Christopher Street Day - Hunderttausende ziehen für die Rechte queerer Menschen durch Berlin

So 28.07.24 | 16:52 Uhr
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Berlin: Gute Stimmung herrscht auf einem der Wagen bei dem 46. Berlin Pride Umzug zum Christopher Street Day (CSD). (Foto: dpa)
Audio: rbb|24 | 27.07.2024 | Material: rbb24 Abendschau und TeleNewsNetwork | Bild: dpa

"Nur gemeinsam stark - für Demokratie und Vielfalt" - unter diesem Motto ist die Demo zum Christopher Street Day am Samstag durch Berlin gezogen. Trotz mäßigen Wetters kamen mehrere hunderttausend Menschen - und ein Stargast.

  • CSD-Route führte von Leipziger Straße über Nollendorfplatz und Urania zur Siegessäule
  • Abschlusskundgebung mit Herbert Grönemeyer
  • Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) hielt nicht die Eröffnungsrede

Beim Christopher Street Day (CSD) sind am Samstag mehrere Hunderttausend Menschen durch die Berliner Innenstadt gezogen, um für die Rechte queerer Personen zu demonstrieren. Nach Angaben der Polizei vom Samstagabend haben mindestens 250.000 Menschen an den Veranstaltungen teilgenommen. Die Organisatoren hatten im Vorfeld bis zu 500.000 Menschen erwartet.

Der Berliner CSD, zu dem weit mehr als der Demonstrationszug gehört, ist eine der größten Veranstaltungen der lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans-, intergeschlechtlichen und queeren (LGBTIQ) Community in Europa.

CSD-Social-Live des rbb

Der rbb hat am Samstag live vom CSD Berlin berichtet: Auf rbb24.de, im rbb Fernsehen sowie auf dem Youtube-Kanal des rbb und erstmals auch auf dem Twitch-Kanal der ARD. Auf Youtube ist die mehr als zweistündige Sendung vom Nachmittag noch einmal nachzusehen.

Mit an Board waren Reporterin Ronja Bachofer und Reporter Thomas Rostek. Sie begleiteten die Parade und waren mittendrin. Host Florian Prokop hatte zudem diverse Gäste zu Interviews.

Unstimmigkeiten um Grußwort

Die Berliner Demo führte von der Leipziger Straße über den Nollendorfplatz und die Urania zur Siegessäule. Der Berliner Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) hielt in diesem Jahr zwar nicht die Eröffnungsrede, hatte aber sein Kommen angekündigt.

Zum Auftakt des CSD rief er zur Verteidigung von Vielfalt und Toleranz in der Gesellschaft auf. "Berlin ist und bleibt die Stadt der Freiheit und der Menschenrechte", sagte der Regierende am Vormittag. Er verwies darauf, dass in der queeren Community viele Menschen aktuell beunruhigt seien, "dass Berlins weltoffenes, tolerantes Klima in Gefahr ist".

Eröffnet wurde die diesjährige Veranstaltung vom CSD-Vorstand und von der Aktivistin Sophie Koch von der "LAG Queeres Netzwerk Sachsen". Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) hielt ein Grußwort. Eigentlich ist die Eröffnung durch die Senatsspitze Tradition, doch es hatte im Vorfeld Unstimmigkeiten wegen Forderungen seitens des Trägervereins des CSD gegeben, die der CDU-Politiker und der Senat erfüllen sollten.

Grönemeyer bei Abschlusskundgebung

Bei der Abschlusskundgebung zwischen Siegessäule und Brandenburger Tor am Samstagabend trat Sänger Herbert Grönemeyer als Special Guest auf. "Zur Zeit werden Demokratien weltweit auf perfide Art und Weise durch fundamentalistische, faschistische Kräfte attackiert", sagte der Sänger auf der Bühne zum Abschluss der Veranstaltung. Rechte Kräfte arbeiteten gegen andere Lebensmodelle. "Lassen wir das nicht zu", rief Grönemeyer. "Kämpfen wir für eine progressive Welt, jeden Tag und Seite an Seite."

Polizei verhindert offenbar rechte Aktion

75 Trucks und etwa 100 Fußgruppen waren auf den siebeneinhalb Kilometern dabei, so die Veranstalter. Das Motto für 2024 lautete "Nur gemeinsam stark – Für Demokratie und Vielfalt". Denn man merke, so CSD-Vorstandsmitglied Marcel Voges auf Nachfrage des rbb, dass "der Ton gegen die queere Community immer rauer wird und ein regelrechter Kulturkampf gegen uns geführt wird".

Es gebe, so Voges weiter, große Unsicherheit und Angst innerhalb der queeren Community, dass sich das Erstarken von Parteien wie der AfD irgendwann auch in queerfeindlichen Gesetzen widerspiegeln könne. Davor wolle man rechtzeitig warnen und mit dem diesjährigen Motto ein klares Zeichen setzen. "Wir alle blicken mit großer Sorge auf den zunehmenden Hass".

