Interview | ARD-Wetterexperte - Warum Brandenburg von den aktuellen Überflutungen verschont bleibt

Mo 03.06.24 | 20:53 Uhr
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Symbolbild: Landschaftsaufnahme, Gewitterwolken. (Quelle: IMAGO/serienlicht)
Audio: rbb|24 | 03.06.2024 | O-Ton aus dem Interview mit Stefan Laps | Bild: IMAGO/serienlicht

Anders als 2002 ist Brandenburg diesmal nicht von den heftigen Überflutungen in Deutschland betroffen. ARD-Wetterexperte Stefan Laps erklärt, was das mit den Alpen zu tun hat. Und dass Brandenburg jederzeit wieder von Wassermassen heimgesucht werden könnte.

rbb|24: Hallo Herr Laps. Süddeutschland geht gerade in Regenfluten unter – in Brandenburg hält sich der Niederschlag in Grenzen. Was unterscheidet die Gebiete aktuell – eine Art Wettergrenze?

Stefan Laps: Der Unterschied besteht im Wesentlichen darin, dass wir in der vergangenen Zeit Hochdruckgebiete vor allem über Skandinavien und Osteuropa hatten. Die haben ein Stück weit ihren Einfluss auf Berlin und Brandenburg geltend gemacht.

Wenn sich andererseits Tiefdruckgebiete vom Atlantik nähern, bekommt vorzugsweise eher der Westen den Regen. Bis sich so eine Front dann einmal bis nach Berlin und Brandenburg vorangearbeitet hat, hat sie sich meistens über den Mittelgebirgen überwiegend ausgeregnet. Dann kommen hier nur noch ein paar Tropfen oder höchstens einzelne Schauer hier an.

Das erklärt, warum es in der letzten Zeit in Berlin und Brandenburg weniger geregnet hat.

Im vergangenen Jahr war Brandenburg trockenstes deutsches Bundesland. Ist es hier immer trockener als in anderen Landesteilen?

Ja, hier regnet es grundsätzlich weniger als beispielsweise im Westen und im Süden Deutschlands. Das war schon immer so. Denn wir liegen normalerweise naturgegeben in einer westlichen Strömung. Das heißt, Tiefdruckgebiete und Tiefausläufer – also Regenwolken – ziehen in der Regel von West nach Ost über Deutschland hinweg. Das führt dazu, dass am meisten Regen in Benelux und im Westen und Nordwesten Deutschlands herunterkommt. In der Landesmitte sind die Mittelgebirge im Weg. Für uns in Berlin und Brandenburg ist der Harz entscheidend. Dort bleibt eine Menge hängen. Ein bisschen was auch noch im Fläming. Dahinter kommt dann überwiegend flaches Land. Das heißt also: Im Osten hat es schon immer weniger geregnet.

Und die aktuellen Überflutungen, warum sind die nur im Südwesten des Landes?

Wenn wir uns die aktuelle Wetterlage anschauen, sehen wir, dass das ein ganz besonderes Tief war. Es hat sich südlich der Alpen gebildet und feuchtwarme Mittelmeerluft nach Norden, also Deutschland, geschickt. Durch nordwestliche Winde ist diese feuchtwarme Luft im Süden Deutschlands regelrecht ausgequetscht worden. Denn dort sind die Alpen im Weg. Dort haben wir beispielsweise die Schwäbische Alb und Teile des Schwarzwaldes – das sind alles natürliche Hindernisse, gegen die die Luftmasse sozusagen gegengedrückt wurde. Deswegen hat es im Großraum der Schwäbischen Alb, in Oberschwaben, im Allgäu und an den Alpen generell so intensiv geregnet. Deutlich mehr als in Berlin und Brandenburg.

Gibt es für Berlin als verdichtete Stadt ein spezielles Niederschlagsverhalten?

Da sagen die Messwerte nichts Pauschales aus. Berlin ragt nicht sonderlich heraus. Es war im Vergleich zur näheren Umgebung in den letzten Jahren nicht herausragend trocken.

