Streit in der CDU - Auf Distanz – Merz gegen Wegner, Wegner gegen Merz

Mi 29.11.23 | 16:44 Uhr | Von Sabine Müller
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Archivbild: Kai Wegner (CDU, l), Regierender Bürgermeister von Berlin, spricht neben Friedrich Merz, CDU-Bundesvorsitzender. (Quelle: dpa/C. Soeder)
Audio: rbb24 Inforadio | 29.11.2023 | Sabine Müller | Bild: dpa/C. Soeder

Noch nie war es offensichtlicher als jetzt, dass Kai Wegner und Friedrich Merz nicht (mehr) miteinander können. Aber wie tief geht der Streit zwischen dem Regierenden Bürgermeister und dem CDU-Chef und was bedeutet er für die Partei? Von Sabine Müller

Wie es um das Verhältnis zwischen Kai Wegner und Friedrich Merz bestellt ist, zeigt sich nicht nur am Inhalt dessen, was gerade gesagt wird. Sondern auch und vor allem an der Form. Nachdem Wegner als erster CDU-Regierungschef eine Reform der Schuldenbremse gefordert und sich damit gegen Merz‘ Kurs gestellt hatte, war der Partei- und Fraktionschef hörbar verärgert.

Ob er schon mit den Ministerpräsidenten der CDU gesprochen habe, die sich offen für eine Reform zeigen, wird Merz am Montag von einem Journalisten gefragt und seine Antwort lässt tief blicken. "Es gibt einen Ministerpräsidenten - oder besser gesagt: Bürgermeister - der der Meinung ist, dass die Schuldenbremse im Grundgesetz keinen Bestand haben sollte. Das ist nicht die Meinung der CDU. Das ist nicht die Meinung der Bundestagsfraktion".

Merz greift Wegner an

Bürgermeister, sagte Merz, nicht einmal Regierender Bürgermeister. Der CDU-Chef wertet Kai Wegner zum Lokalpolitiker ab, versucht ihn da zu treffen, wo es richtig weh tut: bei der Eitelkeit. Außerdem stellt er Wegners Standpunkt als Einzelmeinung dar, will ihn ins Abseits schieben. Dabei haben andere CDU-Ministerpräsidenten durchaus erkennen lassen, dass auch sie für eine Überarbeitung der Schuldenbremse offen wären.

Es ist ungewöhnlich, wie Merz die Form nicht wahrt, obwohl das sonst auch bei harter Kritik üblich ist. Noch ungewöhnlicher ist, dass er es gleich zweimal hintereinander tut. Denn einen Tag später legt Merz vor dem versammelten Bundestagsplenum nach. "Die Entscheidungen werden hier im Deutschen Bundestag getroffen und nicht im Rathaus von Berlin", ruft er ins Rund und kanzelt Wegner ab. Ein Affront.

Wegner und Merz – Ein Duo mit Geschichte

Der Angegriffene wahrt die Form. Kai Wegner wiederholt am Dienstagmittag ruhig: "Ich will eine Reform dieser Schuldenbremse". Eine kleine Spitze schimmert aber durch, als er hinzufügt: "Wir hier in Berlin werben dafür, dass wir zu Lösungen kommen, die dem Land am Ende des Tages dienen". Das kann man so verstehen, dass Merz‘ Lösungsvorschläge dem Land nicht dienen.

Es ist noch nicht lange her, dass Kai Wegner zu den "Merzianern" gezählt wurde. Im Kampf um die CDU-Parteispitze sprach sich der Berliner 2020 für Friedrich Merz aus und lobte dessen "erkennbares Profil". Gemeint war: sein konservatives Profil, das für Wegner ganz offensichtlich genau seine Kragenweite und ein Pluspunkt des Kandidaten war. Exakt ist der Zeitpunkt, an dem es zwischen Merz und Wegner anfängt zu bröckeln, nicht festzumachen, aber klar ist, dass das Ergebnis der Abgeordnetenhauswahl 2021 für Unmut in der Bundes-Partei sorgte. Wegners CDU landete hinter SPD und Grünen nur auf Platz drei.

Czaja und Wegner in inniger Abneigung verbunden

Als sich Ende 2022 dann die Wiederholungswahl abzeichnete, kam plötzlich das Gerücht auf, die Bundes-CDU wolle diesmal statt Wegner lieber Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn als Spitzenkandidaten sehen. Viele Christdemokraten vermuteten den damaligen Generalsekretär der Bundes-CDU, Mario Czaja, als Urheber des Gerüchts. Czaja und Wegner sind sich aus der Berliner Landespolitik in inniger Abneigung verbunden. Aber würde ein Generalsekretär solche Gedankenspiele streuen, ohne dass sein Chef dies gutheißt oder zumindest davon weiß?

