Antrag auf Abschaffung - Linke stellt SPD bei Kirchenaustrittsgebühr auf die Probe
Wer aus der Kirche austreten will, muss in Berlin eine Gebühr zahlen. Die Linke will das nun ändern – und bekommt dafür ausgerechnet von der SPD Unterstützung, die inzwischen allerdings mit der CDU regiert. Von Sebastian Schöbel
Fehlender Glaube, Differenzen mit der Institution oder einfach eine Frage des Geldes: Die Gründe, aus denen Menschen aus der evangelischen oder katholischen Kirche austreten, sind vielfältig. Eines aber ist für alle gleich: Tun sie es in Berlin, müssen sie 30 Euro Gebühr zahlen. So sieht es ein Gesetz vor, das vor fast genau neun Jahren in Kraft trat.
Beschlossen wurde es unter der rot-schwarzen Regierung von Klaus Wowereit. Bis heute hält sich die Erklärung, dass Wowereit die Gebühr einführte, nachdem er kurz zuvor den damaligen Berliner Erzbischof Rainer Maria Woelki getroffen hatte - der mutmaßlich die Hoffnung hegte, die Gebühr würde den Austritt weniger attraktiv machen.
SPD lehnt Gebühr inzwischen ab
Angesichts der deutlich höheren Kirchensteuern erscheint diese Rechnung allerdings fraglich. Allein ist Berlin mit der Austrittsgebühr jedenfalls nicht: 13 weitere Bundesländer erheben sie ebenfalls, dort liegt die Höhe zwischen 12 und 60 Euro. Nur in Bremen und Brandenburg ist der Austritt aus einer anerkannten Glaubensgemeinschaft gebührenfrei. Begründet wurde die Einführung der Gebühr in Berlin mit dem Verwaltungsaufwand für die Amtsgerichte, bei denen man einen Kirchenaustritt anzeigen muss. Man orientiere sich bei der Höhe von 30 Euro an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, teilte Wowereits Senatskanzlei 2013 mit.
Inzwischen hat sich die Meinung in der SPD allerdings geändert. Es stehe "der Religionsfreiheit entgegen", dass ein Kircheneintritt kostenfrei, ein Kirchenaustritt hingegen gebührenpflichtig ist, sagt der neue religionspolitische Sprecher der SPD im Berliner Abgeordnetenhaus, Reinhard Naumann, auf rbb-Nachfrage. "Als SPD-Fraktion setzen wir uns daher dafür ein, dass bei Kirchenaustritten nicht mehr die austretende Person die Verwaltungsgebühr an das Land begleichen muss." Stattdessen solle die Gebühr für den Verwaltungsaufwand "von den Kirchen beglichen werden", so Naumann. Einen entsprechenden Beschluss hatte die SPD bereits bei einem Parteitag 2022 gefasst.
Linke wollen Abschaffung der Gebühr beantragen
Wie man das beim neuen Regierungspartner CDU sieht, wird sich bald zeigen: Die Linksfraktion im Abgeordnetenhaus hat nämlich vor, die Koalitionstreue der Sozialdemokraten mit einem Antrag zur Abschaffung der Kirchenaustrittsgebühr auf die Probe zu stellen. Eingebracht werden soll er noch im Mai. Die Gebühr soll demnach ersatzlos gestrichen werden, erklärt der rechtspolitische Sprecher der Linken, Sebastian Schlüsselburg. Wenn der Staat schon die Steuern im Auftrag der Kirchen eintreibe, "dann sollte der Staat Menschen, die sich von diesen privilegierten Glaubensgemeinschaften trennen wollen, nicht noch zusätzliche finanzielle Hürden in den Weg legen".
Die CDU-Fraktion wollte sich auf Nachfrage des rbb nicht dazu äußern. Man müsse den entsprechenden Antrag auf Gesetzesänderung abwarten, so ein Sprecher. Die zuständige Kulturverwaltung, die seit Anfang des Monats von CDU-Politiker Joe Chialo geführt wird, verwies auf die gültige Rechtslage, wonach die Gebühr einerseits "möglichst kostenneutral" für den Staat sein müsse, gleichzeitig aber auch "keine abschreckende Wirkung" haben dürfe. Chialo selbst werde sich "zu gegebener Zeit" in der Sache positionieren, so sein Sprecher.
Zahl der Austritte steigt
Von den knapp 3,7 Millionen Menschen in Berlin gehörten 2021 rund 506.000 der evangelischen und knapp 300.000 der katholischen Kirche an. Beide Kirchen verlieren seit Jahren konstant Mitglieder, weil mehr Menschen aus- als eintreten. Die Austrittsgebühr hat daran seit 2014 kaum etwas verändert: Kurz vor der Einführung schnellte die Zahl der Austritte in die Höhe, normalisierte sich danach aber wieder - dennoch treten in Berlin Jahr für Jahr mehr Menschen aus der Kirche aus.
Sendung: