Hertha BSC vor Mitgliederversammlung - Der Kampf um das Vermächtnis von Kay Bernstein

Mi 22.05.24 | 13:37 Uhr | Von Marc Schwitzky
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Hertha-Gedenken an Kay Bernstein
Bild: IMAGO/Contrast

Die Mitgliederversammlung von Hertha BSC am Sonntag bietet einmal mehr Zündstoff. Die Trennung von Trainer Pal Dardai, die finanzielle Situation von Investor 777, ein offener Brief der Ultras, aber vor allem der "Berliner Weg" werden diskutiert. Von Marc Schwitzky

Im Oktober 2023 konnte Kay Bernstein nicht dabei sein. Der damalige Präsident von Hertha BSC hatte sich bei einmal Unfall auf der Geschäftsstelle so stark verletzt, dass er der Mitgliederversammlung nicht beiwohnen und zwischenzeitlich aus dem Krankenbett hinzugeschaltet werden musste.

225 Tage später wird Bernstein auf der "MV" erneut fehlen - er verstarb im Januar dieses Jahres überraschend im Alter von nur 43 Jahren. Eine Tragödie, die die sonst so schnelllebige Fußballwelt für einen Moment stillstehen ließ und Hertha BSC immer noch nachhaltig schockiert.

"Berliner Weg" steht zur Debatte wie nie zuvor

Bernstein hatte den Verein in seiner eineinhalb Jahre währenden Amtszeit geeint, stabilisiert und Hertha-Fans wieder einen Grund zur Hoffnung gegeben. Herzblut, Identifikation und Demut statt Intrigen, Grabenkämpfen und sportlichen Allmachtsfantasien, die in wirtschaftlichem Irrsinn endeten.

Der maßgeblich von ihm geprägte "Berliner Weg" wurde zu Beginn von 2023 als neue Leitlinie im Verein implementiert. Hinter diesem Weg konnten sich die Allermeisten bei der "alten Dame" versammeln - doch im Mai 2024 steht er so sehr zur Debatte wie nie zuvor. Die Mitgliederversammlung am kommenden Sonntag bietet daher gehörigen Zündstoff.

Fanszene kritisiert Investor 777 Partners

Am vergangenen Samstag veröffentlichte Herthas größte Ultra-Gruppierung, die "Harlekins Berlin 98", eine Stellungnahme, in der sie Klub-Investor 777 Partners stark kritisieren. "Die aktuellen Entwicklungen rund um 777 Partners verdeutlichen, dass dieser Anteilseigner ebenso wie Vorgänger Lars Windhorst ein toxischer Akteur für den Fußball und ein brandgefährlicher Partner ist", heißt es darin.

Die Pleite von 777 Partners steht offenbar bevor. (…) Es ist davon auszugehen, dass das Kartenhaus bald zusammenfällt.

Chaled Nahar, ARD-Experte für Investoren im Fußball

Neueste Nachrichten über 777 "erfüllen uns mit großer Besorgnis um unseren Verein und dessen künftige Ausrichtung", schreiben die Harlekins weiter. Der Investor gerät - mit seinem weltweiten Fußball-Netzwerk - derzeit mehr und mehr ins Schlingern. "Die Pleite von 777 Partners steht offenbar bevor. (…) Es ist davon auszugehen, dass das Kartenhaus bald zusammenfällt", schildert Chaled Nahar, ARD-Experte für Investoren im Fußball, rbb|24. Hertha beteuert, bislang alle vereinbarten Tranchen des 100-Millionen-Euro-Investments von 777 Partners teils sogar vorzeitig erhalten zu haben.

Der "ehrliche, geerdete und authentische Weg mit Blick auf die Forderung der eigenen Talente" müsse im Sinne des verstorbenen Bernstein weiter gefördert und eine gesteigerte, renditeorientierte Einflussnahme des Investors verhindert werden, fordern die Harlekins.

Kritik an Vereinsverantwortlichen

Doch die Ultra-Gruppe sieht den "Berliner Weg" nicht nur wegen des Investors in Gefahr. Ihre deutliche Mahnung richtet sich ebenso an Kräfte im eigenen Klub. "Auch auf der Geschäftsstelle und in den Gremien scheint jene Fraktion zu erstarken, die eine Kehrtwende weg von dem Pfad anstrebt, den Hertha BSC unter Kay Bernstein eingeschlagen hat. Hinter vorgehaltener Hand wird auch schon mal das Narrativ benutzt, 'dass Kays Tod inhaltlich kein Verlust' sei", heißt es, wenn auch ohne Erwähnung konkreter Namen.

