Festival-Sommer 2024 - Wie es den Festivals in der Region geht

Sa 27.07.24 | 14:47 Uhr | Von Jonas Wintermantel
  10
Besucherinnen und Besucher feiern einem Festival vor einer Techno Bühne. (Quelle: dpa/Hendrik Schmidt)
Bild: dpa/Hendrik Schmidt

Steigende Kosten, fehlende Planbarkeit und hohe Auflagen machen gerade den kleinen Festivals in der Region Berlin-Brandenburg zu schaffen. rbb|24 hat bei einigen Veranstalter:innen nachgefragt, wie sie durch den Sommer gehen. Von Jonas Wintermantel

  • gestiegenen Kosten und schlechte Planbarkeit machen Festivals zu schaffen
  • Festivals müssen Kosten auf Ticketpreise umlegen - dadurch sinkt die Nachfrage
  • vor allem kleine Festivals kämpfen mit Hürden
  • Branchenverband plädiert für Abbau von Bürokratie und Auflagen

In diesen Stunden dürfte das "Feel Festival" einen seiner vielen Höhepunkte erreichen. Das Festival am Bergheider See bei Lichterfeld (Elbe-Elster) ist ausverkauft. Genau wie das Festival "Bucht der Träumer", das im August 12.000 Gäste erwartet – so viele wie nie zuvor. "Da freuen wir uns sehr drüber", sagt Mitorganisator Felix Gebauer. "Aber uns besorgt es natürlich auch, dass Institutionen wie das 'Melt' und auch kleine Nachwuchsfestivals die Segel streichen müssen."

Es sind vor allem die kleinen Festivals - oft getragen von Vereinen und Kollektiven - die es gerade seit der Corona-Pandemie schwer haben. Ein Festival kostet viel Herzblut und Kraft aller Beteiligten – aber vor allem Geld. Einige angefragte Veranstalter:innen sprechen von drei- bis viermal höheren Produktionskosten im Vergleich zu den Vor-Corona-Jahren.

"Jedes Dixie-Klo, das vor drei Jahren 80 Euro gekostet hat, kostet heute 140 Euro. Dazu Stromgeneratoren, Bauzäune, Personal – man braucht viel Infrastruktur, um drei Tage feiern zu können", erzählt ein Festival-Betreiber. Dazu kommt ein verändertes Festival-Verhalten auf Seiten der Besucher:innen. Die kaufen ihre Tickets immer öfter spontan. Es eilt nicht - immer seltener sind die Festivals schon zu einem frühen Zeitpunkt ausverkauft.

"Festivals sind sozialer Klebstoff!"

Die schlechte Planbarkeit betrifft dabei nicht nur spontane Ticketkäufe, sondern auch die große Unsicherheit bei der langfristigen Kalkulation - etwa, was Kosten für externe Dienstleistende, Sprit oder Material angeht. "Viele der Dienstleistenden legen sich ein Jahr vorher nicht auf Preise fest, zum Beispiel bleiben die Transportkosten offen, genau wie Diesel-, Maut- oder Personalkosten", erzählt Joana aus dem Orga-Team des Festivals "Zurück zu den Wurzeln" bei Niedergörsdorf (Teltow-Fläming)

Die Preise für Festival-Tickets sind derweil stark gestiegen. Konnte man vor der Pandemie noch für unter 100 Euro mitfahren, zahlt man heute nicht selten mehr als 200 Euro für ein Vier-Tages-Festival. Das führt dazu, dass sich Besucher:innen immer seltener mehrere Festivals in einem Sommer leisten können – wenn überhaupt.

"Das ist sehr schade, denn Festivals sind sozialer Klebstoff", sagt Alexander Dettke. Er ist Gründer und Organisator des Festivals "Wilde Möhre", das Mitte August mit 5.000 Besucher:innen dieses Jahr zum elften Mal in der Nähe von Cottbus stattfindet. "Es ist wichtig, dass Menschen mit weniger Geld daran teilnehmen können. Auch Menschen, die neu nach Deutschland gekommen sind. Die werden durch den Preis natürlich diskriminiert."