Wir merken, dass der Ton gegen die queere Community immer rauer und ein regelrechter Kulturkampf gegen uns geführt wird

Marcel Voges, Vorstand beim CSD Berlin

Der Berliner CSD lenke mit dem Motto den Blick "auf die Gefahren der AfD und jeder anderen rechten Gruppierung, unabhängig von ihrem religiösen oder kulturellen Hintergrund", heißt es auf der Website des CSD [csd-berlin.de].

Laut Polizei sei "alles friedlich und harmonisch" verlaufen. Ein Sprecher sagte der Deutschen Presse-Agentur (DPA), die Beamten blickten in "viele fröhliche und freundliche Gesichter". Zwischenfälle gab es bis zum späten Abend kaum.

Eine Gruppe Rechter in szenetypischer Kleidung habe versucht, zum Aufzug zu kommen, sagte der Sprecher. Die Gruppe sei von Polizisten am Weiterlaufen gehindert worden. Die 30 Mitglieder kamen später wieder auf freien Fuß. Nach Polizeiangaben vom Sonntag waren 14 Minderjährige rasch wieder entlassen worden. Die volljährigen Mitglieder der Gruppe seien bis gegen Mitternacht in Gewahrsam geblieben.

Bis auf diesen Vorfall sei aber alles friedlich geblieben, erklärte ein Polizeisprecher. Um die CSD-Teilnehmenden zu schützen, war die Polizei mit rund 1.200 Kräften im Einsatz.

Berlin feiert den CSD seit 1979

Der erste "Christopher Street Day" in Berlin fand am 30. Juni 1979 statt. "Gay Pride" war das Motto, unter dem in West-Berlin 450 Demonstranten auf die Straße gingen. Ziel des CSD Berlin war es, die Sichtbarkeit von LGBTIQ in der Stadt und in Deutschland insgesamt zu fördern und für gleiche Rechte und gegen Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung zu demonstrieren.

Mit dem CSD wird vielerorts an Ereignisse im Juni im Jahr 1969 in New York City erinnert: Dort hatten in der Bar "Stonewall Inn" in der Christopher Street Schwulen, Lesben und trans Personen gegen immer wieder stattfindende gewalttätige Razzien der Polizei protestiert. Der Aufstand mündete in tagelange Straßenschlachten mit der Polizei.

Viele CSDs sorgen für viel Sichtbarkeit

Seither wird in New York am letzten Samstag im Juni mit einem Straßenumzug daran erinnert. Daraus ist eine internationale Tradition geworden. In Deutschland gibt es inzwischen in beinahe jeder größeren Stadt einen CSD.

Konkurrenz mache man sich da aber nicht. "Viele von uns gehen zu mehreren CSDs", sagt der Berliner CSD-Vorstand Marcel Voges. Man stärke sich eher gegenseitig. "Sichtbarkeit ist überall wichtig, egal ob auf dem Land oder in der Stadt".

Allerdings seien die Herausforderungen häufig unterschiedlich. In diesem Jahr habe man beispielsweise das Thema Ostdeutschland im Rahmen des Pride Month "stärker gesetzt". Denn die Community in den ostdeutschen Bundesländern habe große Sorge bezüglich der anstehenden Landtagswahlen.

Apropos Pride Month: Der CSD Berlin ist mehr als nur die große Demo. Der Pride Month umfasst eine Vielzahl von Veranstaltungen, wobei die abschließende Pride Week viele Festivitäten beinhaltet - von Filmvorführungen bis hin zu Pride-Boat-Partys.

Weitere CSD-Demonstrationen 2024 in der Region

    14. September: CSD in Frankfurt (Oder)

    Grenzüberschreitend ist der Pride in Frankfurt (Oder) und der polnischen Nachbarstadt Slubice. Das genaue Programm ist noch nicht bekannt, aber es soll wieder eine Demo-Route über die Oderbrücke zwischen den beiden Ländern geben.

    21. September: CSD in Oranienburg (Oberhavel)
    Der letzte CSD in diesem Jahr in der Region findet in Oranienburg statt. Geplant ist eine Demo ab 13 Uhr an der Lehnitzstraße/Lindenstraße.

Sendung: rbb24 Abendschau, 27.07.2024, 19:30 Uhr

 

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126 Kommentare

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  1. 125.

    In vielen Redebeiträgen wurde betont, dass der Kulturkampf von Rechts gegen queere Menschen immer härter geführt wird, am Potsdamer Platz hat sogar eine rechte Gruppe versucht den CSD zu stören und wurde zum Glück von der Polizei gestoppt - danke!

    Auch wurde der Forderungskatalog immer wieder vorgetragen: Schutz queerer Menschen im Grundgesetz, entschiedener Einsatz gegen Hasskriminalität, rechtliche Absicherung von Regenbogenfamilien. Eine ukrainische Fußgruppe gab es übrigens auch. Man muss halt selbst vor Ort sein, um ein vollständiges Bild zu kriegen.