So würden die Entwicklungen zeigen, dass derzeit am "Berliner Weg" gerüttelt wird. Der Vertrag, so die Mitteilung, von Geschäftsführer Thomas E. Herrich hätte nach dem Willen von Bernstein nicht verlängert werden sollen. "Der Prozess dazu lief seit vergangenem Herbst und wir haben Gespräche mit Tom im Personalausschuss geführt - damals noch unter der Führung von Kay. So sind wir Ende vergangenen Jahres zu dem Entschluss zur Verlängerung gekommen", entgegnet Interimspräsident Fabian Drescher in einem Vereinsinterview.

Was ist der "Berliner Weg"?

Auf der kommenden Mitgliederversammlung werden keine großen Entscheidungen getroffen und auch keine Gremienwahlen stattfinden - und doch umgibt sie eine große Brisanz. Seit dem Tod von Kay Bernstein ist eine Debatte um die Deutungshoheit des "Berliner Wegs" entbrannt. Was beinhaltet jenes Konzept eigentlich? Und wer bestimmt das? Und ist der "Berliner Weg" an konkrete Personen, allen voran Kay Bernstein gekoppelt?

Seit dessen Tod fallen in Fan- und Beobachterkreisen immer wieder Sätze wie "Das hätte es mit Bernstein nicht gegeben" oder "Das hätte Kay gewollt" - quasi gleichbedeutend damit, ob jene Entscheidung gemäß dem "Berliner Weg" getroffen wurde. Eine vermeintliche Einflussnahme des Investors und Personalentscheidungen wie die in Bezug auf Herrich oder Dardai nähren jenen Diskurs nur weiter.

Drescher: Identifikation und Nahbarkeit

"Es geht nicht um einzelne Beschlüsse oder Personen, sondern stets um die Frage: Was ist das Beste für Hertha BSC? Wie bringen wir diesen Verein dorthin, wo er unserer Meinung nach hingehört? Und wie führen wir diesen Verein? Das möchten wir so tun, wie Kay es ausgerufen hat: Offen, transparent, demütig, mit Fokus auf die eigenen Talente im sportlichen Bereich und vor allem nachhaltig", definierte Drescher "den Berliner Weg" vor wenigen Tagen.

Dazu kämen Aspekte "wie die wirtschaftliche Sanierung, die wir weiter vorantreiben müssen, oder die ökonomische und ökologische Nachhaltigkeit, mit der wir unsere Arbeit betreiben wollen", so der Interimspräsident. All das solle so umgesetzt werden, dass sich die Hertha-Fans damit identifizieren können und der Verein nahbar bleibt.

Was hätte Kay Bernstein getan?

Dass die Debatte um die Gesamtrichtung des Vereins so leidenschaftlich geführt wird, ist aufgrund der vergangenen Jahre alles andere als verwunderlich. Hertha befand sich in der Windhorst-Ära in einer tiefen Identitätskrise – das soll nie wieder passieren, die Fans sind hierbei gebrannte Kinder.

Nur stellt sich die Frage, ob jede zukünftige Vereinsentscheidung mit "Was hätte Kay Bernstein getan?" beantwortet werden kann. Schließlich hatte Bernstein die Zusammenarbeit mit 777 Partners als auch das Sponsoring von Glücksspielmarke Crazybuzzer mit zu verantworten. Nicht weil er es mochte, sondern aufgrund akuter Alternativlosigkeit. "Es war eine Situation, wo es keine Alternative gab und wir, wenn wir keinen Hauptsponsor bekommen hätten, 20 weitere Mitarbeiter hätten entlassen müssen", erklärte er damals den Crazybuzzer-Deal. Auch Idealist Bernstein war an Realitäten gebunden.

So lässt es aufhorchen, mit welcher Überzeugung dem verstorbenen Bernstein teilweise Worte in den Mund und Entscheidungen an die Hand gelegt werden und er dabei beinahe schon zum Instrument dafür verkommt, die eigene Deutungshoheit im "Berliner Weg" zu behaupten. So wird die kommende Mitgliederversammlung eine von vielen weiteren Diskussionsplattformen dafür sein, wie Hertha BSC den "Berliner Weg" ohne Bernstein definiert und weitergehen will. Dabei wird es vor allem auf die Kommunikation der Verantwortlichen ankommen - etwas, das Kay Bernstein besser als jeder andere konnte.

Sendung: Der Tag, 21.05.2024, 19:15 Uhr

Beitrag von Marc Schwitzky

17 Kommentare

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  1. 17.

    Sie haben in Ihrem Leben noch nichts geleistet ode.r?Wer so voll Häme die Leistungen eines verdienten Herthaspielers und Trainers ,über einen Menschen spricht hat vor sich selbst keine Achtung,sie sollten sich schämen.