Kann man an der besonderen Trockenheit in der Region irgendetwas ändern?

Nein, daran kann man nichts ändern. Was im Zuge der Klima-Erwärmung aber immer mehr eine Rolle spielt, sind aber auch hier die sogenannten festgefahrenen Wetterlagen. Wir beobachten seit zehn, fünfzehn Jahren immer mal wieder, dass Wetterlagen unheimlich lange andauern. 2018 war ein Dürrejahr. Da hatten wir über viele Wochen und Monate hinweg Hochdruckeinfluss, also Trockenheit. Die Sonne schien viel und es fiel so gut wie gar kein Regen.

Jetzt haben wir das Ganze umgekehrt. Seit einiger Zeit sind überwiegend Tiefdruckgebiete bei uns Wetter bestimmend. Sie fühlen sich wohl und bringen immer mal wieder Nass von oben.

Hier regnet es grundsätzlich weniger als beispielsweise im Westen und im Süden Deutschlands. Das war schon immer so

Stefan Laps, Meteorologe

Die aktuellen Bilder aus Süddeutschland erinnern an das heftige Hochwasser zu Beginn des Jahrtausends in Brandenburg.

Ja. Und im Grunde genommen war es auch eine Wetterlage ähnlich wie diese, die 2002 für die Elbe-Hochwasserkatastrophe verantwortlich war. Da war das Ereignis nördlicher. Betroffen war vor allen Dingen Sachsen, aber auch große Teile Brandenburgs haben damals viel Regen abbekommen.

Es ist also bei aller Trockenheit in der Region Berlin und Brandenburg jederzeit möglich, dass auch wir erneut von einem großen Hochwasser-Ereignis getroffen werden können?

Genau. Und problematisch ist auch: Wir kennen das eher von typischen sommerlichen Gewitterlagen. Immer wenn man es mit feuchtwarmer Luft zu tun hat, in der sich kräftige Schauer und Gewitter bilden, die nicht so richtig vom Fleck kommen, kann es örtlich so stark regnen, dass Keller volllaufen, Unterführungen mit Wasser volllaufen und im Extremfall auch ganze Ortschaften überflutet werden können. Das kann also auch in typischen sommerlichen Gewitterlagen passieren. Die sind nämlich ziemlich dynamisch.

Apropos dynamisch. Unwetterwarnungen sind ja oft sehr diffus und nicht zielgenau. War das schon immer so und liegt schlicht in der Natur der Sache? Oder wird das irgendwann genauer vorhergesagt werden können?

Ich weiß, dass da eine ganze Menge geforscht wird. Gerade kürzlich ist ein neuer Wetter-Satellit ins All geschossen worden. Der wird die Wettervorhersagen zusätzlich mit sehr viel Atmosphären-Daten unterstützen, die einzelne Wetterstationen oder -ballone gar nicht erfassen können. Davon erhoffen wir uns, dass die Wettervorhersage noch besser werden kann.

Aber gerade bei Gewittervorhersagen sind wir aktuell nicht - waren es noch nie und es ist auch die Frage, ob wir es je sein werden – in der Lage, vorhersagen zu können, ob sich an Ort A oder B am nächsten Tag oder in den nächsten Stunden ein Gewitter entwickeln wird. Das können wir nicht. Was wir können, ist eine größere Region eingrenzen, in der Gewitter auftreten können. Und für diese Region können wir das Potenzial wahnsinnig gut abschätzen. Wir können also sagen, ob die Gefahr von Starkregen besteht, wie viel Regen herunterkommen kann und ob die Gewitterzellen langsam oder schnell ziehen. Auch ob es punktuelle Überflutungen geben kann, wie hoch die Wahrscheinlichkeit für Hagel ist und ob die Zutaten hierfür gegeben sind, können wir sagen. Oder ob beispielsweise lediglich starke oder auch stürmische Böen oder gar eine flächendeckende Sturmfront droht. Das können wir im Vorfeld gut abschätzen – für eine etwas größere Region.