Merz stellte sich nach den Gerüchten öffentlich hinter Wegner, aber in der Berliner CDU wurde genau registriert, wie mau die Unterstützung des Bundesparteichefs im Wahlkampf ausfiel.

Der Sommer der deutlichen Worte

Der deutliche Wahlsieg im Februar 2023 gab Kai Wegner Rückenwind, als Regierender Bürgermeister meldete er sich ab dem Sommer zunehmend bundespolitisch zu Wort - und ging dabei mehrfach deutlich auf Distanz zum Parteichef.

Etwa nach Merz‘ Aussagen im ZDF-Sommerinterview zu einer möglichen Zusammenarbeit mit der AfD auf kommunaler Ebene. Wegner war der erste CDU-Regierungschef, der sich äußerte. Er twitterte: "Die CDU kann, will und wird nicht mit einer Partei zusammenarbeiten, deren Geschäftsmodell Hass, Spaltung und Ausgrenzung ist".

Diese klare Ansage wiederholte er am nächsten Morgen in einem Fernsehinterview. Von Wegners Leuten hieß es hinterher, das Interview sei länger geplant gewesen - man wollte offenbar den Eindruck vermeiden, der Regierende Bürgermeister sei zu forsch.

Im Sommer äußerte sich Wegner auch schon zu dem Thema, an dem sich der aktuelle Streit entzündet, und forderte eine Reform der Schuldenbremse. Für einen Mann, der früher als Hardliner in der CDU galt, waren das neue Töne, überhaupt tritt Wegner inzwischen deutlich liberaler auf.

Wegner der "Anti-Merz"

Für noch mehr Aufmerksamkeit sorgte aber ein Interview zum Ablauf der nächsten Kanzlerkandidaten-Kür in der Union. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" kommentierte danach, Wegner strenge "sich gar nicht mehr groß an, den Eindruck zu verwischen, er mache sich zum Sprachrohr derer in der CDU, die Friedrich Merz als Kanzlerkandidaten verhindern wollen". Am Ende des Sommers hat Wegner in den Medien einen neuen Spitznamen: "Anti-Merz".

Von Politbeobachtern auf Landes- wie auf Bundesebene wird er eindeutig als Mitglied des "Team Wüst-Günther" identifiziert, als Teil einer Gruppe um die Ministerpräsidenten aus Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, die ebenfalls nicht zu den Merz-Fans gehören. Klar ist: Nach seiner Neuerfindung als eher liberaler Christdemokrat passt Kai Wegner sicher besser zu seiner Stadt Berlin als früher, aber er passt nicht mehr zu Friedrich Merz.

Was bedeutet der Streit für die CDU?

Zwei führende CDU-Politiker beharken sich öffentlich. Ist das "nur" ein Scharmützel zwischen zwei Männern oder ist es viel mehr? Vor den Landtagswahlen in Bayern und Hessen Anfang Oktober kam aus verschiedenen Ecken der Partei die Prognose, die mit Merz Unzufriedenen würden danach nicht länger stillhalten und laut werden. Ist das, was gerade passiert, also eine Art verspätete Oktober-Revolution und der Auftakt dazu, Friedrich Merz auf offener Bühne anzuzählen, bevor es an die Entscheidung über die nächste Kanzlerkandidatur geht?

So prekär sei die Lage für Merz noch nicht, glauben Parteikenner und -insider, die Partei stehe nicht vor der akuten Zerfleischung. Aber es wird registriert, wie dünnhäutig und nervös der Parteichef ist, weil er weiß, wie viel für ihn auf dem Spiel steht. Wirklich neu dürfte die folgende Erkenntnis für Merz nicht sein, aber die vergangenen Tage haben ihm nochmal deutlich gezeigt, dass er auf die Unterstützung von Kai Wegner und der Berliner CDU bei seinen Kanzlerkandidaten-Träumen nicht zu setzen braucht.

Sendung: rbb24 Inforadio, 29.11.2023, 16:45 Uhr

Beitrag von Sabine Müller

37 Kommentare

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  1. 37.

    Vollkommen richtig. Vor 6 Monaten kannte den noch keiner, alle sagten Giffey kocht ihn ab und jetzt hebt er ab und möchte Generalsekretär sein.
    Wie sie schn sagten sollte er erstmal in Berlin beweisen was er kann. Mir fällt bisher nichts ein.

  2. 36.

    Wenn er in fer Verkehrspolitik etwas ausgleichender wäre, würde ich ihn wählen :-). Herr W hat Rückrad. Bin echt überrascht.