Der Weg für junge Festivals ist oftmals steinig

Die "Möhre" gehört inzwischen zu den etablierten Festivals im Land – sie hat eine große Stammkundschaft, ein familiäres Publikum, das immer wieder kommt und mit dem Festival mitwächst. Vor der Pandemie lag das Durchschnittsalter der Besucher:innen bei 27 Jahren, heute sind es 31, sagt Dettke. Bei vielen der "älteren" Festivals ist das ähnlich.

Das "Praerie Festival", das Anfang August auf dem "Möhren"-Gelände stattfinden wird, hat derweil mit zu wenigen Ticketverkäufen zu kämpfen. Laut Mitorganisator Dettke sind - eine Woche vor Festivalbeginn - gerade einmal halb so viele Tickets verkauft wie geplant. Das Festival steuert nun mit stark reduzierten Ticket-Preisen entgegen.

Alexander Dettke. (Quelle: privat)
"Wilde Möhre"-Gründer Alexander Dettke | Bild: privat

Das "Wilde-Möhre"-Festival hat für den Ausbau seines Geländes auch Fördergelder aus dem Strukturwandel-Fonds der Lausitz erhalten. Auf dem Festival-Gelände kommt der Strom heute aus erneuerbaren Energien, auf dem Campingplatz scheint insektenfreundliches Licht, ein Großteil der nötigen Festival-Infrastruktur ist fest vorhanden.

"Wir haben den Luxus, dass wir nicht jedes Jahr wieder auf einer Wiese bauen", sagt Dettke. Bis dahin war es ein langer Weg. Aus über zehn Jahren Festival-Erfahrung kann er berichten, welche Steine gerade jungen Festivals häufig in den Weg gelegt werden. "Ganz früher wollte uns die Stadt verhindern, dann wurden wir verklagt, dann gab es keine Baugenehmigung. Wir sind Kulturschaffende, die das aus Leidenschaft machen, aber es geht schon an die Substanz."

Hohe Auflagen setzen Festivals unter Druck

Auch Bürokratie und hohe Auflagen machen es den Festivals schwer, sagt Simon Knop Jacobsen von "Impuls Brandenburg". Der Verband hat über 60 Mitglieder aus der Pop- und Soziokultur – darunter auch viele Festivals in Brandenburg. Er möchte vernetzen und ein diverses Kulturangebot in Brandenburg stärken, tritt aber auch moderierend auf, etwa zwischen Festivals und Behörden und als politische Vertretung der Kulturschaffenden.

Knop Jacobsen verweist auf eine neue Gebührenverordnung des Landes Brandenburg, die die Kosten für die Festivals teils deutlich erhöht hätte. "Das sind teilweise vier- bis fünfstellige Beträge, die kurz vor Festivalbeginn auf die Veranstalter:innen zukommen." Eine Befreiung von diesen Gebühren sei aktuell nur für Organisationen mit dem Status "gemeinnützig" möglich - in der Praxis sei das allerdings überholt. "Wir befürworten es daher, dass auch privatwirtschaftliche Akteur:innen mit hoher Gemeinwohlorientierung von den hohen Gebühren befreit werden können", sagt Knop Jacobsen.

Zugleich brauche es eine stärkere Förderung für die Festivals. Der Festival-Förderfonds des Bundes sei ein guter erster Schritt. Die Bundesregierung stellt darin einmalig 5 Millionen Euro zur Verfügung - deutschlandweit werden 141 Veranstaltungen gefördert, acht davon in Brandenburg. Kleine und mittelgroße Festivals seien dabei aber meist leer ausgegangen, sagt Simon Knop Jacobsen vom Verband "Impuls Brandenburg".

Der Förderungsbedarf sei deutlich höher, "gerade bei den kleinen und mittelgroßen Festivals, die Diversität in die Landschaft bringen und neben der Musik etwa auch demokratiestärkendes Programm haben", sagt Knop Jacobsen. Sein Verband plädiert daher für eine breitere Förderung - damit das viel beschworene "Festival-Land Brandenburg" seinen Titel auch langfristig sichern könne.

