Abnehm-Hype um Diabetes-Medikament - Wie die Lieferengpässe von Ozempic behoben werden sollen

Mi 05.07.23 | 12:41 Uhr | Von Simon Wenzel
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Symbolbild:Eine Apothekerin nimmt eine Packung Ozempic aus der Kühlung.(Quelle:dpa/F.Gartner)
Video: rbb|24 | 02.07.2023 | Material: rbb24 Brandenburg aktuell | Bild: dpa/F.Gaertner

Das Diabetes-Medikament Ozempic kann auch beim Abnehmen helfen. Das macht es interessant für Menschen, die mit Übergewicht kämpfen - aber auch für Influencer und ihre Nachahmer. Nun werden Lösungen gegen die anhaltende Knappheit gesucht. Von Simon Wenzel

Der Mangel ist schon länger bekannt und trotzdem immer noch akut: Beim wichtigen Diabetes-Medikament Ozempic gibt es in Berlin weiterhin Lieferengpässe.

Patienten, die an Typ-2-Diabetes leiden, müssen mitunter eine Hand voll Apotheken abklappern, um ihr Rezept für das dringend benötigte Medikament einzulösen. Manchmal ist auch dann noch keine Packung Ozempic zu bekommen, sondern nur ein Platz auf einer Warteliste.

Der Berliner Apothekerverband bestätigt den Mangel auf Anfrage noch einmal: "Es gibt aktuell ein Problem in der Beschaffung des Arzneimittels, die Bestellung der benötigten Packungen ist vielfach nicht möglich", sagt Verbandssprecher und Apotheker Stefan Schmidt. Seit Monaten sei das immer wieder so.

Bereits im März hatte der Hersteller von Ozempic, das Mainzer Unternehmen Novo Nordisk, in einem Informationsschreiben für Ärzte vor Lieferengpässen gewarnt. Auf Anfrage bestätigt Novo Nordisk den Mangel noch einmal und schreibt, dass die Nachfrage nach dem Medikament weltweit stärker als gedacht angestiegen sei. Obwohl das Pharmaunternehmen nach eigenen Angaben mehr liefert (und damit verkauft) als je zuvor, könne der Bedarf zeitweise nicht gedeckt werden. Das liegt augenscheinlich nicht an einem überraschend rasanten Anstieg von Diabetes-Erkrankungen, sondern vor allem an einem Nebeneffekt von Ozempic: dem Abnehmen.

Game-Changer in der Diabetes-Therapie - und "off label" zum Abnehmen

Das begehrte Medikament enthält den Wirkstoff Semaglutid. Der ahmt ein Hormon nach und bewirkt im Gehirn, dass ein Gefühl der Sättigung erzeugt wird. Zudem verlangsamt das Mittel die Magenentleerung und sorgt dafür, dass mehr Insulin ausgeschüttet wird, wodurch der Blutzuckerspiegel sinkt. Ein Mal pro Woche gespritzt ist Ozempic ein Game-Changer in der Therapie von Diabetes Typ 2. Aber nicht nur da. Schon seit Jahren ist bekannt, dass diese Wirkweise auch beim Abnehmen helfen kann - weil die Patienten weniger essen.

Eine sogenannte Off-Label-Anwendung ist das, denn als Therapie zum Abnehmen ist das Medikament Ozempic in Europa eigentlich gar nicht zugelassen. Trotzdem könne die Anwendung sinnvoll sein, sagt der Berliner Diabetologe Malik Böttcher, "wenn wir von Leuten mit Adipositas reden, die bis an die 200 Kilogramm wiegen und abnehmen müssen." Die Krankenkasse übernehme das nicht, "aber es ist für einen Arzt schwierig, das abzulehnen, wenn ich weiß, dass jemand mit einer Adipositas ein sehr schweres Herzinfarkt- oder Schlaganfallrisiko, Fettleber und mehr hat - und das alles durch die Therapie mit diesem Medikament verbessert werden könnte. Dann greift auch der Arzt zu diesem Präparat", sagt Böttcher.

Er habe fast täglich Anfragen von Patienten, die das Mittel zum Abnehmen nutzen wollen, so Böttcher. Dabei seien allerdings auch viele, die einfach nur dünner wirken wollen, zum Beispiel aus beruflichen Gründen. Und genau da liegt das Problem.

Von führenden Influencern empfohlen

Denn rund um die Abnehm-Anwendung von Ozempic hat sich im letzten Jahr ein wahrer Hype entwickelt: US-amerikanische Größen der Popkultur wie Tesla-Chef Elon Musk gaben an, mit dem Medikament mehrere Kilo abgenommen zu haben, anderen wie Kim Kardashian wurde es nachgesagt. Medien berichteten weltweit. Und in den sozialen Netzwerken wurde das Medikament omnipräsent: Alleine bei Tiktok hat der Hashtag "Ozempic" 1,2 Milliarden Aufrufe.