  3. 35.

    Heulen Sie jetzt, weil Ihre Favoriten leer ausgingen? Die Spende ist inzwischen kalter Kaffee. Man kann als Enttäuschter immer gut in der Vergangenheit rühren und sich Kamel outen, das gewachsenes Gras wieder runterfrißt. Berlin braucht nicht die jammernden Enttäuschten, sondern Mutige, die dieser Stadt wieder Zukunft bringen, statt Stillstand und sich durchsetzen, statt resigniert im toten Winkel zu hocken. Was erwarten Sie denn von Wegner nach so kurzer Zeit oder besser: welche Erfolge konnte Ihr Favorit verbuchen nach längerer Zeit? Wenn Sie hier messen, tun Sie es bitte mit dem selben Gerät.

  4. 34.

    Hätte ich nie gedacht, aber Herr W. wird mir langsam sysmpathisch.

  5. 33.

    Noch viel interessanter, wo bleibt die großspurig versprochene eidesstattliche Erklärung die Gröner abgeben wollte?

    "Im Mai 2021 sagte Gröner gegenüber Deutschlandfunk Kultur: "Ich habe gesagt: Wenn das Bundesverfassungsgericht den Mietendeckel nicht abschafft, dann möchte ich auch, dass die CDU den nicht abschafft, aber modifiziert." Darüber hinaus äußerte Gröner die Erwartung, dass behinderte Kinder in Kinderheimen genauso viel Geld für ihre Kleidung erhalten wie nicht-behinderte Kinder. Diese Äußerung wiederholte der Immobilienunternehmer vor wenigen Tagen im "Tagesspiegel" mit dem Zusatz, das sei "sozusagen schriftlich fixiert".

    "Christoph Gröner erklärte vergangenen Montag gegenüber dem rbb, er werde eidesstattlich erklären, dass er der CDU niemals eine Bedingung gestellt habe. Seine Äußerungen seien als "spaßige Geschichte, als flapsige Bemerkung" gemeint gewesen. Es sei ihm nie darum gegangen, sich mit der Spende persönliche Vorteile zu verschaffen."

    So, so.

  6. 32.

    Oder vielleicht stimmen ihre Annahmen nur einfach nicht und Kai Wegner ist seit Langem wieder ein Berliner Bürgermeister mir erkennbarem Profil und einer klaren Meinung jenseits irgendwelcher verordneten Pateidekrete besitzt?

    Ist es nicht eigentlich genau das Verhalten, was wir in den heutigen Zeiten bei Politikern vermissen? Klare Meinungen anstelle lauter inhaltlicher Stille und Biegsamkeit. Und das sage ich als Nicht-CDU-Wähler.

  7. 31.

    Was Wegner gegenwärtig macht ist außerordentlich unklug. Er ist noch nicht in der Position nach der Parteispitze zu greifen, zumal er mit Berlin eigentlich einen sehr großen Brocken auf den Schultern trägt. Sein Vorgänger hat auch viele Jahre gebraucht um den Sprung von Berlin-Land nach Berlin-Bund zu schaffen.

  8. 30.

    Ja, ich hatte schon wieder völlig verdrängt, dass Christoph Gröner solch eine "großherzige Spende" gemacht hatte. Warum er das wohl getan hat? ;)

  9. 29.

    "Innerparteiliche Machtkämpfe gibt/gab es in allen Parteien, das ist normal und gehört zum alltäglichen Geschäft."

    Nein, hier geht es nicht um einen Richtungsstreit, sondern um persönliche Abrechnungen. Das schwächt jede Partei.

    "Ansonsten leistet der Senat aktuell gute Arbeit, Ideologie sitzt auf der Oppositionsbank!" Was für eine Lüge.

    Aus reiner Ideologie hat man beschlossene Radspuren aufheben wollen, mit anschließenden Chaos. Man wollte die Justiz aus ideologischen Gründen in einer politische Justiz nach bayrischen Vorbild umbauen, hört man nichts mehr von. Aus ideologischen Gründen will man das nächste Milliardengrab durchpeitschen, eine völlig überflüssige Magnetschwebebahn. Aus ideologischen Gründen schanzt man der Immobilienwirtschaft neue Projekte zu.

    Ideologie sitzt auf der Regierungsbank, auch mit Hilfe einer 820.000 € "Spende".

  10. 28.

    Vielleicht hat Friedrich Merz einfach ein Mal zuviel populistische, provozierende Aussagen getätigt und das ist jetzt die Folge davon. Die Menschen in der CDU, die das nicht gutheißen, fangen an, sich zu positionieren und das ist meiner Meinung nach sehr gut so.

