Christopher Street Day - Hunderttausende ziehen für die Rechte queerer Menschen durch Berlin
"Nur gemeinsam stark - für Demokratie und Vielfalt" - unter diesem Motto ist die Demo zum Christopher Street Day am Samstag durch Berlin gezogen. Trotz mäßigen Wetters kamen mehrere hunderttausend Menschen - und ein Stargast.
- CSD-Route führte von Leipziger Straße über Nollendorfplatz und Urania zur Siegessäule
- Abschlusskundgebung mit Herbert Grönemeyer
- Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) hielt nicht die Eröffnungsrede
Beim Christopher Street Day (CSD) sind am Samstag mehrere Hunderttausend Menschen durch die Berliner Innenstadt gezogen, um für die Rechte queerer Personen zu demonstrieren. Nach Angaben der Polizei vom Samstagabend haben mindestens 250.000 Menschen an den Veranstaltungen teilgenommen. Die Organisatoren hatten im Vorfeld bis zu 500.000 Menschen erwartet.
Der Berliner CSD, zu dem weit mehr als der Demonstrationszug gehört, ist eine der größten Veranstaltungen der lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans-, intergeschlechtlichen und queeren (LGBTIQ) Community in Europa.
Unstimmigkeiten um Grußwort
Die Berliner Demo führte von der Leipziger Straße über den Nollendorfplatz und die Urania zur Siegessäule. Der Berliner Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) hielt in diesem Jahr zwar nicht die Eröffnungsrede, hatte aber sein Kommen angekündigt.
Zum Auftakt des CSD rief er zur Verteidigung von Vielfalt und Toleranz in der Gesellschaft auf. "Berlin ist und bleibt die Stadt der Freiheit und der Menschenrechte", sagte der Regierende am Vormittag. Er verwies darauf, dass in der queeren Community viele Menschen aktuell beunruhigt seien, "dass Berlins weltoffenes, tolerantes Klima in Gefahr ist".
Eröffnet wurde die diesjährige Veranstaltung vom CSD-Vorstand und von der Aktivistin Sophie Koch von der "LAG Queeres Netzwerk Sachsen". Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) hielt ein Grußwort. Eigentlich ist die Eröffnung durch die Senatsspitze Tradition, doch es hatte im Vorfeld Unstimmigkeiten wegen Forderungen seitens des Trägervereins des CSD gegeben, die der CDU-Politiker und der Senat erfüllen sollten.
Grönemeyer bei Abschlusskundgebung
Bei der Abschlusskundgebung zwischen Siegessäule und Brandenburger Tor am Samstagabend trat Sänger Herbert Grönemeyer als Special Guest auf. "Zur Zeit werden Demokratien weltweit auf perfide Art und Weise durch fundamentalistische, faschistische Kräfte attackiert", sagte der Sänger auf der Bühne zum Abschluss der Veranstaltung. Rechte Kräfte arbeiteten gegen andere Lebensmodelle. "Lassen wir das nicht zu", rief Grönemeyer. "Kämpfen wir für eine progressive Welt, jeden Tag und Seite an Seite."
Polizei verhindert offenbar rechte Aktion
75 Trucks und etwa 100 Fußgruppen waren auf den siebeneinhalb Kilometern dabei, so die Veranstalter. Das Motto für 2024 lautete "Nur gemeinsam stark – Für Demokratie und Vielfalt". Denn man merke, so CSD-Vorstandsmitglied Marcel Voges auf Nachfrage des rbb, dass "der Ton gegen die queere Community immer rauer wird und ein regelrechter Kulturkampf gegen uns geführt wird".
Es gebe, so Voges weiter, große Unsicherheit und Angst innerhalb der queeren Community, dass sich das Erstarken von Parteien wie der AfD irgendwann auch in queerfeindlichen Gesetzen widerspiegeln könne. Davor wolle man rechtzeitig warnen und mit dem diesjährigen Motto ein klares Zeichen setzen. "Wir alle blicken mit großer Sorge auf den zunehmenden Hass".
