Runder Tisch in Berlin - Lehrermangel könnte mit weniger Klausuren und weniger Teilzeit gelindert werden
Rund 900 Lehrer fehlten zu Beginn dieses Schuljahres in Berlin. Nun hat ein Runder Tisch Maßnahmen erarbeitet, um Lehrkräfte zu entlasten. Stimmen aus der amtierenden Koalition sprechen von einem "eher dürftigen" Ergebnis.
- Hunderte Lehrkräfte fehlen in Berlin
- Runder Tisch empfiehlt u.a. weniger Klausuren und den Einbezug anderer Berufsgruppen
- Schulen sollen auf der Grundlage nun konkrete Vorschläge machen
Mit einem Zusammenspiel von sechs verschiedenen Maßnahmen will Berlin den Lehrermangel in den Griff bekommen. Das ist das Ergebnis des "Runden Tisches gegen Lehrermangel", das dem rbb vorliegt. Der "Tagesspiegel" hatte zuerst berichtet.
Demnach sollen Lehrkräfte entlastet werden, indem beispielsweise weniger Klausuren im vierten Semester der gymnasialen Oberstufe geschrieben werden. Klausuren sollen nur in den Prüfungsfächern erfolgen, analog zu den bisherigen Corona-Regeln zum Abitur. Auch sollen Vor-Abiturklausuren kürzer ausfallen. Auch in der beruflichen Bildung, in der Fach- oder Berufsoberschule, sollen weniger Klassenarbeiten geschrieben werden.
Entlastung von Lehrkräften, Hilfe aus anderen Berufsgruppen
Lehrerinnen und Lehrer sollen außerdem "zielführend" von unterrichtsfernen Tätigkeiten entlastet werden, sowie andere Berufsgruppen stärker in den Unterricht eingebunden werden, listet das Papier auf: Lerntherapeut:innen, Logopäd:innen, Musik- oder Ergotherapeut:innen.
Schulleitungen sollen zudem mehr Unterstützung darin bekommen, Lehrkräfte von weniger Teilzeit zu überzeugen. Lehrerinnen und Lehrer, die häufiger mehr arbeiten, sollen dafür besser bezahlt werden. Damit könnte die Zahl der Teilzeitstellen reduziert werden. Außerdem sollen "dienstältere" Lehrkräfte und Erzieherinnen und Erzieher möglichst weiter beschäftigt werden.
Eine andere Empfehlung des Runden Tisches zielt darauf, dass Schulen mehr Eigenverantwortung und eigene Gestaltungsspielräume bekommen.
Zu all dem sollen Schulleitungen, Schulaufsicht und Verwaltungsvertreter konkrete Vorschläge erarbeiten und Reserven aufspüren.
Kritik von Linken, Grünen und Landeselternausschuss
Franziska Brychcy, Bildungspolitikerin der Linken im Abgeordnetenhaus, begrüßte einige Punkte des noch unveröffentlichten Papiers. Gut sei, dass es die Möglichkeit geben soll, auch Vertretungsregelungen für andere Tätigkeiten über die Lehrkräftestunden hinaus zu schaffen. Allerdings werde Geld dafür erst im Haushalt 2024/2025 eingeplant – zu spät, sagt Brychcy. Die Linke bemängelt auch, dass keine "behutsame" Veränderung der Stundentafel diskutiert worden sei: "Das hat sich der Runde Tisch leider nicht getraut."
Auch von Seiten der Grünen ist von einem "eher dürftigen" Papier die Rede. Einige der Vorschläge habe auch schon die Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz (KMK) vorgelegt.
Der Runde Tisch ist auf Initiative des Landeselternausschusses (LEA) zusammengekommen. Der Zusammenschluss von Vertretern der Senatsbildungsverwaltung, der Schulaufsicht, von Schulleitungen und anderer Gremien hat in vier Treffen Maßnahmen erarbeitet, um dem Lehrermangel in Berlin zu begegnen.
Der LEA kritisierte am Freitag in einer Mitteilung, dass von der zuständigen Senatsverwaltung nur ausgewählte Gremien und Verbände einberufen worden seien. So würden die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) oder "Schule muss anders" nicht am Runden Tisch teilnehmen.
In der zweiten Runde seien eine "Auswahl an Maßnahmen" präsentiert worden, "die teilweise bereits in Umsetzung waren oder vor Beginn standen. Andere Vorschläge wurden leider nicht bewertet", teilte der Landeselternausschuss weiter mit. "Andere Maßnahmen, die ebenfalls unterstützenswert gewesen sind, fanden leider nicht die Zustimmung der SenBJF oder wurden stark verkürzt."
Laut Schulsenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) gab es zum Beginn des Schuljahres rund 900 Lehrkräfte zu wenig in Berlin. Seit Mitte dieser Woche können angestellte Lehrkräfte wieder Anträge auf Verbeamtung stellen, wenn sie das 52. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
Brandenburg prüft drastischere Maßnahmen
Auch in Brandenburg wird der Mangel an Lehrkräften von Jahr zu Jahr größer. Ende Januar hatte die Lehrergewerkschaft GEW den Bedarf auf 1.800 neue Pädagogen für das Schuljahr 2023/24 geschätzt.
Das Bildungsministerium prüft derzeit weitaus drastischere Maßnahmen als Berlin. Geplant ist etwa die Selbstarbeit von Schülern auszuweiten. Ältere Schüler sollen dann selbständig lernen oder in hybriden Schulstunden unterrichtet werden. Außerdem sollen bis zu 200 Lehrkraftsstellen nicht mit Lehrern, sondern mit Assistenzen für Verwaltungsarbeit oder Sozialarbeitern besetzt werden. Unter anderen der Landesschülerrat kritisierte die Pläne, er lehne mehr Distanzunterricht ab.
Sendung: rbb24 Inforadio, 17.02.2023, 12 Uhr