Energiewende in Brandenburg - Beschleunigter Solarausbau stößt auf Widerstand
Die Menge der Solarenergie in Deutschland soll bis 2030 verdreifacht werden. Auch in Brandenburg sollen neue Solarparks entstehen – doch die stoßen bei Anwohnern immer häufiger auf Widerstand. Von Christoph Hölscher
Schon seit mehr als zwei Jahren wird in der Gemeinde Sydower Fließ bei Bernau (Barnim) über den Bau eines neuen Solarparks gestritten. Nach den ursprünglichen Plänen der Investoren sollten auf einer Fläche von 150 Hektar im Ortsteil Tempelfelde Sonnenkollektoren aufgestellt werden. Damit wäre die Freiflächenanlage eine der größten in Deutschland geworden.
Doch Anwohner machten gegen die Pläne mobil: Sie gründeten eine Bürgerinitiative, sammelten Unterschriften, demonstrierten. Sie fürchten um die Attraktivität des Dorfes sowie der umgebenden Landschaft. Inzwischen haben die Investoren ihre Pläne deutlich abgespeckt: Der Solarpark wurde verkleinert, die Abstände zur Wohnbebauung vergrößert. Die Kritik ist trotzdem nicht verstummt.
Der Solarpark spaltet das Dorf
Juliane Uhlig, Mitinitiatorin der Bürgerinitiative gegen den Solarpark, betreibt zusammen mit ihrem Lebensgefährten einen Pferdehof in Tempelfelde: Ländliche Idylle inmitten von Weideflächen und Rapsfeldern, die sie gefährdet sieht, wenn der Solarpark gebaut würde. Dann wäre ihr Hof womöglich in seiner Existenz bedroht, sagt Uhlig: "Wir leben ja vom Tourismus - Kinder, die bei uns Ferien machen, Menschen, die zum Ausreiten kommen. Die müssten dann um den Solarpark reiten statt durch den Naturpark Barnim." Uhlig bezweifelt, dass ihre Gäste das attraktiv finden würden.
Dabei betont sie, dass sie nicht gegen erneuerbare Energien sei. Im Gegenteil: Sie selbst hätten ja Solarmodule auf dem Dach der Reithalle. Aber viele Bürger wären gerne von Beginn an in die Suche nach einem geeigneten Standort einbezogen worden. Juliane Uhlig verweist auf eine ehemalige Mülldeponie, auf der ein Solarpark niemanden stören würde. Wenn die Bürger rechtzeitig und umfassend beteiligt worden wären, wäre der Solarpark ihrer Ansicht nach schon fertig.
Gemeinde hofft auf höhere Steuereinnahmen
Simone Krauskopf, ehrenamtliche Bürgermeisterin der Gemeinde Sydower Fließ, bezweifelt das. Sie fragt sich, ob man überhaupt alle Anwohner mitnehmen könne, "weil die Interessenlage wirklich so konträr ist". Als Bürgermeisterin ist sie für den Solarpark - vor allem, weil er der Gemeinde Steuereinnahmen bringen würde: "Ich will was für die Gemeinde erreichen. Ich will auch Geld haben, das wir verbrauchen können. Und das wäre eine Gelegenheit."
Aber dann gebe es eben auch die anderen: diejenigen, die um den Wert ihrer Häuser und Grundstücke fürchteten - die Angst hätten, dass auf dem Pferdehof die Gäste ausblieben. Unvereinbare Interessen?
Bundesregierung will den Solarausbau beschleunigen
Konflikte wie der in Sydower Fließ könnten noch zunehmen, wenn Bundeswirtschaftsminister Habeck (Grüne) seine Ankündigungen nach dem zweiten Solargipfel am Freitag in Berlin wahr macht: "Mit der heute vorgelegten Strategie wollen wir den Ausbau nochmal deutlich beschleunigen und alle Bremsen lösen, die ein höheres Tempo beim Zubau bislang verhindert haben."
Bis 2030 sollen die Solarstrom-Erzeugung in Deutschland von jetzt 70 auf dann 215 Gigawatt verdreifacht werden. Dafür müsse es einen stärkeren Ausbau von Freiflächenanlagen geben, stellt das Ministerium in seinem Papier zur Photovoltaik-Strategie fest. Entsprechend soll die Genehmigung solcher Anlagen erleichtert und beschleunigt, aber auch die Akzeptanz dafür gestärkt werden, etwa durch bessere Information und Bürgerbeteiligung. Das sei wichtig, da ein hoher Grad an Akzeptanz zu "weniger Konflikten und gegebenenfalls zu weiteren verfügbaren Flächen führt", so das Strategiepapier aus dem Habeck-Ministerium.
Brandenburger Wirtschaftsminister will Akzeptanz fördern
Die Akzeptanz der Bürger für Solaranlagen hält auch der Brandenburger Wirtschafts- und Energieminister Jörg Steinbach (SPD) für unabdingbar, um die Energiewende zu schaffen. Steinbach zeigt sich mit dem Tempo des Solarausbaus in Brandenburg noch nicht zufrieden, geht nach eigenen Angaben aber davon aus, dass es künftig schneller gehen wird.
Dafür müssten die Bürger frühzeitig in entsprechende Planungen einbezogen werden, aber auch materielle Vorteile von Solarparks vor ihrer Haustür haben – etwa in Form von günstigem Solarstrom: "Wenn die Menschen merken, dass es zu ihrer eigenen Entlastung im Geldbeutel führt, dann wird die Akzeptanz am schnellsten steigen", sagt Steinbach. Trotzdem gehe er davon aus, dass es auch weiterhin Konflikte geben werde, die nur im Kompromiss zu lösen seien: "Es muss einen Ausgleich geben zwischen Menschen, die eine Fläche als Natur erhalten wollen, und denen, die sich der Aufgabe der Klimaneutralität stellen", so der Minister.
Solarpark Tempelfelde frühestens 2025 am Netz
Ob dieser Ausgleich in der Gemeinde Sydower Fließ gelingt, ist noch nicht klar. Das Genehmigungsverfahren geht nun in die dritte Runde. Pferdehofbetreiberin Juliane Uhlig kündigt an, auch weiterhin Einwendungen gegen den Solarpark verfassen und notfalls dagegen klagen zu wollen. Bürgermeisterin Simone Krauskopf setzt auf die Wirkung materieller Anreize: "Akzeptanz ist nur möglich, wenn die Leute sagen können: Der Strom wird hier produziert, und den Strom kriege ich aus meiner Steckdose für kleineres Geld als alle anderen."
Für den Solarpark Tempelfelde kämen solche Anreize wohl zu spät, der Konflikt hat das Projekt schon um mehr als zwei Jahre zurückgeworfen. Im günstigsten Fall könnte hier ab 2025 grüner Strom erzeugt werden – fünf Jahre nach Beginn der Planung.
Sendung: rbb24 Inforadio, 05.05.2023, 17:45 Uhr
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