Kritik | Junges Theater zum Klimawandel - Die Kraft der Hyänen-Bande

Do 06.07.23 | 10:53 Uhr | Von Barbara Behrendt
Szene aus "Schwärmen". Das Junge RambaZamba am 05.07.2023 im Humboldt Labor.(Quelle:Gianmarco Bresadola)
Audio: rbb24 Inforadio | 06.07.2023 | Barbara Behrend | Bild: Gianmarco Bresadola

Das inklusive Junge Ramba Zamba Theater hat am Humboldt Forum einen Abend über den Klimawandel inszeniert. Eine sinnliche Stückentwicklung mit einer klaren Botschaft: Es braucht die Revolution durch Mitgefühl. Von Barbara Behrendt

Ein Eisbrocken hängt von der Decke herab und wird kleiner mit jedem Tropfen, der in eine goldene Schüssel unter ihm fällt. Und das könnte bedeuten: Das Eis an den Polen schmilzt weiter, während wir an diesem Sommerabend im Humboldt Labor sitzen – jeder Tropfen wie eine weitere Sekunde auf der tickenden Erden-Uhr.

Die Zuschauer:innen des Stücks "Schwärmen", das mit den Jugendlichen gemeinsam entwickelt wurde, sitzen im Carree um die ebenerdige Bühne. Beim Betreten des Raums war man schon durch einen Vorhang gegangen, auf dem Projektionen bunt schillernder Fische schwimmen.

Der Schmerz des Geborenwerdens

Nun verharrt eine Performerin in einem blau gesprenkelten Kleid im Yogasitz lange stumm auf dem Boden. Mutter Erde, wie wir später erfahren. Dazu dringen aus den Lautsprechern Geschichten vom Geborenwerden, ein schmerzhaftes in die kalte Welt geworfen sein: "Ich weiß nicht genau, ob ich für all das hier gemacht bin. Hätte ich gewusst, dass man von hier deinen Herzschlag nicht hört, ich wäre dort, also in deinem Körper, geblieben. Oder hätte mich an der Nabelschnur dorthin zurückgezogen."

Und dann schleichen sie auf allen Vieren herein: Hyänen, eine ganze Horde gleich, mit Fellmasken auf dem Gesicht. Bedrohlich wirkt das, wie sie zu dräuender Musik herumgehen und das Publikum beäugen. Doch dann legen sie sich als großes Hyänen-Knäuel in Mutter Erdes Schoß, spielen und raufen miteinander, finden sich in Zweier- und Dreier-Konstellationen zusammen und berühren sich zärtlich. Eine tierische Rebellion gegen die Einsamkeit scheint das zu sein. Bis dann eine Hyäne das Wort ergreift: "Menschlicher Raubbau, Überbevölkerung und Technologie haben jenes gewisse Stadium erreicht, in dem Mutter Erde unsere Anwesenheit nicht mehr stillschweigend ertragen kann."

Die Verwandlung des menschlichen Herzens

Damit sich wirklich etwas verändert, so propagiert es die Hyänen-Bande, braucht es vor allem eines: Empathie. "Uns Menschen muss bewusst sein, welches Leid wir anderen Wesen zufügen. Irgendwann kommt der Punkt, da müssen wir uns bei allen Wesen auf der Welt entschuldigen", sagt ein junger Mann. Und eine Mitspielerin ergänzt: "Dann können wir, wenn wir das wirklich wollen, das menschliche Herz verwandeln. Mitgefühl, Liebenswürdigkeit und Selbstlosigkeit sind Schlüssel – nicht nur für unsere persönliche Entwicklung und die menschliche Entwicklung, sondern auch für das planetarische Überleben. Was ich vorschlage, ist eine Revolution durch Mitgefühl.“

So wahr, wichtig und richtig diese Sätze sind – sie klingen doch arg nach Sonntagspredigt. Überhaupt raunen die Worte an diesem Abend im Geist der Naturesoterik und der etwas überstrapazierten Geburtsmetapher, da hätte man den Jugendlichen eine erfahrenere Autorin an die Seite gewünscht.

Tiermasken, Tänze, Musik, Zärtlichkeit

Stärker als der Text ist die Sinnlichkeit, mit der Kirsten Burger, die Regisseurin und Leiterin des Ramba-Zamba-Jugendclubs, inszeniert: die Tiermasken, das tropfende Eis, die Tänze, die Musik, die Zärtlichkeit, mit der sich die rund 20 Jugendlichen mit und ohne Behinderung hier ganz ohne Berührungsängste begegnen – im wahrsten Sinne.

Die Hyäne wird dabei ganz gegen ihr Klischee gezeichnet – nicht als brutale Aasfresserin, sondern als starkes, verantwortungsvolles Gruppentier. So ähnlich könnte sich auch der Mensch auf seine guten Eigenschaften besinnen. Die Entschiedenheit jedenfalls, mit der der Jugendclub sich gegen Krawall, aber auch gegen Diskurs und Intellekt ausspricht und dafür Mitgefühl und Verbundenheit ins Zentrum stellt – sie ist in Zeiten der Dystopien und Apokalypsen tatsächlich wohltuend.

Sendung: rbb24 Inforadio, 06.07.2023, 11:55 Uhr

Beitrag von Barbara Behrendt

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