Neue Nationalgalerie - Nan Goldins Israel-Kritik führt zu scharfen Reaktionen

Sa 23.11.24 | 19:20 Uhr
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Nan Goldin spricht am 22.11.2024 auf der Ausstellungseröffnung «Nan Goldin. This Will Not End Well». (Quelle: dpa/Fabian Sommer)
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Video: rbb24 Abendschau | 23.11.2024 | Sami Chahbani | Bild: dpa/Fabian Sommer

Eklat in der Neuen Nationalgalerie: Die amerikanische Fotografin Nan Goldin kritisierte während der Eröffnung einer Ausstellung das Vorgehen Israels in Gaza. Als der Direktor der Nationalgalerie daraufhin eine Gegenrede halten wollte, wurde er niedergebrüllt.

Bei der Eröffnung einer Fotoausstellung in der Neuen Nationalgalerie in Berlin hat es am Freitagabend einen Eklat gegeben. Das teilte ein Pressesprecher der Neuen Nationalgalerie mit.

Zunächst hat die Künstlerin Nan Goldin in ihrer Rede Israel vorgeworfen, im Gazastreifen und dem Libanon einen Völkermord zu begehen. Gleichzeitig kritisierte sie, dass Deutschland vor diesem Umstand die Augen verschließe. Nach ihrer Rede hielten Dutzende pro-palästinensische Demonstranten in und vor der Nationalgalerie Flaggen und Banner hoch und forderten in Sprechchören unter anderem die "Freiheit Palästinas".

Direktor: Äußerungen "unerträglich und einseitig"

Als der Direktor der Neuen Nationalgalerie, Klaus Biesenbach, eine Gegenrede halten wollte, wurde er durch die skandierenden Demonstranten daran gehindert. Diese hatten kurz danach das Gebäude verlassen und Biesenbach konnte seine Rede doch noch halten. Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, zu der die Nationalgalerie gehört, verurteilte die Äußerungen von Goldin als "unerträglich und einseitig". Zugleich kritisierte er, dass Biesenbach während seiner Gegenrede niedergebrüllt wurde. "Das ist nicht unser Verständnis von Meinungsfreiheit."

In der rbb24 Abendschau sagte Parzinger am Samstag, man habe von der israel-kritischen Haltung Goldins gewusst und sei auf Proteste vorbereitet gewesen. Sein Haus stimme zwar nicht mit ihren Äußerungen überein, aber Goldin habe auch nichts gesagt, was justiziabel oder volksverhetzend sei. Man müsse andere Meinungen aushalten, aber das gelte auch für die Gegenseite.

Auch der Historiker und Autor Meron Mendel rief zum Dialog auf. Er hat ein Symposium in der Neuen Nationalgalerie am Sonntag mitorganisiert, bei dem es um Kunst und Aktivismus in Zeiten des Nahostkonflikts geht. Mendel sagte in der ARD, die Äußerungen von Goldin seien zwar einseitig, aber legitim. Das gehöre zur Redefreiheit. Problematisch sei es nur, wenn dabei Gespräche verweigert und zum Boykott aufgerufen werde.

Chialo: Äußerungen von Nan Goldin "kaum hinnehmbar"

Berlins Kultursenator Joe Chialo (CDU) bezeichnete die israel-kritischen Äußerungen der Künstlerin Nan Goldin bei einer Ausstellungseröffnung in Berlin als "kaum hinnehmbar".

Chialo teilte dem rbb am Samstag mit, eine derart geschichtsvergessene Einseitigkeit sei inakzeptabel - gerade in Berlin, wo der Holocaust geplant wurde. Chialo kritisierte auch die propalästinensischen Proteste während der Veranstaltung. Das Existenzrechts Israels und dessen Schutz seien für Deutschland nicht verhandelbar. Ein aggressives Publikum habe versucht, diese Positionen "niederzubrüllen". Davon werde man sich nicht beirren lassen.

Auch Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) kritisierte die propalästinensischen Proteste und warf Goldin Einseitigkeit vor.