Bildlich könnte man sagen, die Region, in der wir Gewitter erwarten, kann man sich wie einen Kochtopf mit Wasser auf dem Herd vorstellen. Irgendwann wird es anfangen zu blubbern. Wir wissen aber nicht, wo in diesem Topf die erste Blase aufsteigt. Die Natur lässt sich nicht hundertprozentig in die Karten gucken.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Sabine Priess, rbb|24

Sendung: rbb24 Inforadio, 03.06.2024, 13:40 Uhr

21 Kommentare

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  1. 21.

    Im nördlichen Mittelmeer herrschen momentan Wassertemperaturen zwischen 17 u und 21 Grad Celsius, im südlichen bis zu 24. Das liegt im ganz normalen Durchschnitt für diese Zeit. Da ist nichts außergewöhnlich.

  2. 20.

    Ach, und das soll als witzig daher kommend sein, von wegen.
    Die Abneigung los zu werden, und diese simpel zu verpacken, mehr ist es nicht.
    Die Bayern sagen Semmel,die Hessen Brötchen, die BWrler Weckle, die Berliner Schrippe, und was die aus der Heide sagen, das interessiert kaum .
    Ein Schein- Albtraum also, und der kommt immer wieder vor.

  3. 19.

    Soweit ich es in Erinnerung habe war das aber ein Fehler den man eingesehen hat. Gab einige die rechtzeitig geahnt haben was da kommt.

  4. 18.

    "ein außergewöhnlich warmes Mittelmeer nach einem sehr warmen Winter/Frühjahr trägt mit Sicherheit nichts zur Wahrscheinlichkeit solcher Wetterlagen bei." Bei der großräumigen Wetterlage würde ich Zweifel anmelden beim Einfluß des Mittelmeeres, bei der transportierten Wassermenge in dieser Großwetterlage hat das warme Mittelmeer n.m.M. aber wesentlichen EInfluß.

  5. 17.

    ein außergewöhnlich warmes Mittelmeer nach einem sehr warmen Winter/Frühjahr trägt mit Sicherheit nichts zur Wahrscheinlichkeit solcher Wetterlagen bei. Nein alles nur Zufall...

  6. 16.

    Kann man sich leicht merken. Wenn ich Weckle höre, bekomme ich Albträume ;-).

  7. 15.

    Da ist nichts menschengemacht. Es handelt sich hier um eine so genannte Vb-Wetterlage, ein über dem Mittelmeer entstehendes Tief, welches um die Alpen herum geführt wird. Diese Wetterlagen haben bereits in der Vergangenheit zu schlimmen Hochwassern geführt, in aller Regel im Süden oder Südosten Deutschlands, wenn sie entweder an die böhmisch-sächsischen Mittelgebirge oder, wie hier aktuell, an die Nordseite der Alpen gedrückt werden und sich dort abregnen.

  8. 14.

    Dieser hier ist aber anders. Viel schneller und menschengemacht. Das sollte mittlerweile jedem klar sein. Seit Jahren bewiesen. Das so ab zu tun zeugt eher von intellektueller Gleichgültigkeit gegenüber unseren Wissenschaftlern und Instituten weltweit.

  9. 13.

    Veto bezüglich der Vorbereitungszeit. Theoretisch ja, aber bei der letzten Oderflut war man auch sehr überrascht in BRB.

  10. 12.

    Ich bezog mich auf die Stelle "Die aktuellen Bilder aus Süddeutschland erinnern an das heftige Hochwasser zu Beginn des Jahrtausends in Brandenburg." und den nachfolgenden Text, der sich deutlich auf die Flußhochwasser bezieht, die aus entfernten Regenfällen gespeist wurden. Diese waren auch nie in der Fläche von BRB von Bedeutung sondern immer "nur" lokal in einem Streifen um die beiden großen Ströme Elbe bzw. Oder. Vorallem die Oder sollte man nicht unterschätzen, sie ist immerhin Deutschlands viertgrößter Strom und wird gern in der Bedeutung vergessen, die Staustufen in Polen haben aber keine unbegrenzte Kapazität, auch wenn nach den Wasserstandsgraphen schon immer wieder mal in den letzten Tagen Platz geschaffen wurde dort. Der Warthezufluß ist auch gerade nicht ganz ohne nach den aktuellen Wasserständsentwicklungen. Es ist nicht das Jahrhunderhochwasser, aber ein Hochwasser könnte es schon werden.

