Konzertkritik | Waldbühne - Dua Lipas nasse Open-Air-Disco

Do 06.06.24 | 10:17 Uhr | Von Jule Lippick
  9
Atchivbild: Dua Lipa tritt am 09.03.2022 in Chicago auf. (Quelle: dpa/Rob Grabowski)
Audio: rbb24 Fritz | 06.06.2024 | Jule Lippick / Daniel Klaus/ Selly Kahya | Bild: dpa/Rob Grabowski

Dua Lipa eröffnet ihre Tournee in der Berliner Waldbühne und liefert Musik, Outfits und... Verwirrung? Warum radikaler Pop-Optimismus mehr als Performance braucht. Von Jule Lippick

Ursprünglich sollte das erste Konzert der kurzen Tournee der englisch-albanischen Musikerin Dua Lipa den Sommer einläuten. Doch leider spielt das Wetter am Mittwochabend in der Berliner Waldbühne nicht mit. Kurz vor Einlass regnet es in Strömen, was die Stimmung der Fans jedoch nicht trübt. Gerade noch bunte Outfits werden in Plastik verhüllt.

Regenfester Rausch

Mit dem tanzbaren Erfolgstitel "Training Season" von ihrem neuen Album "Radical Optimism" eröffnete Dua Lipa das Spektakel und verwandelte die Waldbühne in eine nasse Open-Air-Disco. Umringt von Liegestütz machenden Tänzern präsentiert die 28-Jährige eine ausgeklügelte Performance.

Ob es an Dua Lipas neu gewonnenem radikalen Optimismus liegt oder ob der Track "One Kiss", der ursprünglich in Zusammenarbeit mit Calvin Harris entstand, einzig und allein darauf abzielt, die Menge anzufeuern: Es wirkt. Der dem Original hinzugefügte tiefe elektronische Bass macht aus dem ohnehin schon tanzbaren Clubhit eine an Berlin angepasste Partyhymne. Genauso reizüberflutend erscheinen auch die Effekte: Pink, Lila und Rot bedecken die zu große Leinwand hinter der Künstlerin. Mit dem Live-Debüt von "These Walls" ändert sich die Atmosphäre auf der Bühne: ruhige, melodische Klänge mit viel Gitarre und einem schlichten Outfitwechsel von Dua Lipa.

Neues Album, alte Tricks

Hier bietet die Leinwand, Co-Star der Show, die Texte des nächsten Tracks an. Auf diese Weise kann auch Textunsicherheit durch einfaches Ablesen überwunden werden. Dennoch ersetzt dies nicht die Interaktion mit dem Publikum, die bis hierhin ausgeblieben ist.

Dua überbrückt diese dann tatsächlich doch noch. Sichtlich ergriffen bedankt sie sich bei den knapp 22.000 Zuschauern in der Waldbühne: "It’s so beautiful to be here in your city". Ihre Unterstützung gegenüber der LGBTQ-Community, die sie bereits oft thematisiert hat, zeigt sie durch das Schwenken einer Regenbogenflagge während des Tracks "Be the One".

Es folgen psychedelische Effekte auf der übergroßen Leinwand. Während die Tänzer von Duas Verschwinden von der Bühne ablenken, geht die Show in eine Phase überzogener, schnellerer Bilder und greller Effekte über. Die Sängerin erscheint wieder in neuem Gewand. Sie performt vier weitere Titel, bis sie nach einer erneuten mit Musik und Tanzeinlage untermalten Zwangspause im neuen glitzernden Fit auf der Bühne erscheint.

"Radical Optimism" erscheint in Großbuchstaben und signalisiert uns, dass tatsächlich ein neues Album existiert. Der elektronische Klassiker "Glue" des britischen DJ-Duos Bicep ertönt. In Kombination mit Dua Lipas Titel "New Rules" von ihrem ersten Studioalbum erhebt diese Mischung tatsächlich den ersten Anspruch auf etwas Neues und Aufregendes an diesem Abend.

Bei dem Mashup "Cold Heart", das aus vier Elton-John-Songs besteht, findet die Regenbogenflagge erneut ihren Platz auf der Bühne. Das aufmerksame Publikum erkennt: Hier beginnt das Ende der reizüberflutenden Show.

Während Dua für einen kurzen Moment so tanzt, als wäre die Waldbühne ihr Wohnzimmer und die Fans nicht da, gleitet die Bühne in eine Unterwassersequenz. Dua erscheint auf der Leinwand, während die Bühne in blauem Licht erstrahlt. Ein erneuter Versuch, von dem eigentlichen Geschehen abzulenken: Warten, weil es ins letzte, diesmal weiße Outfit des Abends geht.

Es fällt leicht, sich voll und ganz auf das Geschehen auf der Bühne einzulassen, auch wenn zu diesem Zeitpunkt dichter Nebel die Sängerin nur noch schemenhaft erkennbar macht. Nach einem scheinbaren Flug durch die Wolken erfüllt die kühle Melodie von "Houdini" die Luft. Plötzlich endet das Konzert abrupt. Es folgen nur wenige Worte von Dua Lipa und eine leicht verwirrte Menge: Wird es noch eine Zugabe geben?