  2. 16.

    Pál Dardai mit einen Neuanfang zu verbinden, ist schon witzig. Beim Gedanken, den als Präsident zu sehen, verschlägt es mir die Worte.
    Ist das nicht der, der durch Inkompetenz, Selbstherrlichkeit, Schwachsinn, den Verein dahin brachte, wo er jetzt steht? Schwadronierte der nicht von Wiederaufstieg und kommt über die Mittelmäßigkeit nicht hinaus?
    Selbst eine Regionalmannschaft zu trainieren, traue ich dem nicht zu.
    "Gut, dass Pal Dardai noch im Verein ist, gerade für den Fall eines solchen eventuellen Neuanfangs."
    Ich lach mich schief.
    Und der Verein?
    An Peinlichkeiten topp, kein Ansehn, kein Geld, der Lacher der Nation, leistet sich das Gnadenbrot für diesen sportlichen Versager und großmäuligen Schwätzer?
    "Gut, dass Pal Dardai noch im Verein ist, gerade für den Fall eines solchen eventuellen Neuanfangs."
    Kai Bernstein würde sich im Grabe umdrehn, wenn er wußte, was aus seinem "Berliner Weg" gemacht wird.

  3. 15.

    Ich stimme Ihrer Einschatzung vollkommen zu und habe mich hier oft zu Pal Dardai geäussert.Er kann Jugend fördern,motivieren,integrieren und er ist ein sehr guter Trainer der durch und durch ein Herthaner ist.Der Fussball als Mannschaftssport,Maloche und auch taktische Einstellungen lehrt mit dem was er an Spielern zur Verfügung hat.Er ist ein Mensch grundsolide,aufrichtiger und geradeheraus.Seine Einschätzung zum Verlauf der Saison und einen Platz im vorderen Drittel war sehr realistisch.Es ging darum erstmal nicht abzusteigen und mittelfrmittelfristig aufzusteigen .Warum erweist man diesem treuen Herthaner nicht den Respekt und lässt ihn weterarbeiten und die echten HerthaFans begeistern.Jetzt wird wieder einer geholt der nur rethorisch glänzt und ein Wunder verspricht.Die Presse ist mit Schuld,sie hat auf einmal von Aufstieg gefaselt und Dardai demontiert, wie schon in der Vergangenheit.

  4. 14.

    Berliner Weg = Bence weg.

    Leute, mal ehrlich: wenn DAS Berliner Nachwuchstalent und noch dazu Trainer-Sohn (!) Bence Dardai lieber zum Plastik-Verein nach Wolfsburg wechselt und fast zeitgleich dafür ein eher mittelmäßiger Stürmer aus Magdeburg verpflichtet wird... wen will Hertha denn eigentlich immer noch mit dem Marketing-Slogan "Berliner Weg" an der Nase rumführen?

  5. 13.

    Der von KB ins Leben gerufene "Berliner Weg" ist nicht nur ein Marketing-Gag, sondern auf Grund finanzieller Nöte unausweichlich gewesen. Hertha BSC verfügt über einen exellenten Nachwuchs, auch durch massive Unterstützung von Pal Dardai. Der Berliner Fan kennt aber nur zwei Emotionen an: "Alles Mist hier" oder "Jippiehajei" ; genau wie die Berliner Presse.
    Ausser in der Zeit von Trainer Jürgen Röber, habe ich in 50 Jahren keine Saison, wie die Letzte erlebt. So viele Fans, die das Team so maximal unterstützt haben, soviel Leidenschaft, dass das Team mit den integrierten Nachwuchs entfacht hat... Und trotzdem ist der geneigte Fan dazu übergegangen: "Wir müssen aufsteigen, sofort und jetzt, 2025 Euroleague, 2026 Champions-League" Alles gleichzeitig geht aber nicht! Finanziell in ruhige Fahrwasser zu kommen, bei gleichzeitiger Verstärkung des Kaders. Das geht nicht in 34 Spieltagen! Und auch nicht mit einer Übernahme der U17, U19 oder der U23 in den Männerkader!

  6. 12.

    'Berliner Weg' oder: 'Aus der Not eine Tugend machen"!
    Als 'Marketing-Spruch' war er deutlich besser als 'We try, we fail...'
    Zumindest wurde so geschickt vom 'Big City Club' Image abgelenkt, was Windhorst dem Club zuvor 'angehext' hatte.
    Aber: auch mit dem 'Berliner Weg' gab es einen Vertrag mit einem Wettanbieter, Reese wurde aus Kiel geholt, 'Fluppe' von der 'Austria'.
    Warum wird da jetzt über die Abkehr vom 'Berliner Weg' gejammert, wenn Schuler ablösefrei aus Magdeburg kommt?

