Uraufführung am Ramba-Zamba-Theater - "Ist das hier ein Theater oder ein Bahnhof?"

In seinem Regie-Debüt am Ramba-Zamba-Theater "Mord im Regionalexpress" zeigt Milan Peschel aufs Schönste, wie gut der Volksbühnen-Spirit zum Esprit des inklusiven Ensembles passt. Die Krimi-Parodie ist ein großer Spaß! Von Barbara Behrendt
Spätestens wenn an diesem Abend am Ramba-Zamba-Theater die Miss-Marple-Filmmusik erklingt, ist klar: Es sind Detektive an der Arbeit! Zwar hat Agatha Christies "Mord im Orientexpress", auf den der Titel des Abends "Mord im Regionalexpress" anspielt, nichts mit Miss Marple zu tun, aber so genau darf man es hier nicht nehmen. Später klingen musikalisch auch "Mission Impossible" und "Derek" an.
Denn: Es gibt eine Leiche. Oder auch nicht. Schließlich könnte es sich bei dem Mann, der sich mal kurz in den weiß umrandeten Tatort-Umriss gelegt hat, auch um einen betrunkenen, erschöpften Schauspieler gehandelt haben. Die Ratlosigkeit der Ramba-Zamba-Kommissare, der "Sondereinheit für unauflösliche Widersprüche", die sich im James-Bond-Look, als Sherlock Holmes oder Miss Marple im Regionalexpress versammeln, ist groß. "War der Mord wirklich Mord, oder einfach nur Erschöpfung?", fragt der Schauspieler Anil Merickan. "Ist das hier ein Bahnhof oder ein Theater? Und warum wurde das Eiscafé Genua geschlossen?"
Sinnkrise: Eine Eigentumswohnung in Prenzlauer Berg
Tja, Fragen über Fragen. Welches Verbrechen wird hier überhaupt aufgeklärt? Später wird das bekannte DDR-Gemälde "Peter im Tierpark" von Harald Hakenbeck aus dem Jahr 1960 geklaut. Als es wieder auftaucht, ist Peter, der kleine Junge darauf, aus dem Bild verschwunden. Vielleicht hatte Peter ja eine Sinnkrise, so wie ein gewisser Karl-Heinz Flach im Stück: "Entweder Verzweiflung und äußerste Hoffnungslosigkeit oder die totale Vernichtung. Na jedenfalls: Meine panische Überzeugung von der absoluten Bedeutungslosigkeit des Daseins hat mich schließlich zum Kauf einer Eigentumswohnung in Prenzlauer Berg veranlasst."
Und wer ist eigentlich dieser Charly, von dem hier unentwegt die Rede ist, der aber mit dem Zug nie ankommt? Charly, so heißt es in vielfacher Wiederholung, ist mit dem Regionalexpress in die falsche Richtung gefahren. Oder doch nur scheinbar. Vielleicht war die Richtung gar nicht so falsch, vielleicht dauert es einfach etwas länger.
Krimi-Parodie und Volksbühnen-Slapstick
Der bekannte Volksbühnen-Schauspieler und Regisseur Milan Peschel hat dem Ramba-Zamba-Theater ein Stück geschrieben, das aufs Schönste irgendwo zwischen Krimi-Parodie und postdramatischem Volksbühnen-Slapstick den Sinn des Berliner Lebens sucht. Mit all den geschlossenen Eiscafés und Friseursalons, dem bedeutungslosen Leben in der Eigentumswohnung, und, natürlich: mit Öffis, die einen zur Verzweiflung treiben.
"Die S- und U-Bahnen sind zwar unzuverlässig, das ist ätzend, klar, und voll ist es auch noch, gerade im Winter", klagt der Schauspieler Joachim Neumann, "aber ich fahre trotzdem mit den Öffis. Und weißt du, warum? Aus Prinzip."
Denn, man darf natürlich nicht vergessen: "Der öffentliche Nahverkehr ist der einzige Ort, an dem man heutzutage noch mit anderen Menschen ins Gespräch kommen kann. Wo man Sinnfragen in Bezug auf die menschliche Existenz stellen und trotzdem Ausgelassenheit und Freude erleben kann." Was zu beweisen wäre…
Wilde Verfolgungsjagden und viel Musik
Die Schauspieler:innen erwecken das große, hölzerne Regionalexpress-Abteil auf der Bühne zum Leben, dass es eine helle Freude ist. Da wird im Takt geruckelt, man schleudert in der Kurve von links nach rechts und hängt wie James Bond im Fahrtwind an der Außentür. Wilde Verfolgungsjagden gibt es natürlich auch, zu reichlich Musik – von Ton Steine Scherben bis zu den Strokes.
Nur eben keinen Mord. Aber wie sagt die Figur Peter Lustig im Stück, ein vergessener Vorkriegskünstler: "Wir lassen uns doch vom Titel nicht vorschreiben, wohin die Reise geht!" Und Peter? Wo ist Peter? Mitten unter uns, vermuten die Ermittler. Wer möchte schon 65 Jahre im Tierpark bleiben?
Sinnkrisen, Berlingeschichte und zu früh Totgesagte
Milan Peschel zeigt mit seinem herrlich vergnüglichen Debüt an diesem Haus, über Sinnkrisen, Berlingeschichte und zu früh Totgesagte, dass der überbordende Esprit des Ramba-Zamba-Ensembles zur menschenfreundlichen Volksbühnen-Ironie passt wie die Faust aufs Auge.
Sendung: rbb24 Inforadio, 24.02.2025, 7:55 Uhr