Euphorie bis Ernüchterung

Die gefestigte Position Dua Lipas im internationalen Pop-Olymp kommt keineswegs von ungefähr. Ob es der musikalische Einfluss ihres Vaters, eines im Kosovo bekannten Rockmusikers, oder die Ausbildung an einer privaten Schauspielschule in London ist, Dua Lipa ist eine Performerin durch und durch. Auch der zwischenzeitlich starke Regen kann sie nicht davon abhalten, ihre Choreografie perfekt durchzuziehen.

Trotz der beeindruckenden Performance bleiben Fragen offen: Welche Geschichte erzählt sie? Auch der angebliche rote Faden verlief sich in den teils zufällig wirkenden Hintergrundeffekten, und die allgemeine Trackauswahl verwirrte ebenfalls. Denn obwohl ihr drittes Album bereits im Mai erschienen ist, stammten die meisten gespielten Titel von ihrem zweiten Album "Future Nostalgia": sieben Stück. Vom neuen Album "Radical Optimism" performte sie nur fünf Lieder.

Während Duas Musik durchaus extrem positive Vibes versprüht, bleibt das radikal Aufregende leider aus. Ohne Tänzer und Animation bleibt nur relativ durchschnittliche Popmusik mit eingängigen Melodien, zu denen es sich zwar gut tanzen lässt, die aber kaum mehr bieten.

Dazu die mangelnde Publikumsinteraktion. Die wenigen Worte, wenn auch mit Tränen in den Augen, hinterließen leider bei einigen Fans kein Gefühl von Verbundenheit.

Sendung: Fritz, 06.06.2024, 7:05 Uhr

Beitrag von Jule Lippick

9 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 9.

    Warum muss man immer alles nur kritiesieren? Das Konzert war so toll und die Auswahl an Liedern war auch Hammer, starke Intro mit Training Season, dann all die Fans berücksichtigt, die etwas ältere Lieder unbedingt live hören wollten, starke Performance von "Happy For You" und das letzte Stück "Houdini" SO gut performt. Das kann heutzutage kein anderer Künstler so wie Duo Lipa. Schade, dass man in Deutschland immer nur was schreiben muss. Enttäuschend

  2. 8.

    Das Show an sich war toll. Die Song Auswahl hat meinen Geschmack komplett getroffen! Sie ist eine großartige Performerin.

    Dennoch finde ich auch, dass aufgrund der kurzen Spieldauer (netto waren das so 70min) und fehlender Interaktion mit dem Publikum alles etwas kalkuliert und steril wirkte. Es ist halt mehr ein Event & die Fans sind auch eher "Kunden". Ich bevorzuge dann doch Auftritte von "kleineren" Künstlern ;)

  3. 7.

    Ich fand die Stimmung um mich herum sehr gut. Fast 90 Minuten und die meiste Zeit in Bewegung finde ich ok. Die Preise waren auch günstig, wenn ich da aktuell so manch anderen Künstler sehe. Das Houldini der letzte Song sein würde, hat Dua gesagt. Sie war auch völlig nass, es stehen noch mehr Konzerte an und das man die nicht gefährden will, verstehe ich. Wir hatten ja Regenklamotten an. ;-) Mal sehen, ob Pink und Taylor Swift es toppen können.

  4. 6.

    Natürlich ist sie erst 28. Natürlich wird niemand sagen, dass das (Eintritts)Geld umsonst war: Es war trotzdem schön...
    die Stimmung.
    Musiker liefern Musik. Ob das hier überdurchschnittlich war?

  5. 5.

    Ich kann mich dir nur anschließen. Kann den doch etwas „negativen“ Touch der Konzertkritik nicht ganz nachvollziehen. Trotz starkem Regen war die Stimmung super. Besser, als auf manchem Konzert ohne Regen… Ich persönlich bin froh, dass 7 Titel aus dem vorherigem Album stammten, man möchte ja schließlich auch mitsingen können. Und 5 Titel aus dem neuen Album finde ich da ausreichend. Alles in allem ein sehr gelungener Abend und für den Regen kann schließlich kein Künstler was, sie hätte es sich sicher auch anders gewünscht. Performt hat sie, als wenn es keinen Regen gab… Hut ab!

  6. 4.

    Es war ein super Konzert und das mit diesem Regen. Das soll erstmal einer nachmachen. Die Stimmung war einfach nur super. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Jederzeit wieder

  7. 3.

    Ich bin völlig der gleichen Meinung! ich wünschte, sie hätte ein paar mehr Lieder gespielt und mehr Interaktion, aber insgesamt hat mir das Konzert sehr gut gefallen

  8. 2.

    Für so eine junge Künstlerin war das Konzert beeindruckend. Madonna war nicht so gut. Die ganze Waldbühne hatte ihren Spaß, um mehr ging es nicht. Eben eine große Regen-Disco.

  9. 1.

    Ja, der Beitrag trifft es ganz gut, danke dafür. Der Regen war uns Fans allerdings egal, bei dieser Stimmung mit diesen Songs und dieser tollen Künstlerin, da ging es einfach nur ab! Denn man kann sie ja hier nun wirklich nicht oft live erleben. Die kurze Dauer von knapp 90 Minuten hat mich da schon etwas mehr ernüchtert, aber das ist bei den heutigen (Welt-)Stars wohl der Standard. Trotzdem: es war super! Und ich möchte hier nochmal die Tänzer und Tänzerinnen, und natürlich besonders Dua Lipa's Tanzperformance hervorheben: Wahnsinn, was sie auf die Bühne bringt und abliefert! Für mich trotzdem ein megaaa Konzert, es war toll!

Nächster Artikel