Die 71-jährige US-Amerikanerin Nan Goldin stammt selbst aus einer jüdischen Familie und zählt zu den renommiertesten Künstlerinnen der zeitgenössischen Fotografie. Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 hat sich Goldin mehrmals antiisraelisch positioniert.

Sie unterzeichnete etwa einen Offenen Brief des US-Magazins "Artforum", in dem Israel für seine Reaktion auf den Hamas-Überfall scharf kritisiert wird. Die Hamas und deren Geiseln wurden erst nachträglich erwähnt. Zudem wird Goldin eine Nähe zur umstrittenen Israel-Boykottbewegung BDS nachgesagt.

Die Retrospektive mit dem Titel "This Will Not End Well" ist bis 6. April 2025 in der Neue Nationalgalerie in Berlin zu sehen.

Sendung: rbb24 Abendschau, 23.11.2024, 19:30 Uhr

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82 Kommentare

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  1. 82.

    Und jede Ktitik an der Kritik wird auch als Antisemitismus defamiert. Ich kritisiere diese ausufernde Definition schon lange.

    Istael ist ein Staat mit einer Rechtsradikalen Regierung das ist unbestritten.

    Hetze gegen den Staat der für Juden einen Schutzraum gegen Antisemitismus bietet ist Faschismus.

    Ich bin solidarisch mit der Israelischen Friedensbewegung!

  2. 81.

    Netanjahu ist ja nun kein US-Bürger, auf den das nach US-Recht angewendet werden muss, als Verbündeter offensichtlich aber kann. Aber ansonsten ist es schon so, dass die USA, obwohl sie Mitglied zahlloser internationaler Organisationen sind, kein höherrangigeres Recht akzeptieren als ihr eigenes. Insofern kann verhandelt und beschlossen werden, was will, solange es nicht mit US-Recht "kompatibel" ist, handeln die USA nach eigenen Gesetzen. Das ist nicht gerade die beste Grundlage, um international wirklich zueinander zu kommen.

  3. 80.

    Zum Haftbefehl:

    "Das Gesetz „American Servicemembers Protection Act“ aus dem Jahr 2002 ermächtigt den Präsidenten alle Mittel einzusetzen, bis hin zu militärischen, um US-Bürger oder die Bürger von mit den USA verbündeten Staaten zu befreien, sollten sie vom IStGH in Haft gehalten werden."

    Nun stelle man sich vor, dass er in Europa verhaftet werden würde ... was passiert dann?

  4. 79.

    In der Tat besteht Antisemitismus (nur) darin, soweit eine spezifische Verhaltensweise "dem jüdischen Wesen" als solches zugeschrieben wird, dies bspw. in Form einer Stereotype. Bei einer Kritik an einer Regierung - gleich auch wo, wann und welcher - kann davon nicht die Rede sein.

    Stereotypen finden sich (immer noch) gelegentlich in Form von skizzierten Nasen, historisch gesehen in Form des typischen "Geldjuden".

  5. 78.

    Es ist KEIN Antisemitismus wenn man die rechtsextreme Regierung Israels kritisiert.

    Oder ist jetzt der IStGH auch schon antisemitisch oder die Bürger Israels die zu Tausenden gegen ihre eigenen Regierung demonstrieren?

  6. 77.

    Tausende Israelis protestieren gegen ihre offen rechtsextreme Regierung, wie passt das für sie zusammen?

  7. 74.

    Was darf denn Kunst ?
    Kunst war schon oft politisch. Nehmen sie alle Satire Veranstaltungen … oder diverse Liedtexte… besonders die Liedermacher in der DDR. Die Satire gegen die Kirche… Mahammed Karikaturen usw.

  8. 73.

    Die Galerie bietet den Raum, den Rahmen, die Vorbereitung, PR etc. sie lädt ein. Natürlich spricht dann auch die Hausleitung zur Eröffnung und nicht ausschließlich der/die Ausgestellte.
    Und zwar zu den Gästen, denn für sie ist all das, sie finanzieren all das.

  9. 72.

