Interview | Bauernproteste - "Jeder Abbau von Subventionen ist ein Nachteil für die Landwirte in Deutschland"

Mo 08.01.24 | 12:14 Uhr
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Frank Schuhmacher, Produktionsleiter Landgesellschaft Lebus GmbH, befestigt in seinem Traktor ein Transparent mit der Aufschrift «Wer Bauern quält, wird nicht mehr gewählt!» (Quelle: dpa/Pleul)
Audio: rbb24 Inforadio, 05.01.2024 | Anke Arndt | Bild: dpa/Pleul

Die Proteste der Bauern gegen die Streich-Pläne der Ampel-Regierung gehen weiter. Ein Gespräch mit dem Agrarökonomen Klaus Müller vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung über die aktuelle wirtschaftliche Lage der Landwirte.

rbb|24: Herr Müller, ist die wirtschaftliche Lage wirklich so angespannt, wie bei den Protesten moniert wird?

Klaus Müller: Ich denke, so pauschal kann man das nicht beantworten. Die Aufregung der Landwirte ist sicherlich nachvollziehbar, weil die Ankündigung, dass Agrarsubventionen gestrichen werden sollen, sehr plötzlich kam und das von der Ampel-Koalition auch nicht alles bis zur Ende gedacht war.

Schwierig ist das vor allem deswegen, weil die Landwirte sich in einem internationalen Kostensenkungswettbewerb bei den großen sogenannten Cash Crops wie Weizen, Milch, Zucker, Schweine- und Rindfleisch befinden. Dort geht es einfach um Kostensenkung. Jede Kostensteigerung - wie zum Beispiel die Abschaffung von Agrardiesel-Subventionen - führt dann dazu, dass sich die Position der deutschen Landwirte im internationalen Wettbewerb verschlechtert.

Der Begriff Cash Crops steht für landwirtschaftliche Produkte, die nur für den Markt erzeugt wurden und nicht der Selbstversorgung der Landwirte dienen. Raps, Weizen, Kartoffeln, Zuckerrüben sind in in diesem Kontext die großen Produkte.

Zur Person

Prof. Dr. rer. pol. Klaus Müller. (Quelle: zalf.de/Jessica Wahl)
zalf.de/Jessica Wahl

Professor Klaus Müller ist habilitierter Volkswirt und hat sich in den vergangenen 30 Jahren wissenschaftlich damit auseinandergesetzt, wie man Agrarlandschaften multifunktional nutzen kann und wie der Staat durch entsprechende Rahmenbedingungen unterstützen kann. Müller war bis Mitte vergangenen Jahres als stellvertretender wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) in Müncheberg (Märkisch-Oderland) tätig. Zugleich hatte er bis Ende des Sommersemesters 2023 eine Professur an der HU Berlin in der Lebenswissen- schaftlichen Fakultät im Bereich des Thaer-Institut für Agrar- und Gartenbau-Wissenschaften inne.

Was hat denn ein märkischer Landwirt, der meinetwegen im Oderbruch seinen Betrieb hat und dort produziert, mit dem internationalen Wettbewerb zu tun?

Die meisten Marktfruchtproduzenten in Brandenburg produzieren Weizen oder Roggen, der nicht nur national verbraucht, sondern auch international gehandelt wird. Und die Preise werden in der Regel an den großen Börsen festgemacht. Dort spielen dann bestimmte Qualitätsstandards eine Rolle und diese haben Einfluss auf den Preis. Je günstiger ich dann bin, je niedriger meine Produktionskosten sind, desto besser sind meine Chancen, in diesem Wettbewerb zu bestehen. Und insofern ist natürlich jeder Abbau von Subventionen, jede fehlende Unterstützung dann ein Nachteil für die Landwirte in Deutschland.

In diesem Zusammenhang muss man auch sehen, dass wir in Deutschland sehr hohe Bodenpreise haben und sehr vielfältige Ansprüche an die Nutzung von Böden. Es geht hier nicht nur um Agrarproduktion. Täglich werden Flächen für Siedlungs- und Verkehrszwecke benötigt, die dann der Landwirtschaft entzogen werden. Landwirtschaftliche Flächen sind mittlerweile auch eine interessante Investitionsanlage, wenn man sein Portfolio differenzieren will.

