Vier Männer angeklagt - Terrorprozess um Hamas-Waffenlager beginnt in Berlin

Mo 24.02.25 | 20:03 Uhr | Von Ulf Morling
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Zwei Personen werden von Polizisten bei einem Hubschrauberlandeplatz von einem Hubschrauber zu einem Auto geführt (Quelle: dpa/Uli Deck).
Video: rbb24 Abendschau | 25.02.2025 | Kersin Breinig | Bild: dpa/Uli Deck

Ab Dienstag müssen sich in Berlin vier mutmaßliche Mitglieder der Hamas wegen "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland" vor Gericht verantworten. Sie sollen für Erdwaffenlager der Hamas verantwortlich gewesen sein. Von Ulf Morling

Strengste Sicherheitsvorkehrungen gelten für den Mammutprozess, der am Dienstag in Berlin beginnt. Geklärt werden soll, ob die Hamas unter anderem in Polen, Bulgarien und Dänemark Waffendepots unterhielt und immer wieder mit Waffen versorgte beziehungsweise dort abholte. Und: Wie weit waren unterstellte Terrorpläne gegen die Israelische Botschaft in Berlin, die Gegend um das Tempelhofer Feld und gegen die US-Airbase Ramstein gediehen?

Die Angeklagten, vier im Libanon gebürtige Männer im Alter von 34 bis 54 Jahren, sollen in unterschiedlicher Beteiligung auf Anordnung von Khalil Al Kharraz, dem "Deputy commander" des militärischen Arms der Hamas im Libanon, gehandelt haben. Laut Bundesanwaltschaft haben alle vier "in engem persönlichen Kontakt" zu dem Hamas-Funktionär gestanden, der unter anderem verantwortlich gewesen sein soll für die Vorbereitung von Anschlägen der Hamas in Europa. Am 21. November 2023 war Al Kharraz durch einen israelischen Luftangriff im Libanon mutmaßlich getötet und einen Monat später die Angeklagten in Berlin und Rotterdam verhaftet worden.

Tipp vom Mossad?

"Ein ausländischer Geheimdienst" habe den deutschen Ermittlern den ersten Tipp gegeben, so die Bundesanwaltschaft in der 160 Seiten umfassenden Anklage gegen die vier mutmaßlichen Hamas-Mitglieder. Auf der offiziellen Seite des israelischen Premiers ist in einer Erklärung des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad und des Inlandsdienstes ISA kurz nach der Verhaftung der Angeklagten zu lesen: "Dank der vereinten interorganisationalen Kräfte in Israel und im Ausland wurde ein umfassendes und detailliertes Bild der terroristischen Aktivitäten der Hamas aufgedeckt."

Die Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass die Angeklagten als sogenannte Auslandsoperateure der Hamas tätig waren. So soll der als Hauptangeklagte geltende Ibrahim El-R. (41) im Frühjahr 2019 in Bulgarien ein Waffendepot mit Munition und Schusswaffen – darunter eine Kalaschnikow – angelegt haben. Im Sommer 2019 soll er für die Hamas ein Waffenversteck in Dänemark ausgeräumt und eine Pistole daraus nach Deutschland mitgebracht haben. Zur Kontrolle des Depots soll El-R. im August 2023 erneut nach Bulgarien gereist sein und den Bestand weitergemeldet haben. Unterdessen ist das Versteck von den Ermittlern aufgespürt worden.

Zwischen Juni und Dezember 2023 schließlich sollen sich alle vier Angeklagten in wechselnder Besetzung von Berlin aus mehrfach auf die Suche nach einem Waffenversteck in der Region Jeleniow im Südwesten Polens gemacht haben. Dort sei von ihnen ergebnislos an mehreren Tagen jeweils stundenlang nach einem verbuddelten Hamas-Waffendepot mit Schaufel, Stiefeln und Stöcken gesucht worden. Am Grenzübergang nach Deutschland machten sich die Wiedereinreisenden dann wohl verdächtig: Obwohl sie angeblich "nur zum Tanken" im Nachbarland waren, hielten sie an der nächsten deutschen Tankstelle und füllten Kraftstoff nach. Auch dadurch gerieten die Angeklagten in das Fadenkreuz der Ermittlungen. Allerding tappen bis heute auch die Behörden im Dunkeln, wo das mutmaßliche Waffenversteck in Polen wohl zu finden sein könnte – wenn es jemals eins gegeben hat.