    Wenn trotz Haftbefehl gegen Netanjahu unsere Funktionäre und Politiker ihn aktiv unterstützen bzw. den Rücken freihalten, werden sie eigentlich dann zu Mittätern? Ist das juristisch belangbar?

  10. 71.

    Blinder Hass tötet die Menschlichkeit. Dazu darf man sich niemals herablassen. Nie wieder!
    Das gilt bei mir für alle.

  11. 70.

    Leider ist es so. Jede Kritik an der israelischen Kriegsführung und Politik wird sofort mit der Antisemitismuskeule platt gemacht. Warum darf nicht einmal ein Angehöriger des eigenen Glaubens Kritik äußern? Sind Menschen, nur weil sie einen bestimmten Glauben haben, automatisch immun, darf man diese nie kritisieren? Für mich ist das unverständlich. Wenn Menschen Verbrechen begehen, ist es nicht von geringster Bedeutung, welchen Glauben sie haben. Verbrechen bleiben Verbrechen.

  12. 69.

    "Einmal mehr glauben also Deutsche - hier der Direktor der Nationalgalerie sowie der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz einer Jüdin zu erklären was eine gute Jüdin ist."

    P.S. Sie wissen doch gar nicht, was der Direktor wirklich sagen wollte, er konnte ja anscheinend nicht weiterreden, also warum formulieren Sie dann einen solchen persönlichen Vorwurf?

  13. 68.

    Ok, den Begriff "Völkermord" finde ich auch immer schwierig, aber darf man Israels Außenpolitik in irgendeiner Art und Weise kritisieren?

  14. 67.

    Scheinbar darf niemand isael für sein Handeln im Gaza-Gebiet kritisieren. Da hört die Meinungsfreiheit auf. Echt erschreckend.

    Für einen Konflikt gehören ab und zu auch mindestens zwei Personen.

    Jedes unschuldige Opfer ist eins zu viel. Auf beiden Seiten.

    Ich weiß nicht, wie es der Mehrheit geht. Ich bin mehr als genervt von diesen ganzen Konflikten & kriegen. Ich wünsche mir mehr persönlichkeiten, die für Frieden sorgen.

  15. 66.

    Ich habe Respekt vor jedem Menschen und bin auch sonst fast immer Ihrer Meinung, hier nicht. Warum soll man danach nicht über Differenzen sprechen? Wieso soll das nicht möglich sein und wird von Demonstranten unterbrochen? Das gehört hier auch zur Meinungsfreiheit dazu. Ich habe die Rede von Ihr nicht gehört, aber wenn sie in der Neuen Nationalgalerie ausstellt, warum sollte dann nicht auch der Direktor ein paar Worte dazu sagen? Wo ist das Problem? Ich sehe hier etwas ähnliches, wie bei der Berlinale. Wieso kann man nicht miteinander darüber diskutieren? Nur seine Kritik loswerden ohne Gegenargumenten zuzuhören, verstehen Sie das unter Meinungsfreiheit? Und wenn Sie als Argument 'Punkt' bringen, das ist kein Argument, sondern zeigt, dass auch Sie an dieser Stelle nicht weiterdiskutieren wollen, was ich finde sehr schade finde.

  16. 65.

    Das Thema ist um ein Vielfaches komplexer als die Ukraine, weil Israel nicht dadurch Frieden findet, wenn man den Aggressor aus dem Land schmeißt.
    Allerdings verursachen die militärischen Versuche, das Übel auszumerzen, unerträglich hohe Kollateralschäden und bringt im best Case nur ein Zeitgewinn, weil man die palästinensische Lösung der UNO inzwischen komplett verwirft.
    Netanjahu wäre wirklich gut beraten, langsam vom Gas zur Bremse zu wechseln.

  17. 64.

    Es stimmt schon: behandelt man heuer in Berlin so also eine renommierte US-Künstlerin? Jeder Lokalpatriot, der sich dazu berufen fühlt, seine Phrasen dreschen zu müssen, haut einmal ordentlich drauf? Naja, ist halt nach wie vor Provinz...

  18. 63.

    Linker Antisemitismus ist auch Antisemitismus.

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