  2. 124.

    Ich war dort.
    Gute Musik, man konnte rumlaufen, wie man wollte, und Tanzen an der frischen Luft, was will man mehr?
    Die politischen Botschaften waren allerdings etwas eingeschränkt, wenn man auf jeden Wagen Demokratie und Vielfalt liest, aber danach keine Haltungen zu Fragen wie Krieg, Armut, und Wohnungsnot mehr kommen.
    Demokratie braucht eben auch vielfältige gesellschaftliche Inhalte.
    Für mich dann doch eher eine Party statt Demonstration. Eindeutig.
    Aber das ist auch völlig in Ordnung.

  3. 123.

    2. Versuch liebe rbb24 Menschen!
    Dies ist von der Kunstfreiheit gedeckt! Und glauben Sie mir, Jesus selbst hätte mit diesen Menschen Wein getrunken, wetten?
    Danke!

  4. 121.

    Ist ja ungeheuer! Auch wenn es nicht in Ihr Weltbild passt, können Sie ruhig davon ausgehen, dass wahr ist. Jedenfalls bei meinem Kommentar.

  5. 120.

    @ Sunny, sind diese Menschen etwa nicht normal? Und - was macht Sie denn 'normaler' als die Leute auf dem CSD?

  6. 119.

    @ Tosca, was für große Worte. Aber geklaut und dann noch falsch.

  7. 117.

    Wann endlich kommen die queeren Demonstranten öfter raus und werden sichtbar. Wir sehen Sie nicht, bei diesem Versteckspiel. Da ist noch viel Luft nach oben.

  8. 116.

    Hallo Steffen oder Björn oder wie auch immer. Das ist Ihr Thema, ich weiß, es geht um die Rechte von Minderheiten und da sind Sie immer sehr aktiv. Aber nicht für die Rechte der anderen, sondern in der Überzeugung, Sie müssten uns erklären, dass alle Minderheiten gar keine Diskriminierung erleben. Wie gut, dass Sie keiner Minderheit angehören, sondern den Minderheiten erklären können, was diese dürfen, wollen, sollen und was diese als diskriminierend empfinden dürfen.

    Kapieren Sie nicht, dass genau diese Einstellungen es erst nötig machen, zu demonstrieren?

  9. 115.

    Muss Ihnen ja auch nicht gefallen, trotzdem ist die Botschaft entscheidend.

  10. 114.

    Fazit für heute: Die große Mehrheit der Berliner:innen steht hinter dem vielfältigen und friedlichen Miteinander in der Stadt, auch entgegen Rechter Störversuche am Potsdamer Platz oder der Hetze hier im Forum.

  11. 113.

    Schon wieder witzig, wie viele hier angebl. mit Homosexuellen bekannt sind, die NIEMALS zum CSD gehen würden und das 'Treiben' dort ebenfalls ablehnen. Das sind wohl die selben, die Handwerker in der Familie haben, welche keine "grünen" Bezirke mehr anfahren . . .

  12. 112.

    Klingt für mich, wie das klassische Urteil einer Person, die die Parade überhaupt nicht gesehen hat. Wer vor Ort war, hat gesehen, dass die meisten Teilnehmer der Nachbar, der Kollege oder jemand aus dem Bekanntenkeis waren. Aber sobald irgend jemand auftaucht, der nicht in den Mainstream passt, kommt das Klagen, dass alles zu schrill war….

  13. 110.

    Fazit von heute: Zu laut, zu bunt zu schrill, zu sehr abgehobenheit. Nee, ist nicht mein Ding !

  14. 109.

    Tolle Veranstaltung und Werbung für Berlin.

  15. 108.

    Ja ist klar. Gibt immer welche, die lassen andere für ihre Rechte auf die Strasse gehen. Schauen zu wie andere für ihre Rechte drangsaliert und getötet werden. Und haben die dann unter grossen Opfern erkämpft, was diese Welche gerne in Anspruch und für selbstverständlich nehmen, mokieren sie sich.
    Ein Homosexueller, Queerer, der nicht weiss, warum der Christopher Street Day heisst wie er heisst, was da heutzutage gefeiert wird, der ist halt Ignorant und im wissenschaftlichen, nicht beleidigenden Sinne dumm.
    Natürlich muss niemand hingehen. Das ändert aber nichts an der historischen, gesellschaftlichen und politischen Bedeutung des Christopher Street Day. Im übrigen bestätigen Sie nur was Selbstverständlich ist: Homosexuelle sind Menschen wie du und ich. Da gibt es auch Dumme, Nazis oder auch geschichtslose Ignoranten.

  16. 107.

    Warum nicht? Ich hatte früher auch einige schwule Kollegen. Alle waren doch ziemlich irritiert über diese Veranstaltungen. Was nicht bedeuten soll, dass der Ausgangspunkt dieser Parade seine absolute Berechtigung hat.

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