  11. 11.

    "Wie trocken BRB ist, ist für die Frage von Überschwemmungen dieser Art vollkommen irrelevant."
    Einspruch.
    "Überschwemmungen dieser Art" also das was jetzt in BY/BW passiert, entstammen entweder kurzen Extremniederschlägen oder mehrtägigem intensivem Dauerregen. Beides in dem Ausmaß und der gesamten Fläche eher selten in BRB.
    Dazu dann die enge Besiedlung in den Tälern und höhere Fließgeschwindigkeiten durch höhere Gefälle. Somit extreme Dynamik weil natürliche Retention an Bergen schlechter funktioniert als an Hügeln bzw. Tiefebenen.
    Die Oder als auch die Elbe in Brandenburg würde ich dann mit der Donau in Ungarn oder Rumänien vergleichen auch wenn die Mengen der Donau in einer anderen Liga mitspielen.
    Vorbereitungszeit aber auch Verweildauer bei uns meist mehrere Tage/Wochen in BY/BW nur Stunden bzw. wenige Tage.

  12. 10.

    Wie trocken BRB ist, ist für die Frage von Überschwemmungen dieser Art vollkommen irrelevant. Die letzten großen Überschwemmungen gab es durch Elbe und Oder, da zählt hauptsächlich die Niederschlag enge im Quellgebiet in den Sudeten entlang der Grenze zwischen CZ und PL. Bei der stark regulierten Oder kommt noch das Fassungsvermögen der vielen Staustufen hinzu.

  13. 9.

    Und was ist mit den Sudeten als großes Mittelgebirge zwischen CZ und PL, welches über Elbe, Oder und etwas Warthe nach Brandenburg entwässert? An dem Gebirgszug sind und werden über die Woche auch wesentliche Niederschläge runterkommen.

  14. 8.

    Warum sollte man einen Wetterexperten zu länderübergreifendem Hochwasserschutz befragen?
    Fragen Sie den KfZ Mechaniker, wenn Sie beim Autofahren Kopfschmerzen haben?

  15. 7.

    Vielen Dank für Ihren Hinweis. Sie haben recht. Wir haben den Fehler korrigiert.

  16. 6.

    Danke für diesen interessanten Artikel!

    Aber Schwäbische Alb schreibt man mit b und nicht mit p - also nicht "Schwäbische Alp" sondern "Schwäbische Alb" ;)

  17. 5.

    War das beabsichtigt? Keine Frage zum länderübergreifenden (!!) Hochwasserschutz? Wenn der Eine was macht bedeutet das woanders WAS?

  18. 4.

    Vielleicht mal in der Schule aufgepasst. Brandenburg ist wettertechnisch mehr kontinentalgeprägt. D.h. trockener, wärmer bzw. Im Winter kälter als woanders in DS. Klimawandel ist hier das falsche Wort. Klimawandel gab es schon immer und nicht erst seit Wetteraufzeichnung.

  19. 3.

    Guter Artikel. Nimmt vielleicht den ganzen Besserwissern etwas Wind aus den Segeln, die sich beschweren, warum trotz Unwetterwarnungen bei Ihnen kein Unwetter/Regen war. Da sind ja immer noch viele der Meinung, die „Wettervorhersage müsste mindestens für die nächsten 24 Stunden genau“ sein.
    Sehr viele von denen verstehen nicht, wie komplex allein schon das regionale Wetter ist - denken aber, sie könnten die Wetterdienste als „Lügner“ oder „Panikmacher“ bezeichnen.

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