Der Berliner CSD lenke mit dem Motto den Blick "auf die Gefahren der AfD und jeder anderen rechten Gruppierung, unabhängig von ihrem religiösen oder kulturellen Hintergrund", heißt es auf der Website des CSD [csd-berlin.de].
Laut Polizei sei "alles friedlich und harmonisch" verlaufen. Ein Sprecher sagte der Deutschen Presse-Agentur (DPA), die Beamten blickten in "viele fröhliche und freundliche Gesichter". Zwischenfälle gab es bis zum späten Abend kaum.
Eine Gruppe Rechter in szenetypischer Kleidung habe versucht, zum Aufzug zu kommen, sagte der Sprecher. Die Gruppe sei von Polizisten am Weiterlaufen gehindert worden. Die 30 Mitglieder kamen später wieder auf freien Fuß. Nach Polizeiangaben vom Sonntag waren 14 Minderjährige rasch wieder entlassen worden. Die volljährigen Mitglieder der Gruppe seien bis gegen Mitternacht in Gewahrsam geblieben.
Bis auf diesen Vorfall sei aber alles friedlich geblieben, erklärte ein Polizeisprecher. Um die CSD-Teilnehmenden zu schützen, war die Polizei mit rund 1.200 Kräften im Einsatz.
Berlin feiert den CSD seit 1979
Der erste "Christopher Street Day" in Berlin fand am 30. Juni 1979 statt. "Gay Pride" war das Motto, unter dem in West-Berlin 450 Demonstranten auf die Straße gingen. Ziel des CSD Berlin war es, die Sichtbarkeit von LGBTIQ in der Stadt und in Deutschland insgesamt zu fördern und für gleiche Rechte und gegen Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung zu demonstrieren.
Mit dem CSD wird vielerorts an Ereignisse im Juni im Jahr 1969 in New York City erinnert: Dort hatten in der Bar "Stonewall Inn" in der Christopher Street Schwulen, Lesben und trans Personen gegen immer wieder stattfindende gewalttätige Razzien der Polizei protestiert. Der Aufstand mündete in tagelange Straßenschlachten mit der Polizei.
Viele CSDs sorgen für viel Sichtbarkeit
Seither wird in New York am letzten Samstag im Juni mit einem Straßenumzug daran erinnert. Daraus ist eine internationale Tradition geworden. In Deutschland gibt es inzwischen in beinahe jeder größeren Stadt einen CSD.
Konkurrenz mache man sich da aber nicht. "Viele von uns gehen zu mehreren CSDs", sagt der Berliner CSD-Vorstand Marcel Voges. Man stärke sich eher gegenseitig. "Sichtbarkeit ist überall wichtig, egal ob auf dem Land oder in der Stadt".
Allerdings seien die Herausforderungen häufig unterschiedlich. In diesem Jahr habe man beispielsweise das Thema Ostdeutschland im Rahmen des Pride Month "stärker gesetzt". Denn die Community in den ostdeutschen Bundesländern habe große Sorge bezüglich der anstehenden Landtagswahlen.
Apropos Pride Month: Der CSD Berlin ist mehr als nur die große Demo. Der Pride Month umfasst eine Vielzahl von Veranstaltungen, wobei die abschließende Pride Week viele Festivitäten beinhaltet - von Filmvorführungen bis hin zu Pride-Boat-Partys.
Weitere CSD-Demonstrationen 2024 in der Region
14. September: CSD in Frankfurt (Oder)
Grenzüberschreitend ist der Pride in Frankfurt (Oder) und der polnischen Nachbarstadt Slubice. Das genaue Programm ist noch nicht bekannt, aber es soll wieder eine Demo-Route über die Oderbrücke zwischen den beiden Ländern geben.
21. September: CSD in Oranienburg (Oberhavel)
Der letzte CSD in diesem Jahr in der Region findet in Oranienburg statt. Geplant ist eine Demo ab 13 Uhr an der Lehnitzstraße/Lindenstraße.
Sendung: rbb24 Abendschau, 27.07.2024, 19:30 Uhr
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