Insofern ist der Kampf um Böden in Deutschland sehr intensiv. Mit den ganzen Veränderungen im Bereich der Energiewende sind natürlich die Erwartungen an die Nutzung von Böden weiter gestiegen. So hat in den letzten zwei, drei Jahren eine starke Nachfrage nach landwirtschaftlichen Flächen für die Photovoltaik-Nutzung eingesetzt und diese wird weitergehen und den Druck auf die Flächen weiter erhöhen.

Das heißt, es wird immer knapper mit Böden, und das wirkt sich auf Pacht- und Bodenpreise aus und führt natürlich zu höheren Kosten, gerade wenn ich das dann vergleiche mit Ländern wie Südamerika, Nordamerika oder in Richtung Osten, wo die Flächenpreise doch deutlich niedriger sind.

Im vergangenen Jahr ist auch die neue EU-Förderperiode gestartet. Hat diese die Landwirte zusätzlich unter Druck gesetzt?

Warum die Lage jetzt eskaliert ist, ist im Einzelnen nur schwer zu beantworten. Sicher sind die Auswirkungen der neuen Förderperiode der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU nun deutlicher bei den Landwirten zu spüren.

So ist ein größerer Teil der sogenannten ersten Fördersäule (Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft) stärker an ökologische Auflagen gekoppelt. Das hat zu gewissen Einschränkungen für die deutschen Landwirte geführt und die unternehmerischen Möglichkeiten beim internationalen Kostensenkungswettbewerb mitzuhalten, geschmälert. Zudem bestehen noch eine Reihe von Unsicherheiten, wie sich das im betrieblichen Alltag auswirkt.

(Anmerk: d. Red: Insgesamt zahlt die EU von 2023 bis 2027 deutschen Bauern jährlich 6,3 Milliarden Euro. Sie will damit einerseits Betriebe wettbewerbsfähig halten und bezahlbare Lebensmittel sichern - gleichzeitig aber auch den Umweltschutz fördern. In der ersten Säule liegt der Anteil für ökologische Maßnahmen bei 25 Prozent und macht jährlich mehr als eine Milliarde Euro aus. Die zweite Säule umfasst den Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums.)

Also können auch kleinere Veränderungen wie etwa die Streichung der Subventionen für den Agrardiesel größere finanzielle Folgen für Landwirte haben?

Wir haben überall im Bereich der Nahrungsmittelproduktion Subventionen. Die sind unterschiedlich ausgestaltet. Bei uns ist es so, dass wir in einem dicht besiedelten Land leben und dort die unterschiedlichsten Ansprüche an die Flächennutzung haben. Da ist die Nahrungsmittelproduktion nur ein Anspruch und das führt dann natürlich auch zur Hinterfragung von Subventionen, wenn diese ausschließlich auf die Nahrungsmittelproduktion ausgerichtet sind. Deswegen hat man die neuen EU-Subventionen stärker in Richtung Ressourcen-, Umwelt- und Naturschutz ausgerichtet.

Kleinere Veränderungen an der Subventionsschraube können sich aber deutlich auf die Wettbewerbsfähigkeit auswirken, auch weil man sich gar nicht so schnell anpassen kann, weil wir bei Marktfrüchten immer einen Produktionszyklus von einem Jahr haben.

Und da wären noch die erheblich gestiegenen Kosten für Dünger. Da ist es so, dass durch die Kriegssituation in der Ukraine gravierende Marktbeeinträchtigungen entstanden sind.

Und: Agrardiesel ist auf jeden Fall ein wichtiger Kostenfaktor in der Landwirtschaft.

Was könnte die Landwirtschaft selbst tun, um sicherer aufgestellt zu sein?

