Interview | Bauernproteste - "Jeder Abbau von Subventionen ist ein Nachteil für die Landwirte in Deutschland"
Die Proteste der Bauern gegen die Streich-Pläne der Ampel-Regierung gehen weiter. Ein Gespräch mit dem Agrarökonomen Klaus Müller vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung über die aktuelle wirtschaftliche Lage der Landwirte.
rbb|24: Herr Müller, ist die wirtschaftliche Lage wirklich so angespannt, wie bei den Protesten moniert wird?
Klaus Müller: Ich denke, so pauschal kann man das nicht beantworten. Die Aufregung der Landwirte ist sicherlich nachvollziehbar, weil die Ankündigung, dass Agrarsubventionen gestrichen werden sollen, sehr plötzlich kam und das von der Ampel-Koalition auch nicht alles bis zur Ende gedacht war.
Schwierig ist das vor allem deswegen, weil die Landwirte sich in einem internationalen Kostensenkungswettbewerb bei den großen sogenannten Cash Crops wie Weizen, Milch, Zucker, Schweine- und Rindfleisch befinden. Dort geht es einfach um Kostensenkung. Jede Kostensteigerung - wie zum Beispiel die Abschaffung von Agrardiesel-Subventionen - führt dann dazu, dass sich die Position der deutschen Landwirte im internationalen Wettbewerb verschlechtert.
Der Begriff Cash Crops steht für landwirtschaftliche Produkte, die nur für den Markt erzeugt wurden und nicht der Selbstversorgung der Landwirte dienen. Raps, Weizen, Kartoffeln, Zuckerrüben sind in in diesem Kontext die großen Produkte.
Was hat denn ein märkischer Landwirt, der meinetwegen im Oderbruch seinen Betrieb hat und dort produziert, mit dem internationalen Wettbewerb zu tun?
Die meisten Marktfruchtproduzenten in Brandenburg produzieren Weizen oder Roggen, der nicht nur national verbraucht, sondern auch international gehandelt wird. Und die Preise werden in der Regel an den großen Börsen festgemacht. Dort spielen dann bestimmte Qualitätsstandards eine Rolle und diese haben Einfluss auf den Preis. Je günstiger ich dann bin, je niedriger meine Produktionskosten sind, desto besser sind meine Chancen, in diesem Wettbewerb zu bestehen. Und insofern ist natürlich jeder Abbau von Subventionen, jede fehlende Unterstützung dann ein Nachteil für die Landwirte in Deutschland.
In diesem Zusammenhang muss man auch sehen, dass wir in Deutschland sehr hohe Bodenpreise haben und sehr vielfältige Ansprüche an die Nutzung von Böden. Es geht hier nicht nur um Agrarproduktion. Täglich werden Flächen für Siedlungs- und Verkehrszwecke benötigt, die dann der Landwirtschaft entzogen werden. Landwirtschaftliche Flächen sind mittlerweile auch eine interessante Investitionsanlage, wenn man sein Portfolio differenzieren will.
Insofern ist der Kampf um Böden in Deutschland sehr intensiv. Mit den ganzen Veränderungen im Bereich der Energiewende sind natürlich die Erwartungen an die Nutzung von Böden weiter gestiegen. So hat in den letzten zwei, drei Jahren eine starke Nachfrage nach landwirtschaftlichen Flächen für die Photovoltaik-Nutzung eingesetzt und diese wird weitergehen und den Druck auf die Flächen weiter erhöhen.
Das heißt, es wird immer knapper mit Böden, und das wirkt sich auf Pacht- und Bodenpreise aus und führt natürlich zu höheren Kosten, gerade wenn ich das dann vergleiche mit Ländern wie Südamerika, Nordamerika oder in Richtung Osten, wo die Flächenpreise doch deutlich niedriger sind.
Im vergangenen Jahr ist auch die neue EU-Förderperiode gestartet. Hat diese die Landwirte zusätzlich unter Druck gesetzt?