Unter den Posts findet sich eine bunte Content-Mischung aus der ganzen Welt: Menschen, die andere an ihrer Diabetes-Therapie teilhaben lassen, Adipositas-Patienten, die große Hoffnung in das Mittel setzen, aber auch: schlanke Influencer, die ihre Erfahrungen mit dem angeblichen Abnehm-Wundermittel schildern und mehr oder weniger seriöse Online-Coaches und -Ärzte, die mal Ozempic zum Abnehmen empfehlen und mal davon abraten.

Nicht nur der Berliner Mediziner Böttcher vermutet darin den Hauptgrund für den aktuellen Mangel. Auch der Hersteller führt den plötzlichen Anstieg der Nachfrage darauf zurück. Die habe die Prognosen "in ungeahntem Maß übertroffen", teilt Novo Nordisk mit. Aufgrund von beschränkter Kapazität an Produktionsstandorten könne man den Bedarf nicht decken.

Neues Mittel mit gleichem Wirkstoff zugelassen - und vor Markteinführung

Eine erste Maßnahme, um der Ozempic-Knappheit entgegen zu wirken, wurde bereits ergriffen. Im April stieß der für Lieferengpässe zuständige Beirat im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte eine neue Verschreibungspraxis an: Auf den Privatrezepten für das Mittel soll nun die Arzt-Diagnose stehen. Apotheker sollen Patienten mit Diabetes bevorzugt das rare aber dringend benötigte Medikament aushändigen.

Eine nachhaltige Wirkung ist zumindest in Berlin noch nicht erkennbar, der Mangel besteht schließlich weiterhin. "Ob es ohne diese Regelung noch schlimmer wäre, wissen wir nicht", sagt Stefan Schmidt vom Apothekerverband.

Immerhin: Bald soll es auf dem deutschen Markt eine adäquate Alternative zu Ozempic für Adipositas-Patienten geben. Wegovy heißt sie. Auch in diesem Medikament ist der Wirkstoff Semaglutid enthalten, allerdings höher dosiert. Wegovy ist von der europäischen Arzneimittelbehörde als Behandlungsmittel für Adipositas zugelassen - ab einem Body-Mass-Index von über 30 oder schon etwas früher, wenn Begleiterkrankungen wie Bluthochdruck vorliegen.

Es darf also auch offiziell zum Abnehmen eingesetzt werden und müsste nicht "off label" verschrieben werden. Seine Wirksamkeit soll doppelt so hoch sein wie die bisher in der Adipositas-Behandlung eingesetzter Mittel, sagt der Endokrinologe und Adipositas-Experte Matthias Blüher vom Leizpziger Universitätsklinikum. "Das kann also viel verändern. Wie stark es aber in der Praxis eingesetzt wird, wird davon abhängen, wie hoch der Preis ist", so Blüher.

Ob der Lieferengpass bei Ozempic mit der Markteinführung von Wegovy verringert werden kann, bleibt abzuwarten. Auch das zugelassene Abnehm-Medikament wird von Novo Nordisk hergestellt. Auf Anfrage teilt das Unternehmen mit, dass Ende Juli mit einer Markteinführung in Deutschland zu rechnen sei. Auch in den nächsten Monaten könne es allerdings noch zu Lieferengpässen bei Ozempic kommen, schreibt das Unternehmen.

"Wichtig ist, dass immer die Diabetiker zuerst kommen"

Dem Berliner Diabetologen Malik Böttcher ist bis dahin an einer klaren Priorisierung gelegen: "Wichtig ist, dass immer die Diabetiker zuerst kommen, dann die Menschen, die Adipositas haben und erst dann können wir noch über die Nutzung als Lifestyle-Präparat reden, die da jetzt angeworben wird", sagt er.

Seit die neue Verschreibungspraxis angewandt wird, habe er immer wieder Patienten, die bei ihm vorstellig würden und sagten, dass sie bereits seit Jahren Ozempic zum Abnehmen benutzen würden und nun eine Verschreibung bräuchten; als Diabetiker - obwohl sie keine sind.

Sendung: rbb24 Inforadio, 03.07.2023, 18 Uhr

Beitrag von Simon Wenzel

14 Kommentare

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  1. 14.

    Befassen Sie sich bitte einmal mit Adipositas.
    Dann wird Ihnen klar, dass Bewegung und Ernährungsumstellung kaum noch greifen.
    Adipositas- Patienten sind akut der Gefahr von Schlaganfall, Herzinfarkt, Diabetes, Arthrose etc ausgesetzt.
    Also mal eben verharmlosen und zu minder wichtig erklären ist nicht.