    "Aber es wird registriert, wie dünnhäutig und nervös der Parteichef ist...."
    Das ist interessant für einen Menschen, der im Austeilen selber alles andere als zimperlich ist.

  11. 27.

    Dass dieser Senat auch nur die Mehrheit der bei der Wahl abgegebenen Stimmen hinter sich vereint, beruht allerdings auf "alternativen Fakten". Sprich: Es stimmt nicht. (CDU 28,2 + SPD 18,4 = 46,6 %)

    Ob die "strukturierte" (LOL) Arbeit dieses Senats dann wenigstens "im Sinne der Mehrheit" ist, wird sich spätestens in knapp drei Jahren zeigen.

  12. 26.

    Wie habe ich neulich bei Maischberger so schön gehört:

    Merz ist in der CDU der Einzige, der sich für einen geeigneten Kanzlerkandidaten hält.

    Dürfte auch damit zu tun haben, dass sich der Herr schon mehrmals als Dampfplauderer erwiesen hat, der offenbar erst redet und dann denkt.

  13. 25.

    "Dieser Senat ist der schlechteste Senat aller Zeiten und innerparteiliche Machtkämpfe werden daran nichts ändern."
    Innerparteiliche Machtkämpfe gibt/gab es in allen Parteien, das ist normal und gehört zum alltäglichen Geschäft.
    Ansonsten leistet der Senat aktuell gute Arbeit, Ideologie sitzt auf der Oppositionsbank!

  14. 24.

    Und wieder zeigt es sich, wie sehr manche BundespolitikerInnen abgehoben sind, was sich darin zeigt, dass LokalpolitikerInnen diffamiert werden, wenn sie anderer Meinung sind. Merz zeigt, dass er keinesfalls als Bundeskanzler kandidieren darf! Wer Meinungen anderer nicht ertragen kann, kann auch nicht alle Menschen vertreten!
    Man sollte in diesen Bereichen fähig sein Lösungen zu suchen, anstatt zu diffamieren!

  15. 23.

    Auffallend ist, dass Kontroversen bei den Konservativen mehr persönlicher und naturellmäßiger Natur sind als politischer Natur. Das war und ist seit Jz. im Brandenburgischen so - Jörg Schönbohm konnte da nur mühsam seine Hand drüber halten zwecks Einigung - und es war und ist auch in Berlin so. Hier war es Richard von Weizsäcker, der trotz oftmaliger Abwesenheit als Integrationsfigur diente.

    Abseits davon gibt es ein Hauen und Stechen und am Rande des Spielfeldes einen Schlag in die Magengrube.

    Im Prinzip hat jede Partei ihre internen Konflikte und es wäre unehrlich, sie nicht zu benennen. Wolfgang Thierse hat mit der SPD Einiges auszuhalten, weshalb der von Esken und Kühnert gerüffelt wurde, bei der FDP geht es darum, wer zur aktuellen Zeit am Besten P R macht, und Renate Künast hat seinerzeit Andrea Fischer aus dem Amt weggemobbt.

  16. 22.

    Ich finde, dafür dass Herr Wegner ein CDU Politiker ist, macht er seine Sache nicht schlecht.
    Ich bin keine CDU Wählerin, aber ich habe das Gefühl, dass der Senat ganz gut zusammenarbeitet. Und so wie unter RRG konnte es nicht weitergehen.

    Dass Herr Wegner sich offen gegen Merz stellt, man ihn irgendwie sympathisch.

  17. 21.

    Ein Bild sagt mehr als tausend Worte...

  18. 20.

    "Zumal es die derzeitige Regierung ihnen ja derzeit ziemlich leicht macht besser zu sein. "

    Was zu beweisen wäre nicht? Denn auch die CDU muss koalieren und zaubern können die auch nicht. Schauen sie in die unmittelbare Vergangenheit. Der Investitionsstau kommt nicht einfach so vom Himmel. Alle haben es 18 Jahre lang gewusst was zu tun ist und NICHTS getan.

  19. 19.

    Ganz im Gegenteil. Dieser Senat arbeitet strukturiert und im Sinne der Mehrheit in Berlin. Endlich wieder.

  20. 18.

    Der Herr Merz, der es erst im x-ten Anlauf geschafft hat, die cdu so weit zu ermüden, das sie ihn als Vorsitzenden wählten und der vorher eine fulminante Niederlage gegen Frau Kramp-Karrenbauer einstecken musste, der Herr sucht sich seine Gegner nicht in der ersten Reihe der Politik sondern eher in der 3. oder 4.
    Und selbst dabei macht er eine denkbar schlechte Figur.

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