Warum die Lage jetzt eskaliert ist, ist im Einzelnen nur schwer zu beantworten. Sicher sind die Auswirkungen der neuen Förderperiode der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU nun deutlicher bei den Landwirten zu spüren.
So ist ein größerer Teil der sogenannten ersten Fördersäule (Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft) stärker an ökologische Auflagen gekoppelt. Das hat zu gewissen Einschränkungen für die deutschen Landwirte geführt und die unternehmerischen Möglichkeiten beim internationalen Kostensenkungswettbewerb mitzuhalten, geschmälert. Zudem bestehen noch eine Reihe von Unsicherheiten, wie sich das im betrieblichen Alltag auswirkt.
(Anmerk: d. Red: Insgesamt zahlt die EU von 2023 bis 2027 deutschen Bauern jährlich 6,3 Milliarden Euro. Sie will damit einerseits Betriebe wettbewerbsfähig halten und bezahlbare Lebensmittel sichern - gleichzeitig aber auch den Umweltschutz fördern. In der ersten Säule liegt der Anteil für ökologische Maßnahmen bei 25 Prozent und macht jährlich mehr als eine Milliarde Euro aus. Die zweite Säule umfasst den Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums.)
Also können auch kleinere Veränderungen wie etwa die Streichung der Subventionen für den Agrardiesel größere finanzielle Folgen für Landwirte haben?
Wir haben überall im Bereich der Nahrungsmittelproduktion Subventionen. Die sind unterschiedlich ausgestaltet. Bei uns ist es so, dass wir in einem dicht besiedelten Land leben und dort die unterschiedlichsten Ansprüche an die Flächennutzung haben. Da ist die Nahrungsmittelproduktion nur ein Anspruch und das führt dann natürlich auch zur Hinterfragung von Subventionen, wenn diese ausschließlich auf die Nahrungsmittelproduktion ausgerichtet sind. Deswegen hat man die neuen EU-Subventionen stärker in Richtung Ressourcen-, Umwelt- und Naturschutz ausgerichtet.
Kleinere Veränderungen an der Subventionsschraube können sich aber deutlich auf die Wettbewerbsfähigkeit auswirken, auch weil man sich gar nicht so schnell anpassen kann, weil wir bei Marktfrüchten immer einen Produktionszyklus von einem Jahr haben.
Und da wären noch die erheblich gestiegenen Kosten für Dünger. Da ist es so, dass durch die Kriegssituation in der Ukraine gravierende Marktbeeinträchtigungen entstanden sind.
Und: Agrardiesel ist auf jeden Fall ein wichtiger Kostenfaktor in der Landwirtschaft.
Was könnte die Landwirtschaft selbst tun, um sicherer aufgestellt zu sein?
Für mich ist das ein ganz wichtiger Punkt, dass wir berücksichtigen, dass wir in Deutschland in einigen Bereichen durchaus eine Selbstversorgungsquote von mehr als 100 Prozent haben. Das gilt für den Getreide-, Fleisch- und für den Milchbereich. Wir sollten daher auch überlegen, inwieweit wir uns strukturell stärker dahin entwickeln, wo wir unterversorgt sind und Selbstversorgungsquoten von deutlich unter 100 Prozent haben, wie im Bereich von Gemüse. Insofern könnte Garten- und Obstbau zukünftig eine größere Rolle spielen, wo wir auch sehr viel importieren. Zudem sollten Synergieeffekte zwischen der Nahrungsmittelt- und der Energieproduktion wie im Falle der Agri-Photovoltaik stärker ins Auge gefasst werden.
(Anmerk. d. Red.: Agri-Photovoltaik bezeichnet ein Verfahren zur gleichzeitigen Nutzung von Flächen für die landwirtschaftliche Pflanzenproduktion (Photosynthese) und die PV-Stromproduktion (Photovoltaik).)
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Georg-Stefan Russew, rbb|24
Die Kommentarfunktion wurde am 06.01.2024 um 20:17Uhr geschlossen. Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.