Für mich ist das ein ganz wichtiger Punkt, dass wir berücksichtigen, dass wir in Deutschland in einigen Bereichen durchaus eine Selbstversorgungsquote von mehr als 100 Prozent haben. Das gilt für den Getreide-, Fleisch- und für den Milchbereich. Wir sollten daher auch überlegen, inwieweit wir uns strukturell stärker dahin entwickeln, wo wir unterversorgt sind und Selbstversorgungsquoten von deutlich unter 100 Prozent haben, wie im Bereich von Gemüse. Insofern könnte Garten- und Obstbau zukünftig eine größere Rolle spielen, wo wir auch sehr viel importieren. Zudem sollten Synergieeffekte zwischen der Nahrungsmittelt- und der Energieproduktion wie im Falle der Agri-Photovoltaik stärker ins Auge gefasst werden.

(Anmerk. d. Red.: Agri-Photovoltaik bezeichnet ein Verfahren zur gleichzeitigen Nutzung von Flächen für die landwirtschaftliche Pflanzenproduktion (Photosynthese) und die PV-Stromproduktion (Photovoltaik).)

 

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Georg-Stefan Russew, rbb|24

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111 Kommentare

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  1. 111.

    Diese Bürger versorgen auch Sie mit Essen.
    Oder bauen Sie selbst Gemüse,Salat, Getreide an?
    Oder halten Sie selbst Schweine, Kühe und Hühner ?
    Außerdem werden auch andere Bürger Subventioniert.ZB. 49 Euroticket.

  2. 110.

    Dann bilde ich mir die Insolvenzen und das Abwandern der Industrie nur ein.

    Danke

  3. 108.

    Habe doch gar nicht über die Sanktionen geurteilt, habe nur gesagt, das man dann niemanden durch die gestiegenen Preise die Existenz zerstören kann. Es gibt so viele Dinge die etwas zurückgefahren werden können ohne das daran das Land zerbricht.
    Wenn man von anderen verlangt kürzer zu treten, setzt man ein Zeichen indem man selber damit beginnt. Es wäre eine Geste von Zusammengehörigkeit gewesen, hätte das Kabinett geschlossen den Inflationsausgleich der Tafel gespendet. Da kann man nur von träumen.

    Danke

  4. 107.
    Antwort auf [Nixnutz] vom 06.01.2024 um 15:10

    Das ist falsch!!! Belesen sie sich! Aber nicht auf telegram

  5. 106.
    Antwort auf [Nixnutz] vom 06.01.2024 um 18:25

    So ein Quatsch! Welches Land wird zerstört? Lesen Sie das auf ihrem Telegram Kanal?

  6. 105.

    „ Jeder ist wütend“
    Ich nicht !
    Und nach den Kommentaren die hier zu lesen sind, wohl noch einige andere die Verständnis haben.
    Was soll das zu behaupten, das alle so denken wie sie ?

  7. 104.

    Warum fahren Bauern privat Diselautos? Tanken sie für Normalpreis an der Tankstelle? Kein Bürger wird so subventioniert wie unsere Bauern

  8. 103.

    In vielen steckt mehr Verstand, als Sie von träumen können! Dann trifft es eben die Endverbraucher - so what? Die Landwirte sollten sich mal entscheiden, wat se nu wollen: Globalisierte Marktwirtschaft oder regulierte Planwirtschaft?
    Die Lebensmittel MÜSSEN teurer werden, damit nich mehr jedes Jahr 11 Mio. Tonnen allein in DE vernichtet werden.
    Wer mich und die Umwelt weiterhin mit Glyphosat vergiftet und soviel Geld für Diesel hat, dass er mit seine Arbeitsmaschinen durch die Republik reisen kann, bruch mir nich die Ohren volljammern.

  9. 102.
    Antwort auf [klausbrause] vom 06.01.2024 um 17:58

    Mit dieser Aussage brauchen Sie nur noch mit ihren Retro-Volvo am Feld einhalten und die Bauern fragen: Ist das auch Bio?
    Dann lernen Sie, wie Hass entsteht.

  10. 101.
    Antwort auf [klausbrause] vom 06.01.2024 um 17:58

    24 Stunden nicht, bis zu 14 Stunden.
    365 Tage im Jahr stimmt.
    Oder glauben Sie wirklich das Kühe und Schweine Wochenende und Feiertage wie Ostern, Pfingsten und Weihnachten haben, und
    nicht gefüttert, gemolken, den Stall saubergemacht bekommen, das Melkgeschirr gesäubert werden muss?
    Darüber jammert auch niemand.
    Die haben lediglich Angst um ihre Existenz.
    Aber das ist wohl ihnen und vielen anderen egal.
    Wir kaufen ja Wurst, Fleisch, Brot,Brötchen, Milch usw,usw, usw, usw, usw ja im Supermarkt, und nicht beim Erzeuger der Zutaten dieser Lebensmittel.