"Die Motivation ist nicht ansatzweise, damit Geld zu verdienen"

Eine Stimme aus der Lausitz stimmt aber auch optimistisch. Das "Sägewerk"-Festival auf dem ehemaligen Flugplatz Cottbus-Drewitz fand dieses Jahr gerade einmal zum dritten Mal statt. Letztes Jahr feierten noch etwa 1.500 in und auf den alten Flughafen-Gebäuden zu Techno, House und Trance - in diesem Jahr waren es schon doppelt so viele. Das Festival, das vor zwei Jahren "eher inoffiziell" als Geburtstagsparty startete, war schon im April ausverkauft – ganz ohne Werbung.

"Das meiste ist Mund-zu-Mund-Propaganda", sagt Felix Saade, Mit-Initiator des "Sägewerk". "Ich glaube, wir kennen 90 Prozent der Besucher:innen über zwei Ecken". Der Verein, der hinter dem "Sägewerk" steht, ist aus einem Techno-Kollektiv entstanden, das früher Raves um Berlin herum veranstaltet hat. Das "Sägewerk" soll die Atmosphäre des Raves auf ein Festival bringen.

Ein Ticket auf dem "Sägewerk" kostet zwischen 100 und 125 Euro. Das ist im diesjährigen Preisvergleich eher wenig und geht nur, weil die Künstler:innen (meist aus dem Freundeskreis) keine regulären Gagen verlangen. "Wir wollen auf jeden Fall die Preise gering halten", erklärt Saade. "Alle machen das aus Spaß - die Motivation ist nicht ansatzweise, damit Geld zu machen."

Aber es kostet natürlich auch einen persönlichen Preis für die Veranstalter:innen. Felix Saade ist Student, so wie viele im Festival-Team. Alle arbeiten ehrenamtlich, befreundete Tischler:innen nehmen sich ihren Jahresurlaub, um das Gelände zu gestalten. "Kurz vorm Festival ist das ein Vollzeit-Job mit 12 bis 14 Stunden Arbeit am Tag", räumt Saade ein. Und er gibt zu: Wenn man dann noch eine Woche nach Festival-Ende im Abbau steckt, gehe auch der Spaß manchmal ein bisschen verloren.

Sendung: Antenne Brandenburg, 26.07.2024, 16:20 Uhr

Beitrag von Jonas Wintermantel

10 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 9.

    Das "Woodstock" Festival wurde nicht live im TV übertragen. Es gibt einen Kinodokumentation von Michael Wadleigh aus 1970, die nach dem Kinostart erstmals 1994 auf ARTE gezeigt wurde.

  2. 7.

    Wenn Veranstalter Plus-Minus-Null gehen, Akteure hauptsächlich aus Spaß und Freude sowie ohne Kommerz, und Besucher Spaß und Freude mit Veranstaltern und Akteuren teilen können, das vermittelt Lebensgefühl.
    Auch wenn man das "Catering" angemessen erkennt, das gehört zu nem Festival.
    War die Fanmeile und das vor dem Reichstag auch ein Festival?, was wollte man da für Bier und Bratwurst?

  3. 6.

    Wenn Veranstalter Plus-Minus-Null gehen, Akteure hauptsächlich aus Spaß und Freude sowie ohne Kommerz, und Besucher Spaß und Freude mit Veranstaltern und Akteuren teilen können, das vermittelt Lebensgefühl.
    Auch wenn man das "Catering" angemessen erkennt, das gehört zu nem Festival.
    War die Fanmeile und das vor dem Reichstag auch ein Festival?, was wollte man da für Bier und Bratwurst?

  4. 3.

    Ich bin auch der Meinung, Geld verdienen spielt eine große Rolle. Kultur kann man vorschieben. Es ist den Veranstalter egal ob die Anwohner schlafen können, die baesse hört man meilenweit vorallem Nachts. Die Anwohner sollen ja entnervt Montag zur Arbeit fahren. Hauptsache die Kasse stimmt. Vorallem werden die Anwohner nicht gehört. Alles im Namen der sogenannten Kultur.

  5. 2.

    Eine großartige Sache! Vielleicht schau ich mal vorbei! War damals schon bei WOODSTOCK live anwesend!

  6. 1.

    Mag sein, das bei dem Sägewerk und vereinzelten kleinen Festivals sehr viel ehrenamtlich geht. Aber die erstgenannten verdienen selbstverständlich ihr Geld damit und wollen davon auch leben, alles andere ist doch ne glatte Lüge.

Nächster Artikel