10 Jahre PlusBus in Brandenburg - Ein ÖPNV, der "jedem Landkreis gut zu Gesicht" steht
2014 ging der PlusBus erstmals in Brandenburg an den Start. Die Macher feiern das Projekt als großen Erfolg. Doch es gibt noch Luft nach oben, sagen auch die Fans. Und ob Autofahrer damit zu Busnutzern werden, ist fraglich. Von Hanno Christ
- Mittlerweile 43 PlusBus-Linien in Brandenburg
- Zahl der Fahrgäste hat sich mehr als verzehnfacht
- Linien in allen Landkreisen bis auf Oberspreewald-Lausitz
- Auslastung und Nachfrage regional unterschiedlich
Gerade noch abgehetzt zu später Stunde die verspätete Regionalbahn bekommen, am Zielbahnhof nur noch die Rücklichter des abfahrenden Busses gesehen, beim Blick auf den Fahrplanaushang festgestellt, dass gerade die letzte Bus-Verbindung ins Dorf davongerollt ist.
Allzu oft war das Alltagsfrust im Brandenburger Nahverkehr. Vor zehn Jahren machte sich der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) daran, solche nervigen Erlebnisse zu reduzieren, wenn nicht sogar zu verhindern und kopierte eine Idee vom Mitteldeutschen Verkehrsverbund (MDV), den sogenannten PlusBus.
Das Versprechen: Verlässliche Taktung, engere Verzahnung mit der Bahn
Für das Autofahrerland Brandenburg trat dann ein kleines ÖPNV-Wunder ein: Anders als bislang sorgte der PlusBus für eine verlässliche Taktung und Verzahnung mit dem Angebot der Bahn, wartete notfalls auf Fahrgäste eines Zuges und fuhr nicht stur nach Fahrplan zum nächsten Ziel.
Fortan konnten Fahrgäste zügig auf direktem Linienweg von einem Ort in den anderen rollen, ohne zahllose Stopps erdulden zu müssen. Das Bus-Angebot wurde mit Ferienbeginn nicht schlagartig ausgedünnt, sondern wurde einfach aufrechterhalten, auch wenn mal nicht so viele Schüler zu befördern waren. Und sogar am Wochenende fuhr der Bus. Mobil sein ohne Auto wurde mit dem PlusBus auch für Menschen in ländlichen Regionen wieder greif- und erreichbar.
Überwindung kleinteiliger Strukturen im Land
Wer in großen Städten wie Berlin wohnt, der weiß meist nicht, wie kleinteilig die Verkehrsinfrastruktur in Flächenländern wie Brandenburg organisiert ist. Dass etwa jeder Landkreis für seine Verkehre zuständig ist und dass es vom Miteinander der Behörden abhängen kann, ob man ohne Umstieg mit einem Bus über die Grenze eines Landkreises fahren kann - oder eben nicht.
Mit dem Projekt PlusBus überwand sich der teils bürokratische ÖPNV-Flickenteppich selbst: Landkreise, VBB und das Land arbeiteten Hand in Hand. Wichtiger Faktor: Das Land unterstützte die Kreise mit 40 Cent je gefahrenem Buskilometer und nahm den Kreisen damit finanzielle Lasten – und so wohl auch viele Bedenken – von den Schultern. Dass Busse anders als in Berlin auf dem dünnbesiedelten Land mehr leer als voll unterwegs sind, ist derzeit ein Preis, den Regierung und Kreise zu bezahlen bereit sind.
Zahl der Fahrgäste hat sich mehr als verzehnfacht
In den zehn Jahren seit Einführung des ersten PlusBusses in Brandenburg ist viel passiert: Fahrgäste loben das Angebot als unkompliziert, sauber, verlässlich und vergleichsweise günstig. Wer ein Deutschlandticket hat, kann einfach einsteigen. Die Vorteile haben sich offenbar rumgesprochen: Die Zahl der Fahrgäste ist von 770.000 im ersten Jahr 2014 auf 10,2 Millionen 2023 gestiegen. PlusBus-Linien gibt es mittlerweile bis auf Oberspreewald-Lausitz in allen Landkreisen. [vbb.de]
Die Landesregierung hatte sich vorgenommen die Zahl der Linien auf 50 zu erhöhen. Bislang sind es 43. Allerdings fällt das Angebot sehr unterschiedlich aus. In manchen Kreisen verkehren bis zu zehn PlusBusse, in anderen nur einer.
VBB: Angebot überzeugt noch nicht zum Umstieg vom Auto
Die insgesamt starke Nachfrage hat selbst die Projektentwickler beim VBB überrascht. Hans-Jürgen Hennig war so etwas wie der PlusBus-Geburtshelfer beim Verkehrsverbund, mancher nennt ihn den "Godfather of PlusBus". "Dass wir über zehn Jahre solche Fahrgaststeigerungen und vor allem Kundenzufriedenheit haben, das hätten selbst wir nicht erwartet", sagt er.
Hennig sieht aber auch, dass noch Luft nach oben ist. "Der große Wurf im ländlichen Raum ist noch nicht eingetreten, dass etwa Leute vom Auto umsteigen. Da ist der Preis nicht ausschlaggebend, sondern das Angebot." In Stadtnähe sei das Angebot "eine andere Welt", im ländlichen Raum die Zahlen zuweilen auch "deprimierend".
Touristiker wünschen sich mehr Busse am Wochenende und Fahrradmitnahme
Auch Angelika Hermann kennt die leeren Busse im ländlichen Raum nur zu gut. Gerade am Wochenende seien es nur wenig Fahrgäste. Scherzhaft spricht sie von "Luftbussen". Trotzdem sei sie mit dem Angebot "sehr zufrieden". Hermann ist Vorsitzende des Tourismusvereins Kloster Lehnin, Station einer PlusBus-Linie im Kreis Potsdam-Mittelmark. Die Leere mancher Busse würde sie gerne nutzen, um beispielsweise Fahrräder transportieren zu können. Bislang ist das nicht erlaubt.
Als Touristikerin wünscht sie sich mehr nachhaltigen Verkehr und ein besseres Bus-Angebot an Wochenenden. Davon könnten Kulturveranstaltungen am Abend profitieren. "18:22 Uhr fährt bei uns der letzte Bus. Da hat das Konzert noch nicht mal angefangen", kritisiert sie. Besucher aus Berlin, Potsdam oder Magdeburg kämen dann doch wieder mit dem Auto anstatt mit Bahn und Bus.
Infrastrukturminister: Müssen Landesförderung neu diskutieren
Versprechungen kann Brandenburgs Verkehrsminister Rainer Genilke (CDU) keine machen. Zumindest die Mitnahme von Fahrrädern werde geprüft. Sie dürfe aber nicht zu längeren Wartezeiten führen. Auch eine höhere Förderung durch das Land müsse in der nächsten Legislatur diskutiert werden.
Die PlusBus-Ergebnisse seien für ihn überzeugend. "Wenn wir ÖPNV so gestalten wollen, dass man auf die Idee kommt, sein Auto stehen zu lassen, dann ist es genau dieser ÖPNV mit dem PlusBus", so Genilke. "Das steht jedem Landkreis gut zu Gesicht."
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 23.04.2024, 19:30 Uhr