  7. 11.

    Der "Berliner Weg" IST Kay Bernstein. Man kann sowas nicht weitergeben wie ein getragenes T-Shirt. Das bollert an jedem anderen!

    Wir müssen uns damit abfinden, dass es dieses Gesamtphänomen Kay und SEINEN Berliner Weg nicht mehr gibt hier...

    Ja, vieles hätte es bei ihm nicht gegeben - oder er hätte es besser gemacht. Ja.

    Und das tut weh, dass es niemand schafft, so gut diesen Weg weiter zu gehen, dass keiner sagen muss "das hätte es bei Kay nicht gegeben"


    Der Weg, welcher auch immer, wird sich finden müssen, neu finden. Vielleicht mit Pal Dardai.

    .

  8. 10.

    Die Bezeichnung "Berliner Weg" war für mich von Anfang an nur ein netter Marketing-Spruch mehr nicht ! Der Profifußball ist einfach ein knallhartes Geschäft, da ist kein Platz für Ideale - jedenfalls sofern man dauerhaft 1. Liga spielen möchte. Hertha BSC hatte zu dem Zeitpunkt der Verkündung des Berliner Weges "alles" verloren, da blieb nur noch diese Proletenhafte "Nur Hertha ist Berlin alle anderen nicht".

  9. 9.

    Mit der Entlassung auf Druck von 777 haben sie den Weg bereits verlassen.Sie brauchen wieder einen rethorischen Schnacker als Trainer.Ich befürchte einen Hamburger Weg.

  10. 8.

    Für mich hört sich das nach: Es Geht nur ums Geschäft an. Kay Bernstein hat die Herzen der Fans erreicht. Sein Andenken sollte geehrt werden. Vielleicht ist es an der Zeit, das die Fans den Verein retten, der Berliner Weg geht so wie ich ihn verstehe, in diese Richtung. Mit Pal Dardai als Präsident, halte ich das für machbar. Finanziell ist die Katastrophe wohl kaum zu beherrschen. Doch ein Verein der von Herzen der Fans getragen wird, wäre in dieser toxischen Zeit ein gelebter Traum.

  11. 7.

    Vielleicht lässt sich die bevorstehende Pleite des Sponsors auch als Chance sehen. Immerhin dreiviertel der versprochenen Summe wurden bereits an Hertha überwiesen und realistische Rückforderungen oder Erwartungen vom Sponsor an den Club wird es dann wohl keine mehr geben.
    Zur Not fängt man sportlich halt wieder in der 4. Liga an, wäre dann aber den ganzen finanziellen Rattenschwanz los.
    Gut, dass Pal Dardai noch im Verein ist, gerade für den Fall eines solchen eventuellen Neuanfangs.
    Man sollte sich bei der MV in jedem Fall mit der Situation X beschäftigen, welche die Pleite von 777 annimmt, alles andere wäre unprofessionell.

  12. 6.

    Chaled Nahar bezieht sich offenbar auf die Recherchen der Sportjournalisten Paul Brown und Philippe Auclair, mit dem er schon mal über 777 Partners berichtet hat.

    Gerade erst am Sonntag ist im DLF ein Artikel dazu erschienen: https://www.deutschlandfunk.de/777-investor-hertha-bsc-insolvenz-100.html

  13. 4.

    Wenn die Nachricht über eine bevorstehende pleite von 777 partners stimmt, hat hertha wieder keine Alternative auf einen neuen investor, sondern muss nehmen was kommt. Aber da sind ja noch ein paar Prozente am konstrukt übrig, die man unter die Leute bringen könnte. Schon traurig.

  14. 3.

    Im Text wird eine Aussage von Chaled Nahar zu 777 Partners zitiert, doch ich kann ihn unter der angegebenden Quelle nicht finden. Gibt es da ggf. noch einen Link oder Hinweis darauf?

  15. 1.

    Ich dachte ja, die Hertha-Saison sei vorbei, der Verbleib im Mittelmaß der 2.Liga wurde lang und breit analysiert, beschrieben und Schön geschrieben, aber da habe ich mich wohl getäuscht.
    Einzig, die Nachricht "Die Pleite von 777 Partners steht offenbar bevor. (…) Es ist davon auszugehen, dass das Kartenhaus bald zusammenfällt." lässt auf das diesjährige Scheitern an der 2.Liga-Lizenzvergabe hoffen. Da umschreibt hervorragend den "Berliner Weg" und da stellt sich wirklich die Frage: "Was hätte Kay Bernstein getan?" Wahrscheinlich im Grab rotieren.

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