  11. 100.

    Firmen wie Südzucker, Albrecht und Oetker kaufen einfach das Land. Den romantischen Familienbetrieb, der mit Leib und Seele um unser Essen ackert, ist vielfach Geschichte, in Brandenburg aus historischen Gründen noch viel stärker als in den alten Bundessländern.

  12. 99.

    Die Energiekosten sind nicht nur in Deutschland gestiegen. Möglicherweise etwas höher als anderswo. Es mag wirtschaftlich sinnvoller gewesen sein, wenn wir weiter russisches Gas/Oel bezogen hätten. Moralisch eher nicht. Kann man halt so oder so sehen.

  13. 98.

    Beschreiben Sie die Zukunft Brandenburger Bauern, die kein Land mehr haben, weil große Konzerne alles aufkaufen und auch bereit sind, höhere Pachten zu zahlen?
    https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2023/01/brandenburg-agrarstrukturgesetz-kenia-koalition-landgrabbing-bodenspekulationen.html
    2020 wirtschafteten in Brandenburg als klassischer Einzelunternehmer im Haupterwerb in 1.579 von 3.691 Betrieben (43 Prozent). 2016 waren es noch 1.770 von 3.800 Betrieben (47 Prozent). Jedem Betrieb standen durchschnittlich 247 Hektar zur Verfügung, rund 10 Hektar mehr als 2010. 2020 betrug das jährliche Pachtentgelt je Hektar LF landesweit durchschnittlich 171 Euro. Das entspricht einem Anstieg gegenüber 2010 (98 Euro) um 74 %.

  14. 97.
    Antwort auf [Nixnutz] vom 06.01.2024 um 15:10

    Völlig falsch!!

  15. 95.

    Würden Sie mit einem Verbrecher, der auch vor Kindern keinen halt macht, Geschäfte machen?

  16. 94.

    Wenn unsere Bauern auf dem Weltmarkt nicht konkurrenzfähig sind kaufen die Großhändler die Erzeugnisse dort wo sie billig sind.
    Es gibt nicht genug Kunden, das jeder Bauer ausschließlich mit einem Hofladen oder dem Markttag überleben könnte.

    Danke

  17. 93.

    Das ist so nicht ganz richtig.
    Russland führt einen völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Ukraine, korrekt.
    Die Sanktionen haben wir beschlossen. Kann man machen, muss man aber nicht. Und dann wurde auch noch überall Gas gekauft, egal wie teuer. Das war unüberlegt.
    Und seit wann interessiert uns das Völkerrecht?

  18. 92.

    Proteste sind ja nicht schlecht! Aber über längst überfällige Agrarunterstützungen ist sicher daneben. Kein anderer Wirtschaftszweig verbraucht in Europa soviel Geld wie die Landwirtschaft. Jahrelange Unterstützung die schon längst umgebaut hätte wäre sollen. Der Großteil des hier angebotenen Lebensmittel geht in die weite Welt. Umgekehrt wird vieles was hier gegessen wird eingeführt über 10000km. Irrsinn der beendet werden muss. Schaut in die Obst/Gemüseabteilung, Mehl, Zucker, Getreide zum größten Teil von anderen Kontinenten. Vor Ort werden nur für Tierfutter, "Ökobenzin" etc. produziert.
    Letztendlich von Allem zuviel da.
    Was zuviel ist muss weg, Alterteilzeit, Rente mit 50 das sind Lösungen.
    Den Leuten auf der Straße gerechte Einkommen geben in Sachen Renten etc. und erklären das Sie überflüssig sind.
    Solarförderung mit eigenem Ertrag würde viel sinnvoller sein als die großen Stromdino s RWE, LEAG, EON etc. weiter zu unterstützen.
    Einfach reden miteinander sonst sehe ich.

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