Keine Erkenntnisse über konkrete Anschlagpläne

Auch der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof geht bisher davon aus, dass eventuell zwar auf Handys von Angeklagten die geographische Lage möglicher Anschlagsziele von den Ermittlern festgestellt werden konnte, "wenngleich noch nicht konkret geplante Anschläge" feststellbar seien. Deshalb wurde von der Bundesanwaltschaft lediglich die "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland" angeklagt.

Außerdem soll es bisher keine Erkenntnisse geben, dass die Waffen, die mutmaßlich versteckt oder möglicherweise aus Waffendepots eventuell nach Berlin gebracht worden sein sollen, letztlich in Israel eingesetzt wurden. "Vielmehr deutet es darauf hin, dass die Hamas im Umfeld des Angriffs auf Israel am 7.Oktober 2023 in Erwägung gezogen hat, flankierende Anschläge auf Einrichtungen in Europa zu verüben. Die unterirdischen Waffendepots sollen dazu angelegt worden sein, Waffen für den Fall der Fälle verfügbar zu haben", so Gerichtssprecherin Lisa Jani.

Langer Prozess

An 60 Terminen soll vorerst bis zum 17. Dezember 2025 vom 1. Strafsenat des Kammergerichts Berlin gegen die vier mutmaßlichen Hamas-Mitglieder verhandelt werden, die seit Ende 2023 in Untersuchungshaft sitzen. Rund 50 Zeugen werden von der Bundesanwaltschaft in der Anklage benannt, 41 davon sind Beamte, die im weitesten Sinn mit den Ermittlungen beschäftigt waren. Auch sechs Sachverständige könnten im Prozess aussagen, darunter Islamwissenschaftler.

Die Hamas wird von der Europäischen Union als terroristische Vereinigung gelistet, das Bundesministerium des Innern und für Heimat hat im November 2023 ein Betätigungsverbot erlassen. Mit dem jetzigen Prozess könnte gerichtsfest festgestellt werden, dass auch die deutsche Justiz Hamas als "terroristisch" beurteilt und die Mitgliedschaft darin als eine strafbare "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland" bewertet. Die Höchststrafe für dieses Verbrechen wäre eine zehnjährige Haftstrafe.

Sendung: rbb24 Abendschau, 25.02.2025, 19:30 Uhr

Beitrag von Ulf Morling

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2 Kommentare

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  1. 2.

    'Die Höchststrafe für dieses Verbrechen wäre eine zehnjährige Haftstrafe.' ... Wünschenswert wäre auch eine unverzügliche Ausweisung in den Libanon (nach dem Absitzen der Haftstrafe), sollte sich der Anklagepunkt 'Mitglied in einer terroristischen Vereinigung' bewahrheiten.

  2. 1.

    '...eine Pistole daraus nach Deutschland mitgebracht haben'

    'Allerdings tappen bis heute auch die Behörden im Dunkeln, wo das mutmaßliche Waffenversteck in Polen wohl zu finden sein könnte – wenn es jemals eins gegeben hat.'

    'Rund 50 Zeugen werden von der Bundesanwaltschaft in der Anklage benannt, 41 davon sind Beamte, die im weitesten Sinn mit den Ermittlungen beschäftigt waren.'

    'Mit dem jetzigen Prozess könnte gerichtsfest festgestellt werden, dass auch die deutsche Justiz Hamas als "terroristisch" beurteilt und die Mitgliedschaft darin als eine strafbare "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland" bewertet.'