  2. 13.

    Ich finde es nicht sehr solidarisch, dass Ärzte Patienten Ozempic auf ein Privatrezept verschreiben, obwohl diese keine Diabetes haben und damit die Versorgung von Diabetiker gefährdet ist. Bei Corona hat der Staat alles kontrolliert. Hier ist er nicht in der Lage, den Missbrauch zu verhindern.

  3. 12.

    Klappt zum Abnehmen auch wunderbar...... einfach mal ohne Medikamente versuchen.

  4. 11.

    Mit einer Ernährungsumstellung müssen wohl die Übergewichtigen loslegen und nicht den Diabetes-Erkrankten deren Arzneien wegnehmen! Aber nein, man möchte schön auf der Couch liegen und dabei das überflüssige Fett loswerden.

  5. 10.

    Es wäre geradezu lebensgefährlich, wollte man Ihren von abgrundtiefer Unkenntnis geprägten Rat befolgen. Wer als Diabetiker/in verordnete Medikamente nicht nimmt, riskiert u. U. tödliche Folgen. Und: Ozempic zu spritzen ist kein Vergnügen. Mir war das auch verordnet worden. Ich weiß nicht, wovon ich mehr abgenommen habe - vom ständigen Durchfall oder ständigen Erbrechen. Ich musste auf andere Medikamente umsteigen. Die halfen mir zwar nicht so gut, aber Magen und Darm wussten es zu danken.

  6. 9.

    "Man muss sich drauf einlassen und durchhalten. Das funktioniert. Man muss nur wollen."

    Sie unterstellen damit allen, die Arzneimittel nehmen müssen, dass sie nicht wollen?
    Vielleicht hat es bei ihnen ja funktioniert, bei den meisten geht es nicht ohne Arzneimittel!!

  7. 8.

    Das kommt auf die Schwere der Krankheit an.
    Und auf die Ausgangssituation.
    Nicht jeder Diabetiker ist dick und verfressen.
    Und nicht in jedem Job lässt sich alles so einfach umsetzen.
    Und wenn die Bauchspeicheldrüse überhaupt nicht arbeitet und gar kein körpereigenes Insulin mehr produziert.... Kannst du umstellen soviel du willst: es hilft nicht

  8. 7.

    Is' ja Klasse. Aufgespritze Lippen, "gebotoxte" Falten, gefärbte Haare und schlank gefixte Wannen und im ersten Stock die Sauerstoff-App starten. Darauf eine Torte - aber bitte mit Sahne.

  9. 6.

    Das habe ich auch gemacht, meine Ernährung umgestellt und bin jetzt seit vier Jahren ohne Diabethesmedikamente.
    Man muss sich drauf einlassen und durchhalten. Das funktioniert. Man muss nur wollen.

  10. 5.

    Sie verwechseln da was. Mit Ernährungsumstellung und Sport können Sie zwar abnehmen, aber das löst noch lange nicht das Problem, dass die Bauchspeicheldrüse zu wenig Insulin produziert. Die Menge Insulin wird auch nicht mehr, wenn Sie noch mehr Sport betreiben und sich noch gesünder ernähren. Also ohne Arzneimittel auskommen ist da wirklich schwierig. Ja, es heißt Arzneimittel und nicht Medikamente.

  11. 4.

    Wenn man keine Ahnung hat.....
    Wenn das Ei einfach wäre, würden es viele Diabetiker freiwillig tun. Auf die Nebenwirkungen von ozempic kann man nämlich gut verzichten.
    Ist aber nach sämtlichen Umstellungen, Versuchen und oralen Therapien das Einzige, was mir noch hilft. Ohne komplett auf Insulin umsteigen zu müssen.
    Natürlich nur, wenn ich das Medikament auch bekomme.
    Aber Egoismus wird seit Jahren immer größer geschrieben

  12. 3.

    Cooler Bericht. Nun wissen es noch mehr und es freut die Pharmaindustrie. Das neue Mittel ist ja auch genannt.
    So hilft nicht den wirklich kranken Menschen.

  13. 2.

    Keinerlei Ahnung, nur dummes Gerede
    Kämpfe mal seit 30 Jahren dagegen.
    Bin nicht Übergewichtig und treibe regelmäßig Sport bei gesunder Ernährung.
    Erst mal selbst erkranken und dann Tipps geben

  14. 1.

    Diabetes 2, da kann man doch mit einer Ernährungsumstellung viel bewirken - siehe Ernährungsdocs, vielleicht mal ohne Medikamente probieren?

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