin, der im Falle einer Wahl "als Erstes" eine Analyse und dann innerhalb von zwei Wochen einen Plan "für die ersten 100 Tage" ankündigt. Man müsse klare Strukturen schaffen und Transparenz, ein Verein der Zukunft und für alle sein. Von Strukturen redet Timoshin auch sonst häufig. Was genau er damit meint, bleibt jedoch zumeist relativ vage.
Immerhin einen 5-Punkte-Plan hat Timoshin nun veröffentlicht, auf seiner Kampagnen-Seite "Hauptsache Hertha" [hauptsachehertha.de]. Darin wirbt er für Mitgliederentscheide, einen Fokus auf den Nachwuchs, eine Abkehr von Investoren, Experten-Gremien und günstigere Tickets für Fans, die sich die bisherigen Eintritts-Preise selten bis gar nicht leisten können.
Die Frage nach der 40-Millionen-Anleihe
Vieles davon klingt ähnlich wie das, wofür der verstorbene Ex-Präsident Kay Bernstein geworben hat und wofür auch sein damaliger Vize-Präsident Fabian Drescher weiterhin einstehen will. Timoshin befürwortet deren als "Berliner Weg" propagierte Perspektiven grundsätzlich auch, findet allerdings, dieser müsse erst noch gegangen werden. Wirklich konkret wird er dabei jedoch kaum. Einzig bei einer Frage wird Timoshin, der das Sneaker-Geschäft, mit dem er einst bekannt wurde, inzwischen veräußert hat, deutlicher.
Gemeint ist eine 40 Millionen schwere Anleihe, deren Rückzahlung ursprünglich für 2023 vorgesehen war, was den Zweitligisten finanziell vor enorme bis unlösbare Probleme gestellt hätte. Statt auf Rückzahlung zu pochen, stimmten die Gläubiger dann aber einer Fristverlängerung um zwei Jahre zu. Allerdings zu einem deutlich erhöhten Zinssatz.
Dazu sagt Timoshin im "Hauptstadtderby"-Podcast: "Ich bin der einzige Kandidat, der die 40-Millionen-Anleihe in den ersten 100 Tagen gesamt ablösen will, ohne eine neue Finanzierung. Es gibt super viele Unternehmer in Berlin, denen Hertha am Herzen liegt. Aber die wurden so verprellt; das Potential müssen wir nutzen. Das werde ich nutzen."
Timoshin: "Geld besorgen, aber ohne Investoren"
Sollte Timoshin, dem aktuell nur absolute Außenseiterchancen eingeräumt werden, gewählt werden, will er das tun, was er gut könne: "Strukturen schaffen und Geld besorgen, aber ohne Investoren."
Für eine seiner bekanntesten Firmen hat das zuletzt offenbar nicht mehr ausgereicht. Die Bekleidungsfirma Elevate, die er zusammen mit den Influencern Elias Nerlich und Sidney Eweka betrieb, wurde im Sommer liquidiert. Die "BZ Berlin" berichtete daraufhin, zahlreiche Angestellte würden auf ihre Gehälter mehrere Monate warten [bz-berlin.de]. Ob darunter auch Hertha-Fans sind, ist nicht bekannt. Stimmungsvoll werden dürfte es am 17. November aber schließlich so oder so.
Sendung: rbb|24 Inforadio, 28.10.2024, Hauptstadtderby